Print_Giles Blunt - Unschuldslämmer

(Family) Business as usual

Junger Neffe und alter Onkel nehmen die Superreichen aus, aber hübsche Frauen, skrupellose Räuber und tückische Demenz machen ihnen einen Strich durch die Rechnung - gute Ideen für eine beschwingte Gaunerkomödie. Doch das Ergebnis ist eine laue Posse.    03.07.2010

Seit Owens Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen, kümmert sich Onkel Max um ihn. Max, ein gescheiterter Schauspieler, durchstreift als Perückenhändler die USA. In Wahrheit erleichtert er die Oberen Zehntausend um Geld, Schmuck und andere Kleinigkeiten - und sein Neffe ist ihm dabei eine wertvolle Hilfe.

Nur daß der die Gaunereien irgendwann satt hat und lieber Schauspieler werden möchte. Das ist zwar auch kein wirklich ehrbares Geschäft, aber damit läßt sich immer noch besser Eindruck schinden - zum Beispiel bei der reizenden Sabrina, die Owen zufällig aus den Händen eines gewalttätigen Verehrers retten kann.

Von Dankbarkeit scheint die Dame allerdings nicht viel zu halten; sie macht sich mit der Beute des letzten Diebeszuges auf und davon. Frustriert heften sich Max und Owen an ihre Fersen, ohne zu ahnen, daß sie längst ins Visier der "Subtrahierer" geraten sind: skrupelloser Räuber, die Räuber ausrauben. Als die Familienganoven endlich die Gefahr wittern, ist es fast zu spät - denn Max hat immer häufiger mit geistigen Aussetzern zu kämpfen.

 

Zugegeben, die Grundzutaten für diese "Gangster-Komödie" (Verlagswerbung) des kanadischen Bestsellerautors Giles Blunt klingen vielversprechend. Man freut sich auf irre Verwicklungen, haarsträubende Wendungen, somit Spaß und Spannung - ein trashiger Pulp-Roman im modernen Gewand, ja, das wär's!

Doch leider nutzt Blunt zu keiner Zeit das Potential der Ideen, die er zu Beginn einführt, um daraus im weiteren Romanverlauf eine einfallsreich konstruierte Handlung zu entwickeln. Ein Beispiel: Die Alzheimer-Erkrankung von Onkel Max. Blunt erwähnt sie zwar immer wieder, und schildert auch gelegentliche Aussetzer des alten Mannes; aber einen direkten Einfluß auf die Ereignisse der Geschichte hat die Krankheit nicht. Dabei hätte gerade die fortschreitende Demenz für eine Menge krimineller, absurder und komischer Dramatik sorgen können.

"Unschuldslämmer" liest sich wie eine schnell und simpel heruntergeschriebene Auftragsarbeit, deren Charaktere ebenso schnell und simpel ausformuliert wurden, ohne ihre Eigenarten wirklich zu vertiefen.

 

Damit wir uns nicht mißverstehen: Der Roman bietet durchaus kurzweilige Lektüre für ein verregnetes Wochenende. Aber eben auch die Erkenntnis, daß jeder Schuster bei seinem Leisten bleiben sollte: Ganoven bei ihren kriminellen Machenschaften, und Autor Giles Blunt bei den harten Thrillern, für die er bekannt ist ("Blutiges Eis", "Gefrorene Seelen", "Eisiges Herz") und für die er zu Recht geschätzt wird.

Marcel Feige

Giles Blunt: Unschuldslämmer

ØØ

No Such Creature

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Knaur Verlag (D 2010)

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