Platten_PopRockRotation/Vol. 1

Wege aus der Schwermut

A.C. Newman, Juliana Hatfield, The Golden Virgins, Eskobar oder Piebald - wer ertrinkt nicht in eigener Melancholie, ist trotzdem fröhlich und hat den besseren Indie-Ohrwurm?    17.07.2004

 

Milan Knezevic

A.C. Newman - The Slow Wonder

ØØØ 1/2


Matador/Beggars/edel

(Kanada/7. 6.2004)

 

Mit zwei veröffentlichten Alben der Band Zumpano blieb Carl Newman ein Insider-Tip. Erst als Diktator der New Pornographers kam der kommerzielle Erfolg. Nun hungert es ihn nach mehr, und so veröffentlicht er unter dem Namen A.C. Newman im Alleingang "The Slow Wonder".

Auch wenn es ein Soloalbum ist, beschleicht einen immer wieder das Gefühl, man höre da Lennon/McCartney die Ohrwürmer singen. Von flotten Nummern wie dem Opener "Miracle Drug" bis hin zur nachdenklichen Ballade à la "Cloud Prayer" schafft Newman einen (etwas zu süß geratenen) Spagat zwischen Indie-Rock, Retro-Pop und Folk. Indie-Pop kann also auch dann funktionieren, wenn sich über weite Strecken keine Traurigkeit breitmacht.

 

Links:

Juliana Hatfield - In Exile Deo

ØØØØ


Zoe/In-Akustik/Ixthuluh

(GB/25. 6.2004)

 

Mit den Lemonheads teilte sich Juliana Hatfield, damals noch bei den Blake Babies, den Erfolg des Albums "It´s A Shame About Ray". Eine Affäre mit Zitronen-Frontman Evan Dando war danach unausweichlich - ebenso ihr Absturz in ein Kreativloch, aus dem Juliana nun mit "In Exile Deo" herauskommt: nicht kriechend, sondern stolz erhobenen Hauptes. Und im Gepäck hat sie 13 leise instrumentierte Tracks mit wunderschönen und einschmeichelnden Melodien.

Hatfield spielt mit dem Pop und beherrscht von der Ballade bis hin zum Power-Rock alle Macharten. Nur die Texte hätte sie sich besser von jemand anderem schreiben lassen sollen. Aber auch so: eine schöne Platte, zum Hin- und Nebenbeihören!

 

Links:

The Golden Virgins - Songs of Praise

ØØ 1/2


XL/Beggars/Indigo/edel

(GB/21. 6. 2004)

 

Das Thema des Albums der Golden Virgins ist nicht neu - es geht um die Liebe. Wenn sie einem das Herz bricht, bleibt als berauschende Arznei der Alkohol. Klingt zynisch? Ist aber so! Und genau darüber singt Lucas Renney.

The Golden Virgins überzeugen ganz und gar mit ihren Lyrics voll schnapsdurchtränktem Zynismus; nur musikalisch tun sie Abgründe auf, die sie nicht immer überspringen können. Zu abwechslungsreich präsentieren sie ihre "Songs of Praise", die zunächst ein düster-trauriges Album bilden möchten. Aufgestaute Energie lassen sie in "I Am A Camera" frei und werden bei "Renaissance Kid" sogar fröhlich. Und immer wieder folgt der Sturz zurück in die Traurigkeit. Dann klingen The Golden Virgins am besten, wenn es auch manchmal zuviel des Pathos ist.

Bei den "Songs of Praise" hätte ein passender Produzent einiges gutmachen können, was die Jungfrauen falsch gemacht haben.

 

Links:

Eskobar - A Thousand Last Chances

ØØØ


V2/Rough Trade/edel

(Schweden/1. 6. 2004)

 

Aller guten Dinge sind drei, auch bei den schwedischen Eskobar und ihren Platten. Weil man die Band kennt, weiß man auch, daß hinter dem Albumtitel "A Thousand Last Chances" wieder Melancholie mit schönen Melodien steckt.

Betont depressiv seufzt sich Sänger Daniel Bellqvist durch den epischen Pop und haucht den wie immer meist gelungenen Texten Leben ein. Dazu verstärken gezupfte Gitarren die Traurigkeit, die sich allerdings in Songs manifestiert, die in besserer Form schon auf dem Vorgänger "Til We´re Dead" existieren. Ein sehnsüchtiges Sehnen in der Brust erweckt der neue Longplayer jedenfalls nicht mehr.

 

Links:

Piebald - All Ears, All Eyes, All the Time

ØØØ 1/2


Side One Dummy

(USA/24. 5. 2004)

 

Piebald standen stets für Innovation. Immerhin erfand sich die Band immer wieder neu und transformierte ihren Sound vom Hardcore früherer Tage zu Emo-Pop-Punk. Nach all den Neuerungen mußte nun ein Quasi-Stillstand kommen, von dem sich immerhin die Tracks "All Senses Lost" oder "The Benefits of Ice Cream" angenehm lösen. Andere Tracks sind typisch für die Jungs aus Massachusetts, was leider gegen das "All Ears, All Eyes, All the Time"-Album spricht. Wenn eine Band wie Piebald fast schon Synonym für Innovation ist, kann Stillstand tödlich sein.

Andererseits ist es ihre erste Platte auf Side One Dummy - und da wollte man wohl den Einstand mit dem bekannten Sound als Start nehmen. Dieses eine Mal sei Piebald also verziehen; schließlich haben sie ihren Humor nicht verloren, bringen uns mit ihren Lyrics auch noch zum Lachen und lassen so alle Kritik vergessen.

 

Links:

Kommentare_

Platten
Such A Surge - Alpha

Im Trend gelegen

Die einstigen Crossover-Helden aus Braunschweig zeigen, daß sie auch musikalisch noch am Leben sind und retten sich damit vor der Bedeutungslosigkeit.  

Platten
Schneiderberg - Amok-Yo

Kreuzüber in den Sozialismus

Im Jahr 2000 wurden sie gefeiert. Dann lösten sie sich einfach auf. Oder machten eine Zwangspause. Und jetzt sind sie wieder da.  

Platten
Freedom Call - A Circle Of Life

Aufs Korn genommen

Powermetal mit Humor gibt es nicht? Dann sollten Sie in die vorliegende Platte reinhören. Die kann es noch dazu mit fast jedem Klassiker des Genres aufnehmen.  

Platten
Ektomorf - Instinct

Metal Gulasch

Der Mensch wird zum Tier. Denn Urgewalten rasen aus den Lautsprechern, wenn im Laufwerk die neueste Scheibe der Ungarn rotiert.  

Platten
Fettes Brot - Am Wasser gebaut

Geh bitte!

Kann das denn sein, find ich den Reim nicht? Was ist bloß los, ich bin doch famos, nicht? Denn ich mach HipHop und bin immer top. Oder?  

Platten
Stereophonics - Language, Sex, Violence, Other?

Brit-Pop versus Brit-Rock

Viele Bands erleben mit neuen Musikern ihren zweiten Frühling. Leider scheint in Wales immer noch tiefster Winter zu herrschen.