Games_Venetica

Aller Anfang ist schwerfällig

Deck 13, Entwickler von Spielen wie "Ankh" und "Jack Keane", hat sich vor allem im Bereich der Point & Click-Adventures einen Namen gemacht. Mit ihrem neuen Spiel will die deutsche Firma nun auch im Rollenspiel-Genre Fuß fassen. Ein bißchen mehr Qualitätskontrolle hätte der Tochter des Todes allerdings gutgetan.    16.11.2009

Eigentlich hätte es ein wunderschöner Tag für Scarlett werden können. Für die Dorfschönheit fängt alles mit einem Flirt mit ihrem Herzbuben und wahrscheinlich zukünftigen Ehemann Benedict an. Doch just in dem Moment, in dem ihr der seine Liebe gestehen will, wird das Dorf von gedungenen Meuchelmördern angegriffen, und der Geliebte fällt im Kampf. Angetrieben von Rache und Kummer, greift die resolute junge Dame zu einer provisorischen Waffe und erledigt so lange Assassinen, bis sie vor Erschöpfung zusammenbricht.

In ihrer Bewußtlosigkeit bekommt sie dann auch noch Besuch vom Tod persönlich, der ihr in einem kleinen Tête-à-tête eröffnet, daß sie seine Tochter sei. Im gleichen Atemzug trägt er der so zweifelhaft "Geadelten" auf, den untoten Fürsten von Venedig zur Strecke zu bringen. Um ihr bei diesem Unterfangen unter die Arme zu greifen, verleiht Gevatter Tod seinem Nachwuchs gleich einmal die Fähigkeit, zwischen den Welten zu wandeln und - natürlich - auch von den Toten aufzuerstehen.

All das passiert in den ersten zehn Minuten des Spiels. Nach der furiosen Eröffnung beruhigt sich die Lage aber erst einmal, und der erste Kartenabschnitt wird von den Entwicklern dazu verwendet, den Spieler mit den Feinheiten der Steuerung und den Fähigkeiten von Scarlett vertraut zu machen. Nach ungefähr zwei Stunden erreicht man dann endlich Venedig, wo das Spiel erst wirklich anfängt, da es in der heruntergekommenen und schwer geprüften Stadt Quests an jeder Straßenecke zu lösen gibt.

Dem Spieler wird von den obligatorischen Hol-und-Bring-Aufträgen über phantasievoll designte Quests - wie etwa die  Aufgabe, Fahndungsplakate eines gesuchten Verbrechers auszutauschen - bis hin zu beinharten Bossfights in der Stadt der Gondeln viel Abwechslung geboten. Ähnlich wie in den "Gothic"-Games kann man sich auch hier einer von drei Fraktionen anschließen, die eine genretypische Spezialisierung des eigenen Charakters erlauben: Fighter, Magier und Dieb. Sogar das Einsammeln von Pflanzen und das anschließende Brauen von Tränken ist möglich. Positiv dabei fällt auf, daß der Spieler nie von einer Unzahl an Möglichkeiten erschlagen wird, sondern alles vielmehr in einem überschaubaren Rahmen bleibt, was auch Gelegenheitsspielern die Möglichkeit gibt, (bedingten) Spaß mit dem Titel zu haben.

 

Mit "Venetica" stellen die Entwickler von Deck 13 einmal mehr unter Beweis, daß sie interessante Geschichten erzählen können und auch das Schreibhandwerk beherrschen. Das Rollenspiel glänzt mit wirklich guten Dialogen, die das belanglose Geschwafel anderer Titel vermeiden und zudem exzellent vertont sind. In diesem Bereich kann die Software-Firma locker mit den "Großen" der Branche wie Bethesda oder Bioware mithalten und sie sogar zeitweise überflügeln. Doch leider lebt ein PC-Spiel nicht nur von Dialogen und guter Geschichte alleine, sondern auch von Performance, Graphik und Spielsteuerung. Genau das sind aber die Punkte, bei denen sich die Schattenseiten von "Venetica" offenbaren und die auch die erwähnten Vorbehalte in Sachen Spielspaß bedingen.

"Venetica" entwickelt einen gigantischen Hardware-Hunger, der leider in keinerlei Maßstab zur gezeigten Graphikqualität steht. Damit das Spiel ruckel- und vor allem fehlerfrei läuft, benötigt man fast schon einen High-End Rechner - selbst wenn man die empfohlenen Systemvoraussetzungen erfüllt, ist es keineswegs gewährleistet, daß das Spiel fehlerfrei funktioniert.

Negative Berühmheit im Web hat mittlerweile der sogenannte Leiter-Bug erlangt. In "Venetica" kommt es öfters vor, daß die junge Heldin mitten in einer Leiter steckenbleibt und das Spiel faktisch abstürzt, weil danach gar nichts mehr geht: Scarlett nimmt keine Befehle mehr entgegen, und man kann ihr lediglich dabei zusehen, wie sie zwischen Leiter und der dahinterliegenden Wand herumzappelt. In solchen Fällen hilft nur das Laden eines alten Spielstands, doch selbst das ist nicht immer von Erfolg gekrönt. Offensichtlich schafft es der Bug, die Graphik-Engine derart zu korrumpieren, daß die Heldin am Versuch, eine Leiter zu erklimmen, immer wieder kläglich scheitert. Da kann man dann nur noch Abhilfe schaffen, wenn man im Optionenmenü die Graphikeinstellungen herunterschraubt, was wiederum einen mehr als nervenden Neustart des Spieles nötig macht. Dieser Bug wäre ja dann verständlich, wenn der Rechner nicht die empfohlenen Voraussetzungen erfüllte - was bei unserem Testgerät allerdings nicht der Fall ist. Offenbar hat die Qualitätssicherung von Deck 13 da ziemlich versagt, und das wiederum läßt auf die Xbox-360-Version hoffen, da Microsoft bei diesen Dingen keinen Spaß versteht und schon Titel wie "The Witcher" einfach abblitzen ließ.

 

Doch selbst wenn man auf Graphikorgien verzichtet, bleibt noch immer die unglückliche Kampfsteuerung auf dem PC, die - gepaart mit einer suboptimalen Kameraführung - mehr als einmal zu Frustmomenten führt. In den prinzipiell spannend gestalteten Echtzeitkämpfen ist es lebenswichtig, Ausweichbewegungen auszuführen, da man manche Gegner erst verletzen kann, wenn man einen Konter ausführt. Viele der von Scarlett erlernbaren Fähigkeiten werden mittels gelungener fixer Animationen dargestellt. Obwohl die schön anzusehen sind, haben sie einen nicht zu unterschätzenden Nachteil: Solange eine Animation vom Spiel nicht zu Ende geführt wird, kann man nicht ausweichen, was in drei von fünf Fällen schnell zum Tod des eigenen Charakters führt. Das passiert vor allem dann, wenn sich das Spektakel in engen Räumen abspielt und man auf Grund der etwas trägen Kamera plötzlich nur noch eine Wand vor sich hat und die Gegner völlig aus den Augen verliert. Die schlecht arbeitende "Lock-on"-Funktion läßt die Lust am Kämpfen noch weiter abflauen.

Derartige Fehler sind bei einem "Erstlingswerk" durchaus verständlich - vor allem, wenn sie einer Entwicklerfirma passieren, die noch keine Erfahrung mit "schnellen" Spielen hat. Es stellt sich allerdings die Frage, ob hier die Betatester geschlafen haben - oder ob es überhaupt welche gegeben hat. Man wird das Gefühl nicht los, daß es sich bei der Verkaufs- um eine nur teilweise getestete Betaversion handelt. Dieser Eindruck wird vor allem durch den Umstand verstärkt, daß schon am Release-Tag ein erster Patch zum Download zur Verfügung stand.

Trotz all dieser Nachteile ist "Venetica" aber kein schlechtes Rollenspiel. Freunde des Genres, die über diese und andere Fehler hinwegsehen können und wollen, werden mit einem Game belohnt, das mit einer guten und spannenden Story glänzt und über interessante Dialoge sowie hervorragende Sprecher verfügt. Leider kann die technische Umsetzung nicht mit den Tugenden von "Venetica" mithalten, was den Gesamteindruck und natürlich auch die Wertung drückt. Der erste Versuch von Deck 13, sich im RPG-Genre einen Namen zu machen, wartet zwar mit einigen Schwächen auf - doch daraus könnten die Entwickler ja auch lernen und es beim (hoffentlich) nächsten Mal besser machen. Geschichten erzählen können sie nämlich richtig gut.

Dragan Andjelkovic

Venetica

ØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

(Deck 13/dtp)

 

erhältlich für: PC

Links:

Kommentare_

Saskia - 18.11.2009 : 15.58
Klingt ja wirklich cool und interessant! Würde das Spiel gerne probieren!

Games
Street Fighter x Tekken

Eins aufs Happel!

Das Sprichwort "Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte" ist stets aktuell - wie auch das neue Prügelspiel "Street Fighter x Tekken" trefflich demonstriert. Die Straßenkämpfer halten ihre Kung-fu-Methoden denen der Tekken-Techniker für überlegen; Tekken-Fans sehen das ganz anders. Und Game-Hersteller Capcom freut sich über ein erfolgreiches Geschäftsjahr.  

Games
F.E.A.R. 3

Tote Seelen

Es war einmal ein kleines, schwarzhaariges Mädchen namens Alma, das uns das Fürchten lehrte. Das war vor sechs Jahren. Seit kurzem treibt Alma nun zum dritten Mal ihr Unwesen und versucht, den Spieler erneut in eine höllische Welt zu locken – dieses Mal aber ohne viel Erfolg.  

Games
Infamous 2

Lightning never strikes twice?

Cole ist wieder da - der Mann mit den elektrisch-blauen Händen und der Fähigkeit, auf Stromleitungen zu surfen. Ob der Blitz des Erfolges erneut an der gleichen Stelle einschlägt, wird man sehen.  

Games
F.E.A.R. 3

Bad Girls

Da ist dieses kleine Mädchen. Es sollte herzig sein, wie Kinder eben sind. Aber dieses hier ist anders. Die strähnigen Haare hängen ins Gesicht. Die seltsam abgehackten Bewegungen und die böse funkelnden Augen - nein, das hier ist ganz und gar nicht normal ...  

Games
The Witcher 2: Assassins of Kings

Gegen Tod und Teufel

Erwachsen, nichtlinear und episch - so zumindest haben CD Projekt ihr jüngstes Werk angekündigt. Im Test zeigt sich, daß hier ausnahmsweise einmal nicht zuviel versprochen wurde.  

Games
Trinity: Souls of Zill O’ll

Klassische Vorbilder

In Japan ist die "Zill O’ll"-Serie seit vielen Jahren bekannt. Mit dem vorliegenden Titel versuchen Entwickler Omega Force und Publisher Tecmo Koei nun auch im europäischen Raum Fuß zu fassen. Der Erfolg dürfte eher ungewiß sein.