Platten_L´âme Immortelle - Gezeiten

In der Gruft wird gerockt!

Österreich mag seine Künstler nicht. Warum sonst nähme man von einer international erfolgreichen Band in der Heimat keinerlei Notiz?    05.10.2004

Jetzt bitte die Spotlights an ... ja ... bitte auf Wien richten ... nein, mehr nach links ... gut so ... And here are the new stars from Austria, the most successful artists since Falco!

Wer das nicht glaubt, ist doof. Was? Das reicht den Zweiflern nicht? Na gut, dann wollen wir ein wenig ausführlicher werden. Und wer gerade von den hinteren, billigen Plätzen einwerfen will, DJ Ötzi sei doch auch erfolgreich ... wir reden hier von Künstlern, nicht von Zuständen.

Es ist erst wenige Monate her, daß sich L´âme-Immortelle-Sängerin Sonja Kraushofer auf die Seite von Oomph! stellte und mit ihnen "Brennende Liebe" aufnahm, damit es im Mainstream nicht hieß: "Ja, ja - mit 'Augen auf' charten, und das war´s dann ... one hit wonder!" Ein praktischer Nebeneffekt allerdings war, daß die Öffentlichkeit so von einer Sonja und LAI überhaupt erst erfahren durfte. Zwar bieten die bereits seit 1996 gut gemachten Gothic, zuerst elektronisch und stark Industrial-lastig, dann immer gitarrenorientierter werdend, aber wer wußte das bis dahin? Ganz klar also, daß auch jetzt schnell ein neues LAI-Album folgen mußte.

Und so klingt es: "Es zieht mich davon" ist ein Opener, dessen Aussage man liebend gern Folge leisten möchte - weg von der CD nämlich. Die Nummer ist langweilig und schrecklich nichtssagend. Bis es dann heißt, "Tanz ein letztes Mal mit mir", haben wir schon längst dankend abgewunken und das Weite gesucht.

 

Doch darauf folgt "5 Jahre", und dieser Track ist - darf man das überhaupt so sagen bei einer Gothic-Band? Na ja, wenn es auf dem Sticker auf der CD so steht, wird´s ja stimmen - der ist also ein "Smash-Hit". Einprägsame Gitarren spielen mit der Elektronik, unterstützt von Sonjas ausdrucksvoller, Musical-erfahrener Stimme. Das folgende "Fear" springt in die gleiche Bresche. Man merkt, daß das dritte (unsichtbare) Mitglied von L´âme Immortelle, Ex-Whispers In-The-Shadow-Frontman Ashley Dayour (sehr wohl sichtbar im Bild links), beim Songwriting sehr viel Einfluß gewonnen hat.

Eigentlich geht es in dieser Gangart weiter: "Stumme Schreie" ist ein modernes Stück Rock mit Elektro geworden, wie man es sich zur Zeit der ersten Alben nie von der Band erwartet hätte. Das liegt aber daran, daß die Wiener immer wieder auf den internationalen (und ein wenig auf den heimischen) Markt schielen. Und wer möchte ihnen das verdenken?

 

In Sachen Gastmusiker ließ Texter und Mastermind Thomas Rainer (siehe Bild) ebensowenig sparen: Neben Cellisten und anderen Streichern, Pianoklimperern und Percussionisten verpflichtete man unter anderem Paradise-Lost-Mann Aaron Aedy als Rhythmusgitarristen und den ehemaligen Paradise-Lost-Drummer Lee Morris; hinter den Reglern saßen - Achtung, besonders im Falle einer im Inland unterbewerteten österreichischen Band macht die Fortsetzung eines solchen Namedropping verflucht viel Spaß - der Dead-Can-Dance-erfahrene John A. Rivers sowie Rhys Fulber (Fear Factory, Paradise Lost, Front Line Assembly). Beide verhalfen den elf Tracks zu einem besonders schönen dunklen Funkeln.

So schaffen es L´âme Immortelle, mit "Masquerade" einen Rocker mit EBM auf die Beine zu stellen, mit "Calling" geben sie drüben, wo die NuMetal-Freaks nasebohrend in die Luft glotzen, Nachhilfe in Sachen Heavy Guitars meets düstere Metaphern. Auch die treuen, auf der Tanzfläche nach neuen LAI-Songs ausharrenden Fans werden von Thomas Rainer und Sonja Kraushofer nicht vergessen. Sie bekommen das technoide "Kingdom" fürs Abtanzen serviert.

 

Leicht beeinflußbare Herzen zum Weinen bringen wird Sonja Kraushofer (die Schönheit links) am Schluß mit der Ballade "Ohne Dich". Andere werden angesichts von soviel einfallslosem Herzschmerz und Schmalz die CD in eine Ecke pfeffern und sie dort (ganz Gruftie-like) verrotten lassen. Denn eine LAI-Klientel wird nämlich nicht auf ihre Kosten kommen: die Anhänger von intelligent gemachten und berührenden Balladen. Thomas Rainer scheint verlernt zu haben, wie man solche Stücke schreibt. Wer die hören will, muß eben zu den ersten Platten greifen, denn da hieß es schon einmal, in weiser Voraussicht "Life Will Never Be the Same Again".

Alles in allem bieten L´âme Immortelle mit "Gezeiten" ein sehr durchwachsenes Album. Glaubte man schon früher, ihr internationales Format wäre top, wird man von ihnen stets aufs Neue eines Besseren belehrt. Und das schönste: Wäre hier nicht so oft auf ihre Herkunft hingewiesen worden - vom Hören der Platte allein hätte sie niemand bemerkt!

Ätsch - du ignorante Heimat!

Milan Knezevic

L´âme Immortelle - Gezeiten

ØØØ 1/2


Gun/BMG

(Ö/20. 9. 2004)

 

Links:

L´âme Immortelle - Lieder die wie Wunden bluten

ØØØØ


MOS/SPV

(Ö/14. 11. 1997)

 

Das Debütalbum des Wiener Trios L´âme Immortelle mit dem unerreichten "Figure in the Mirror" oder der Ballade "Life Will Never Be the Same Again", das mittlerweile nicht mehr aus dem Repertoire renommierter Gothic-DJs aus allen verrauchten Clubs der Welt wegzudenken ist. Harte Industrial-Sounds treffen auf verträumte Melodien und zeigen, daß man mit Rainer Thomas, Hannes Medwenitsch und der damals neu dazugestoßenen Sonja Kraushofer rechnen mußte.

 

Links:

L´âme Immortelle - In einer Zukunft aus Tränen und Stahl

ØØØ


MOS/SPV

(Ö/16. 10. 1998)

 

Nicht einmal ein Jahr nach dem Debüt melden sich LAI mit "In einer Zukunft aus Tränen und Stahl" wieder. Die Platte schwelgt zwar sehr in dunklen Klischees und ist um einiges härter ausgefallen als der Vorgänger, doch der darauf enthaltene Song "Bitterkeit" wird die neue Hymne der deutschen Gothic-Szene und beschert den Österreichern ihre erste Chart-Plazierung in den deutschen Alternative-Charts.

 

Links:

L´âme Immortelle - Wenn der letzte Schatten fällt

ØØØØ


Trinity/EFA

(Ö/22. 10. 1999)

 

Zum ersten Mal wagt es Thomas Rainer, ohne seinen geliebten Verzerrer zu singen - und höre da, seine Stimme klingt, als wäre er ein Synthie-Pop-Sänger aus den 80ern! Überhaupt ist das Album das eingängigste LAI-Werk mit Highlights wie "Gefallen, "Changes" oder dem "Keiner versteht mich"-Lied für kleine pummelige Gruftie-Mädels, "Stern". Es kam sogar soweit, daß die "Bild-Zeitung" die Österreichischer als "in" bezeichnete!

 

Links:

L´âme Immortelle - Dann habe ich umsonst gelebt

ØØ 1/2


Trisol/EFA

(Ö/29. 1. 2001)

 

Auf ihrem vierten Album läßt die Wiener Industrial-Gothic-Band die melancholischen Elektroklänge ruhiger ausfallen. Der melodisch-treibende Elektro-Pop inklusive dem bezaubernden Gesang von Sonja Kraushofer kann sich aber nicht mit dem Vorgängeralbum messen. Der beste Song ist das Remake des Club-Hits "Life Will Never Be the Same Again" mit Sean Brennan von der Kultband London After Midnight.

 

Links:

L´âme Immortelle - Zwielicht

ØØØ


Trisol/EFA

(Ö/8. 2. 2002)

 

Eine Doppel-CD wie ein Geschenk für Fans: Electroacts wie Sonar oder In Strict Confidence bis hin zu Janus und Faith And The Muse remixen LAI-Tracks. Optisch veredelt wird das Digipack mit silberner Schrift und Hochglanz-Bildcollagen.

Die zweite CD enthält Mitschnitte der "Embraced In Twilight"-Tour.

 

Links:

L´âme Immortelle - Als die Liebe starb

ØØØ


Trisol/Sony

(Ö/3. 2. 2003)

 

Außergewöhnlich ist das aufwendige CD-Digipack, weniger außergewöhnlich die Songs der Wiener. Thomas Rainer verarbeitet seine gescheiterte Beziehung. Und wenn es konkret um ein bestimmtes Thema geht, wird man zu plakativ. Immerhin: Der Wechselgesang in der Single-Auskopplung "Tiefster Winter" sowie die Streicher machen den Song zu einem Highlight, Dance-kompatible Nummern fehlen ebensowenig wie verträumte Balladen der Marke "Letting Go". Gothic, Rock, Dark Wave - L´âme Immortelle beeindrucken, genauso die Arbeit des ehemaligen Dead-Can-Dance-Produzenten John A. Rivers.

 

Links:

L´âme Immortelle - Seelensturm

Ø 1/2


Trisol/Sony

(Ö/27. 10. 2003)

 

Eigentlich nichts Neues: Wie üblich ansprechend verpackt sind hier Buch und CD. Zu lesen gibt es Gedichte und Texte von Thomas Rainer, die er von 1996 bis 2002 geschrieben hat.

Die CD "Seelensturm" bietet rare Elektro-Stücke aus den Anfangstagen der Band, bei denen nur Die-Hard-Fans auf ihren Geschmack kommen werden, sowie Remixe, damit nicht alle Leute vergrault und auch die sanften Gemüter befriedigt werden.

 

Links:

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