Platten_William Shatner - Has Been

Sol 6, Captain!

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2004. Ein Schaupieler vom Planeten Erde nimmt eine Musik-CD auf, obwohl er kein einziges Mal singt. Science Fiction?    10.10.2004

Ein draufgängerischer Kapitän gibt fiesen, tentakelbearmten Aliens die Gurke, rettet galaktische Prinzessinnen, zieht Vulkaniern die Ohren lang und schafft es, den Fernsehzuschauern Plastikfelsen einer Studiodeko als fremde Welten zu verkaufen. Kein Wunder und alles andere als SF also, daß ein solcher Captain auch in der Popwelt mitmischt, ohne auch nur einen einzigen Ton zu singen.

Natürlich sorgte William Shatner 1968 für Hohn und Bewunderung gleichermaßen, als er das "Spoken Word"-Album "The Transformed Man" aufnahm und etwa "Lucy in the Sky With Diamonds" einer ganz eigenwilligen Interpretation unterzog. Heute übrigens ist das, ja, nennen wir es einmal so: Kult. Und ganz sicher ist, daß die erste Nummer seines neuen Ausflugs in die endlosen Weiten des Pop-Universums ebenso Kult sein wird.

Wie Shatner an Pulps "Common People" herangeht, das ist mutig und witzig zugleich. Am wichtigsten aber ist, daß die Neuinterpretation gelungen ist. Das liegt nicht zuletzt an diesem grünschnäbligen Weltraumkadetten Ben Folds, der zumindest mehr drauf hat als der 73jährige Captain, wenn es um die Musik geht.

 

Damit die beiden keinen Schiffbruch erleiden, haben sie eine schlagkräftige Crew engagiert. So ist es Joe Jackson, der mit seiner Stimme "Common People" zu einem Song macht. Der Literat Nick Hornsby wiederum schrieb erstmals keine Prosa, sondern den Songtext zu "That´s Me Trying", den William Shatner mit Unterstützung von Aimee Mann und Ben Folds performt. Für den Titeltrack "Has Been" scheint sich ein Seemanns-Chor auf der Brücke eingefunden zu haben. Daß Shatner nicht nur den armen Mr. Sulu anschreien kann, zeigt er in der Brüllorgie "I Can´t Get Behind That" - da ist ausgerechnet Henry Rollins sein Opfer. Und umgekehrt. Im Duett mit Country-Star Brad Paisly läßt der Kapitän seinen Longplayer mit dem folkpoppigen "Real" enden.

Wenn alles vorbei ist, werden wir bestimmt noch einmal die Play-Taste des Tricorders drücken. Der kleine Vulkanier in unserem Ohr hat uns nämlich geflüstert, daß William Shatner kein einziges Mal gesungen hat. Und wir haben´s nicht gemerkt. Ja, es ist eben eine verrückte, aber schöne CD.

Milan Knezevic

William Shatner - Has Been

ØØØ 1/2


Shout! Factory/Epic/Sony

(USA/4. 10. 2004)

 

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