Doro - Classic Diamonds
ØØØØ 1/2
AFM Records
(D/20. 9. 2004)
Eine der wenigen Königinnen des Rock hält Audienz in einem Wiener Hotelzimmer. Milan Knezevic erlag ihrem Charme allerdings schon lange vorher ... 19.09.2004
Sie ist eine der unumstrittenen Queens des Rock und meldet sich 2004 mit einem ganz besonderen Album zurück. Was andere Bands als Königsdisziplin ansehen mögen - eine Platte mit einem Orchester einzuspielen -, war Doro bis vor wenigen Monaten herzlich egal. Umso erstaunlicher ist es, daß als Ergebnis ein Album herauskam, das sogar vergleichbare Produkte wie "SM" von Metallica oder "Alive IV" von Kiss locker in den Schatten stellt.
Wir treffen Doro, die nach einem Abend mit Fans im Wiener Metal-Lokal Escape erstaunlich frisch und munter ist, in ihrem Hotelzimmer. Sie erzählt sofort, "daß so eine Platte viel Arbeit verursacht" und lacht. "Das hab´ ich ja am Anfang nicht bedacht. Voll naiv glaubte ich, wir wären in zwei, drei Monaten damit fertig und könnten dann gleich mit der nächsten Platte anfangen. Doch ich kannte nichts von der Arbeitsweise, und die Klassik hat ganz andere Gesetzmäßigkeiten.
Aber wir hatten Glück, denn unser Keyboarder Olli, der sowieso immer ein bißchen im Schatten steht, ist ein ganz studiertes Kerlchen. Als Dirigent konnte er alles, was er gelernt hat und was bei uns bisher nicht nötig war, einsetzen - und schrieb so die meisten Arrangements. Dann machten wir Demos, manchmal drei verschiedene, die ich einsang. Am Schluß sagte ich, das gefällt mir und das nicht. Und es mußte alles in Noten geschrieben werden, weil die im Orchester alle nur danach spielen.
Problematisch wurde es nur, wenn mir die eingespielte Version plötzlich nicht mehr so gut gefiel. Dann kam ein 'Waaas? Daran haben schon 50 Leute gearbeitet!' Da konnte ich nicht so chaotisch sein, wie ich normalerweise arbeite - und das merkte ich auch.
Im Endeffekt ist es super geworden und echt speziell; aber eben doch mehr Aufwand!"
ECORDER (steigt endlich ins Interview ein): Das Orchester ist auch besser eingesetzt als bei ähnlichen Produktionen. Metallica hören sich zum Beispiel richtig überladen an ...
Doro: Ich hatte auch oft das Gefühl, es kommt alles total auf den Punkt. Wir brauchten nicht viel zu diskutieren, sondern jeder Song bekam genau das, was er haben mußte. Manche sind dezent mit ein paar Streichern, andere haben die ganze Bandbreite eines Orchesters. Darum wollte ich das mit Leuten machen, die mit dem Rock- und Metal-Bereich etwas anfangen konnten. Das erste Mal spielten wir in Düsseldorf mit den dortigen Symphonikern - aber die waren alle schon älter und hatten keinen besonderen Draht zum Rock. Die vom Classic Night Orchester sind junge Leute und kommen von überallher. Viele sind aus Rußland, und alle sind sie mit Freude dabei. Und daß sie sich mit Rock und Metal auskannten, war schon ein Mega-Unterschied zu den Düsseldorfern.
ECORDER: Was waren die Kriterien für die Song-Auswahl?
Doro: Eine Kombination zwischen den Songs, bei denen ich dachte, die sind eh klar, die müssen rauf - so wie "All We Are" und "Für immer" und natürlich dem, was sich die Fans wünschen. Es kam ja alles so zustande, daß wir in Bochum bei einem Benefizkonzert schon zwei Lieder mit Arrangements hatten. Ich habe auch ganz engen Kontakt zu Fans und Clubs. Als die Fans "1000x gelebt" und "Love Me In Black" in anderem Gewand hörten, wollten sie das auch auf Platte haben. Denn gerade "Love Me In Black" war für die Fans zu elektronisch. Die Platte war zwar in sich stimmig, aber wenn man traditioneller Metal-Fan ist, dann doch zu modern. Und "1000x gelebt" mit dem echten Cello ist so gefühlvoll! Dann sind da noch vier neue Songs oben, darunter die neue Einzugshymne für die Boxerin Regina Halmich - "She´s Like Thunder", der einzige Song mit Elektrogitarre.
Als sie damals das erste Mal mit "Fight" eingelaufen ist, saß ich im Publikum. Ich hoffte sehr, daß sie gewinnen würde, weil sie an dem Tag eine starke Gegnerin hatte. Ich wußte, da könnte ich mit der Platte nicht leben, wenn sie den Kampf verliert. Und die neue Einzugshymne ist mit Donner und Blitz unterlegt. Damit kann man den Gegner hoffentlich einschüchtern!
Tja - und "Breaking the Law" wünschte ich mir, weil ich den Song geil fand und viele gute Erinnerungen an Judas Priest habe. Unsere erste große Tour damals 1986 mit Warlock fand mit Priest statt. Ist eine meiner Lieblings-Bands, und Rob Halford ein totales Vorbild.
ECORDER: Ist aber eine gewagte Version des Songs ...
Doro: Ja, das stimmt! Wir wollten nicht alles einfach so nachspielen, das wäre zu einfallslos. Gerade bei Cover-Versionen ist das immer so eine Sache. Bei unserm "Breaking the Law" weiß man erst gar nicht, was es ist, und dann bäumt sich das Lied auf. Besonders live! Die ersten zwei Sätze sing ich noch alleine, und die Leute fragen sich, was das ist ... und dann singen alle mit.
ECORDER: Man merkt, daß das Orchester mit der Band abgestimmt ist. Nicht so wie Kiss, die ihre Show abziehen, und das Orchester spielt einfach mit.
Doro: Am Anfang hatten wir eine heftige Diskussion, denn ich wollte eine E-Gitarre dabei haben, ganz klar. Da hieß es: "Geht nicht, das Orchester klingt dann mickrig". Wir probierten tausend Sachen aus, bis es klappte.
Daß "Für immer" auf die Platte kommt, war ja sowieso klar, denn der wird von den Fans am öftesten gewünscht und ist mit "All We Are" das Highlight auf den Konzerten. Bei dem Arrangement sagte ich: "Bitte nichts anders machen und dran herumbasteln." Viele Fans hängen mit dem Herzen daran. Die restlichen Songs haben wir aber dann doch ein bißchen anders arrangiert.
"1000x gelebt" mochte ich so gern und machte auch mal eine englische Version davon. Doch im Vergleich zur deutschen hatte die keine Magic. Es ist so, daß die deutschen Songs von Natur aus deutsch bleiben müssen. Das ist genauso, wenn man einen englischen Song ins Deutsche übersetzt - das Ergebnis gibt einem nichts, da fehlt die Magie. 1993 hatte die damalige Plattenfirma gefragt, ob wir die Platte "Angels Never Die" nicht auch in Deutsch machen könnten. Die wollten´s unbedingt, also setzte ich mich dran und übersetzte die Texte. Bei den meisten ging´s nicht so gut, und dann meinten die: "Lassen wir´s, wir haben eh kein Geld dafür."
Und "1000 x gelebt" fiel mir im Traum ein. Das ist meistens ein gutes Zeichen. Da fiel mir die Melodie ein und ein kurzer Text, nur Bruchstücke. Man spürt sofort, wenn eine Idee raus will oder es in sich hat. Meist sind die Sachen, die spontan und schnell rauskommen, auch jene, die am meisten Bedeutung haben. Wenn man sich zu lange abquält, denkt man, das hätte man auch sein lassen können. Das ist mir oft aufgefallen!
ECORDER: Wie kamt ihr auf den Gedanken, eine solche Classic-CD aufzunehmen?
Doro: Eigentlich nur, weil wir das live gemacht haben und das so gut abging. Ich war nie ein Fan von "Metal meets Classic". Als wir in Düsseldorf das erste Konzert mit dem Orchester spielten, war das auch nicht meine Idee. Das war der Wunsch vom Manager des American-Football-Teams Rheinfire. Für die haben wir auch "Burn It Up" geschrieben. Er fragte schon Jahre zuvor immer wieder, ob wir nicht etwas mit den Symphonikern machen wollen. Als wir uns dann darauf einigten, daß wir mit denen spielen werden, wenn das Team den Worldball gewinnt, hatte er mich am Schlafittchen - weil sie wirklich gewonnen haben. Also rief ich den Dirigenten an, der wider Erwarten total offen und nett war und sich voll reinhing. Wir spielten dann zwei Lieder im Stadion mit ihnen. Für mich war es echt super, und ein halbes Jahr später landete das Konzert auch auf der DVD.
Bei der "Fight"-Tour kamen dann zwei Leute auf mich zu und fragten, ob wir nicht bei einem Benefizkonzert für "Tiere in Not" mitmachen wollen, einem Abend mit Metal- und Rock-Klassikern. Wie das immer so ist, sagten viele ab und konnten nicht. "All We Are" und "Für immer" hatten wir eingespielt, dann mußten wir mehr als die zwei Songs arrangieren. Die probten und spielten wir, und das ging voll ab! Von der Stimmung her sagten die Fans, daß es einmalig war! Sieht man auch auf der DVD ...
ECORDER: Ja, vor allem dich mit einem Kleid auf der Bühne ...
Doro: Ach ja - ich zog das Kleid einfach über meine Bühnenklamotten an, das trägt ein bißchen auf. Und die Nieten und Gürtel, alles war zu sehen! Nächstes Mal gibt es einen Instrumentalteil, und ich kann mich umziehen.
ECORDER: Also wirst du doch wieder mit einem Kleid auftreten?
Doro: Ja, jetzt bei der Tour soll das ja ganz stimmungsvoll sein. Wir spielen in Kirchen, Theatern und ganz speziellen Venues. Bei manchen Songs haben wir Kerzen und so auf der Bühne. Vielleicht fangen wir mit "Love Me In Black" an und nicht "I Rule the Ruins".
ECORDER: Mit kommt vor, die Leute reden über Projekte, egal, wo du bist - anscheinend hast du nie Urlaub.
Doro: Ach nööö ... nö, würd´ mich nicht interessieren. Hab´ ich überhaupt keine Lust drauf.
ECORDER: Lieber mit Fans in verrauchten Lokalen herumhängen ...
Doro ( versteht natürlich den Wink auf den vorangegangenen Abend im Escape): Genau, genau! Das bringt mir mehr als irgendwo faul am Strand herumzuliegen und mich zu langweilen. Einmal, verbunden mit einem Gig in Australien, machten wir einen Abstecher nach Thailand. Der Veranstalter sagte: "Wenn ihr hier spielen wollt, gebe ich euch ein Hotel frei." Zwei Tage am Strand war auch geil, ich war aber froh, als der dritte Tag mit dem Gig kam.
Es geht ja überhaupt bergauf im Rock- und Metal-Bereich. Wir sind in den spanischen Charts mit "Let Love Rain On Me"! Letztens rief der AFM-Boss an und erzählte uns das. Ich dachte, Platz 90 oder so - und er: "Nein, in den Top 20 - Platz 18!" Da freute ich mich wahnsinnig; dann rief er nochmal an und meinte, das wären die Zahlen für die vorige Woche gewesen - jetzt wären wir auf Platz acht. Wir sind ja jetzt bei einer neuen Plattenfirma, und das gibt eine gute Motivation. Sowas schadet nie.
ECORDER: Und wie kommst du zu deinen Gastmusikern?
Doro: Meistens ergibt sich das ganz spontan - mit dem Udo zum Beispiel, der auf "Breaking the Law" zu hören ist, arbeiteten wir vor zwei Jahren zusammen. Man trifft sich, und dann macht man halt mal gemeinsam Musik. Zuerst hätte er nur die ersten Zeilen einsingen wollen. Mir gefiel diese Version auch besser. Aber dann meint er, er sei nicht so der Balladensänger, also übernahm ich den Part, und in den Refrains wechseln wir uns ab.
ECORDER: Irgendwann vielleicht wieder mit Gene Simmons? Auch wenn seine Stimme nicht mehr so toll ist ...
"Ach jaaaa", beginnt Doro verlegen. "Wenn ich mal Fan bin, gefällt mir immer alles. Ich habe 'Firestarter' auf Viva oder MTV gesehen und fand es voll geil. Ich hab mir sofort seine Platte geholt und ..." - sie unterbricht sich und schiebt ein "na ja" hinterher.
Der Tourmanager Dirk kommt zu uns herein, weil die Interview-Zeit abgelaufen ist. Da will man natürlich wissen, ob Doro ihre anstehende Tour auch nach Österreich führen wird.
Doro: Nur durch Deutschland, die Schweiz und Italien auch! Leider kommen wir mit dem Orchester nicht nach Österreich.
Dirk: Das läßt sich nicht finanzieren. Man braucht 1500 Leute Minimum. Das kann nicht in einer kleinen Halle gehen.
Doro: In Wacken - und ihr alle wart nicht da! - hatten wir großes Besteck. 40 Musiker.
Dirk (ganz der Tourmanager): 45.
Doro: 45 Leute waren da oben, und die Bühne war entsprechend groß! Da gibt´s schon mehr Chaos, als nur wir mit der Band verursachen!
ECORDER: Also keine Doro mit Orchester in Österreich?
Doro: Leider! Aber wir haben schon 20 Jahre gebraucht, um überhaupt hier zu spielen! Wir waren auf Tour mit Dio, mit Judas Priest - und die kamen nie nach Österreich. Damals waren wir auch zu klein, als daß wir alleine hätten kommen können. Zuerst machten wir ein Akustik-Set, um zu sehen, ob das überhaupt geht!
Bleibt nur zu hoffen, daß sich ihre neue Platte so gut verkauft, daß Doro irgendwann doch mit ihrem Orchester Wien beehren kann ...
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