Games_Final Fantasy XII

Der "Wau!"-Effekt

Mit der aktuellen Episode des japanischen Rollenspiel-Klassenbesten krönt Square Enix den Abschluß der PS2-Ära - und sorgt dafür, daß treue und neue Spieler viel zu staunen haben.    19.03.2007

Wenn zwei sich streiten, dann leidet der Dritte. So könnte man den Plot des neuen "Final Fantasy"-Teils zusammenfassen. Konkret geht es in dem traditionsreichen Game darum, daß sich die beiden großen Königreiche Archadia und Rozarra schon seit Jahren bekriegen, ohne daß sich eine der Parteien richtig durchsetzen kann. Grund dafür ist das kleine Dalmasca, das sich genau zwischen den beiden Streithähnen befindet und auf seiner Neutralität beharrt, bis es dem Imperium von Archadia zu bunt wird und es das Land kurzerhand einnimmt. Die Ereignisse, die zur Übernahme und dem damit verbundenen hinterhältigen Mord am Herrscher Dalmascas führen, bilden den Einstieg für den Spieler. Eine halbe Stunde lang sieht man die ersten Stunden der Invasion durch die Augen des Soldaten Reks. Ganz nebenbei fungiert diese Einführung in die Story von "Final Fantasy XII" auch noch als Tutorial, das - vor allem für treue Fans der ältesten Rollenspielserie der Konsolengeschichte - auch bitter nötig ist. In FF ist nämlich nichts mehr so, wie es einmal war ...

 

Square Enix hat ordentlich ausgemistet und keinen Stein auf dem anderen gelassen. Die erste Änderung betrifft sowohl die Story als auch die darin vorkommenden Charaktere. Der Geschichte mangelt es am schon gewohnten Pathos, und sie ist auch alles andere als episch. Es fehlen etwa (Gott sei Dank!) die schon fast obligatorische Liebeshandlung und der damit verbundene Zusammenbruch des Hauptcharakters (man erinnere sich nur an die nervigen Selbstzweifel von Cloud in "Final Fantasy VII"). Der Spieler wird auch vergeblich auf den bevorstehenden Weltuntergang warten. Nein, die Story ist schlicht, ohne große Wendungen und Überraschungen - doch gerade diese Schlichtheit ist es, die den Charakteren, allen voran dem Hauptdarsteller Vaan, ihren Glanz raubt. Es fällt schwer, sich mit irgendeinem der insgesamt sechs Helden zu identifizieren. Das schmälert den Spielspaß dann doch ein wenig, da ein Mitfühlen einfach unmöglich wird.

Die zweite große Änderung betrifft das komplett überarbeitete Kampfsystem. Es gibt keine rundenbasierenden Zufallskämpfe mehr. Alles findet in Echtzeit statt und kann - wenn man das integrierte Gambit-System nicht beherrscht - zu einer wahren Klickorgie ausarten, die weit nerviger ist als die früheren Ladebildschirme vor einem Kampf. Der große Vorteil ist jedoch, daß der Spieler die Feinde endlich vor dem eigentlichen Kampf auf dem Bildschirm sehen kann und die Entscheidung, ob er sich auf den Konflikt einläßt, gänzlich ihm überlassen bleibt. Um die zuvor erwähnte Klickorgie zu vermeiden, kann jedem Charakter mit insgesamt zwölf Befehlen (sogenannten Gambit-Zeilen) eine bestimmte Verhaltensweise zugeordnet werden, die dann im Ernstfall, je nach Prioritätenverteilung, vorbildlich exekutiert wird.

So kann man der begnadeten Magierin und äußerst scharf aussehenden Luftpiratin Fran beispielsweise auftragen, im Bedarfsfall zuerst alle Mitstreiter zu heilen, die mehr als 50 Prozent ihrer Trefferpunkte verloren haben, bevor sie den Gegner mit Magieattacken bombardiert. Für den Fall, daß ihr der Manavorrat ausgeht, soll sie einen Äther zu sich nehmen - und erst, wenn all dies nicht mehr möglich ist (zu wenig Mana, kein Äther), zur Waffe greifen. Damit liefert Square Enix sozusagen eine hausgemachte KI, die auch noch problemlos funktioniert. So kann sich der Spieler, eine clevere Befehlsausgabe vorausgesetzt, bei 08/15-Kämpfen einfach zurücklehnen und der Prügelei gelassen zusehen. Bei Boßkämpfen jedoch sollte man immer Habtacht stehen, um eventuelle Fehleinstellungen jederzeit manuell korrigieren zu können. Obwohl dies ein für "Final Fantasy"-Verhältnisse völlig ungewohntes Kampfsystem ist, bringt es dennoch nichts gänzlich Neues, da es doch stark an Biowares "Knights of the Old Republic" erinnert - und das ist nicht etwa als Rüge, sondern als Kompliment zu verstehen.

 

Sogar die Graphik wurde vollkommen überarbeitet und erstrahlt in einem Glanz, der nur durch die Frage "Warum erst jetzt?" getrübt wird: detaillierte Gesichter, herausragendes Leveldesign (obwohl die Umgebungen da und dort etwas öde wirken, aber das ist wohl so in der Wüste), flüssige Bewegungen und vor allem eine Weitsicht, die man sonst nur auf einer Next-Gen-Konsole erleben darf. Die Entwickler haben wahrlich das Letzte aus der mittlerweile betagten PS2 rausgeholt. Ebenfalls vom Feinsten ist die komplett in Englisch mit deutschen Untertiteln gehaltene Sprachausgabe. Anscheinend hat man weder Kosten noch Mühen gescheut, um die perfekte Besetzung zu finden. Überhaupt ist die Präsentation des Spieles einfach grandios, wobei einen schon das musikalische Eröffnungsthema in seinen Bann zieht, und das ganz ohne die Unterstützung der wunderschönen Render-Sequenz.

"Final Fantasy XII" kommt als hervorragendes Amalgam bekannter Spiele und Filme daher, ohne jemals peinlich zu sein - wie das bei weniger guten Produktionen ja oft der Fall ist. Schon das Intro weckt Déjà-vu-Erinnerungen an "Star Wars" und "Der Herr der Ringe". Und dank der vielen Neuerungen zählt "FF XII" zu den Spielen, die man auf jeden Fall im Regal stehen haben sollte - und sei es nur, weil es den glänzenden Endpunkt der glorreichen PS2-Ära darstellt.

Dragan Andjelkovic

Final Fantasy XII

ØØØØØ


(Square Enix/Koch Media)

erhältlich für: PS2

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