Platten_Green Day - American Idiot

Grünes Punk-Herz

Man nehme "Quadrophenia" von The Who und verlege die Handlung vom englischen Brighton in die amerikanischen Vorstädte. Und zuletzt färbe man alles Bubblegum-grün ...    14.10.2004

"American Idiot" ist das 5.674.355. Statement gegen George Bush. Es soll eine sogenannte "Punk-Rock-Oper" sein - mit zwei neunminütigen Songs voller Abwechslung, Breaks und Melodien in je fünf Akten. Aber - dürfen Punker sowas? Was ist mit den Maximal-drei-Minuten-Songs, die dem Hörer voll eine auf die Schnauze geben sollen und dann schnell dem nächsten Lied Platz machen?

Grüner Schnee von gestern. Die Zeiten ändern sich, Punks auch. Und Green Day? Jein! Seit "Dookie" haben die Kalifornier einen Stein in unserem Brett, doch das Meisterwerk von damals haben sie bis heute nicht getoppt. Auch mit der neuesten Platte nicht. Schlimmer noch - sie zitieren sich selbst, vornehmlich "Dookie"-Songs.

Doch Green Day beherrschen den Pop und die griffigen Refrains, den sie im Punk verrühren. Und Billy Joe Armstrong ist mit jenem Organ gesegnet, nach dessen Klasse seit über einem Jahrzehnt jede Funpunk-Band ihren Sänger aussucht. Also kann da - trotz des Mangels an neuen Ideen - nicht viel schiefgehen.

Mit "American Idiot" legen Green Day eine Platte vor, deren Sinn genau derselbe ist wie der von "Punkvoter" und den "Rock Against Bush"-Compilations: Stimmungsmache gegen George W. Und sie machen Musik, die das, was von Bad Religion übrig blieb, locker schlägt; sie verweisen ihre Klons von Sum 41 oder Blink 182 in die hinteren Reihen. Schon "American Idiot" klingt nach einem Hit von der "Dookie"-Platte, nur ausgereifter. "She´s A Rebel" ebenso, nur originärer. Sie packen es, mit "Are We the Waiting" eine Stadion-Punk-Hymne zu kreieren und verschicken eine "Letterbomb", die alles ist, nur kein Rohrkrepierer. "Wake Me Up When September Ends" ist eine süße Ballade, leicht Country-angehaucht, dann mit Streichern veredelt.

Natürlich wäre es schön, wenn sich Fans mehr mit "American Idiot" und seinen Texten beschäftigen würden. Auch wenn die Musik alleine für sich sprechen kann - das Album hat soviel Zündstoff, daß die Briefkästen von Armstrong, Dirnt und Cool mit hochexplosiver Post befüllt werden könnten. Denn wenn schon Cat Stevens eine Gefahr für die nationale Sicherheit ist, dann ist es das Trio erst recht. Wenn es um Amerika geht, wohlgemerkt ...

Und was bleibt als Fazit? Für Pop-Fun-Punk ist es eine wirklich gute Platte geworden, keine Frage. In speziellen Green-Day-Maßstäben gesehen ist es "nur" ein gelungenes Album, das "Dookie" leider nicht übertrifft.

Milan Knezevic

Green Day - American Idiot

ØØØ


Reprise/Warner

(USA/27. 9. 2004)

 

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