Akzente_Fishbone live in der Arena

High Speed

Die beste Band, die es nie "geschafft" hat, zog dem Wiener Publikum einen Scheitel. An die Wand und darüber hinaus gefegt wurde Stephan Skrobar.    27.06.2006

Gorbach, geh dich brausen. Mit deinen 160 in Kärnten kannst du wirklich niemanden mehr beeindrucken. Wenn sich die Mazda-6- und VW-Passat-Fahrer dort auf der Autobahn beeilen und austesten, wer der Schnellere ist, kann es nämlich passieren, daß sie plötzlich alle miteinander überholt werden - und zwar rechts, auf dem Pannenstreifen, von Fishbone - die auf Gitarren, Baß, Trommel und (wichtig!) einem ganzen Haufen Blasinstrumenten vorbeireiten. Und das mit einem diabolischen Grinsen im Gesicht und einem pfiffigen Reim auf den Lippen.

 

Und weil wir gerade beim Teufel sind: Der muß bei den Fishbone-Granden einfach seine Hände im Spiel gehabt haben, denn mit rechten Dingen kann so ein Konzert einfach nicht zugegangen sein. Anläßlich der Bush-Visite (kontra, nicht pro) waren Fishbone in ihrer langen Karriere erst das zweite Mal in Wien und rearrangierten in der kleine Arenahalle Publikum und Inventar mit einem der treibendsten Auftritte seit überhaupt.

Fishbone sollte man kennen, muß man aber auf jeden Fall irgendwann einmal live gesehen haben. Der Autor dieser Zeilen hatte das lebensverändernde Vergnügen schon vor zehn Jahren in Kanada, und auch der diesmalige Auftritt - nein, die Show - war sinneserweiternd.

Fishbone gibt es seit 1979, rund um Sänger/Sax-/ Theremin(!)spieler Angelo Moore und Bassisten Norwood Fisher, und sie entspringen der Szene in Los Angeles, die die Chili Peppers oder Jane´s Addiction groß gemacht haben. Fishbone gelten, und das völlig zu Recht, als die am meisten unterschätzte Band der "alternativen" Musikszene. Ihr Musikstil wurzelt im Ska und im Funk. Weitläufige Ausflüge werden gern und oft unternommen - zum Punk, zum Reggae, zum Rhythmus und zum Blues, auch beim Schwermetall hat man schon vorbeigeschaut. Aber: Egal was, das Ding treibt immer wie ein transamerikanischer Frachtzug. Stehenbleiben gibt´s nicht, und wenn, dann erst viel später. Fishbone haben viele bekanntere Bands beeinflußt, das sagen Beeinflußte wie Beeinflusser; eben die Red Hot Chili Peppers, No Doubt, Living Color, Sublime und so weiter und so fort.

 

Achtung, vollmundige Behauptung: Es gibt keine bessere Live-Band als Fishbone. Auf der ganzen Welt nicht. Jedes einzelne der sieben Bandmitglieder hat alleine mehr Charisma als alles, was zusammengenommen zwischen 1996 und 2003 auf MTV herumgekrochen ist. Fisher hat Gerichtserfahrung, weil er seinen Jugendfreund und ehemaligen Bandkollegen Kendall vor dem Wahnsinn retten wollte - mit Duct-Tape und Betäubungspistole. Drummer John Steward trägt außer seinen Drumsticks nichts am Körper. Gar nichts. Und schlurft dabei über die Bühne, als wäre er auf dem Weg vom Schlafzimmer zum Häusl. Von Angelo Moore, der auch als Dr. Madd Vibe wütende SexDrugsandRocknRoll-Poesie (und selbstverständlich auch Politik) vorträgt, muß man annehmen, daß er definitiv auf der Bühne lichterloh brennen würde, käme er mit einem Tropfen Weihwasser in Berührung.

Wenn also sieben solche Derwische auf der Bühne eindrucksvoll demonstrieren, daß Drogenkonsum und Musikschaffen zusammengehören wie der Seniorenklub und Eierlikör und also daraus auch sehr Gutes entstehen kann, dann glüht die Hütte so, wie es die kleine Halle in der Arena getan hat. Was hier nicht hergehört, sind Banalitäten wie Setlists. Für die Nerds trotzdem ein paar Highlights: "Hide Behind My Glasses", "Karma Tsunami", "Date Rape" (ja, das Sublime-Cover) und "Party At Ground Zero".

 

Wer Fishbone nicht live gesehen hat und das auch nicht vorhat, der kann ja seinen Opel Vectra in Kärnten 160 treten. Einholen wird er Fishbone trotzdem nicht. Nie.

Stephan Skrobar

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