Platten_Venus In Flames - Notes of Tenderness

Belgische Waffel

Vielleicht bräuchte jedes Land einen bürokratischen Moloch, wie ihn die Belgier mit der EU-Zentrale haben ... falls das der Grund ist, daß dort so gute Musik gedeiht.    24.08.2004

Belgien ist nicht nur für seine Pralinen und Pommes bekannt. Im vorliegenden Fall wollen wir den belgischen Musikeintopf Venus In Flames behandeln. Der ist - mit den richtigen Zutaten - leicht gekocht: Man nehme eine gute schreibende und singende Basis (Jan De Campenaere), mische die weibliche Komponente von K´s Choice dazu (Sarah Bettens), weiters die Intellektualität von dEUS (Bart Maris) und die Verspieltheit von Das Pop (Tom Kestens), dazu eine Handvoll weiterer Musiker (sodaß alle zusammen schon ein kleines Orchester mit Klavier, Trompete, Violinen und Violas, Cellos und Keyboards bilden könnten) und lasse dies auf der produzierenden Flamme von Gert Bettens (wieder K´s Choice) köcheln. Das Ergebnis ist "Notes of Tenderness", bei dem man, ehrlich gesagt, kaum etwas von dem aufgelisteten Who´s who der belgischen Musikszene hört. Dafür ist es ein gutes Singer/Songwriter-Pop-Album mit großen und kleinen Momenten geworden.

In der Ruhe liegt Jan De Campenaeres Kraft. Sie duftet nach zarter Melancholie, wobei olfaktorische Tendenzen zu Travis, Richard Ashcroft oder den späten The Verve nicht aus der Nase zu bekommen sind. Der 28jährige spielt mit pop-rockigen Elementen, vergnügt sich wie bei "Laughing Disease" mit Folk und wird leider zu oft zu ruhig. Daß ihm dabei trotzdem Highlights gelingen, ist schön - auch wenn es manchmal ein wenig verstört, daß immer wieder Parallelen zu anderen Songs auftauchen. Vor allem Echo & The Bunnymen zur Zeit des "What Are You Going to Do With Our Life?"-Albums scheinen es Jan De Campenaeres angetan zu haben. "Whole New Me" klingt leicht nach "History Chimes", bei dem nicht so sehr das Klavier an die großartige New-Wave-Band erinnert, sondern Jan stimmlich mit dem grandiosen Ian McCulloch verwandt sein könnte. Und auch das erwähnte "Laughing Disease" könnte von dem Bunnymen-Album stammen.

Aber legen wir die Latte tiefer und vergleichen dem Jüngling nicht mit alten Hasen. Daß der Belgier Talent hat und trotzdem im enggesteckten Terrain des Songwriter-Pop Eigenständigkeit zeigt, liegt klar auf dem Musiktisch. Und wenn er sich in der Ruhe zu verirren droht, schafft er es wie in "Cynthia´s Gone" oder "Silent Treatment" mit einer stärker geschlagenen Akustikgitarre plötzlich doch noch, Aufbruchsstimmung zu erzeugen, und bricht so aus dem Labyrinth aus.

Milan Knezevic

Venus In Flames - Notes of Tenderness

ØØ 1/2


Lipstick/PIAS

(Belgien/23. 8. 2004)

 

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