Print_John Grisham - Der Anwalt

Im Westen nichts Neues

Das mit dem Justiz-Thriller-Bestseller ist halt so eine Sache: In literarischer Hinsicht darf man davon keinen Meilenstein erwarten. Bisher gab es jedoch durchaus das eine oder andere Werk dieses Autors, das den Leser ein Wochenende lang gefesselt hat. Seinem neuen Roman gelingt das leider nicht.    05.10.2009

Kyle McAvoy, ein junger, vielversprechender Jura-Absolvent, bekommt eines Morgens Besuch von zwei Männern, die sich als FBI-Agenten ausgeben. Zwar stellt sich später heraus, daß diese Typen gar nicht für die US-Behörde arbeiten, sondern für einen zwielichtigen Auftraggeber, der niemals in Erscheinung tritt - aber da ist die Kacke bereits gehörig am Dampfen.

So glänzend sich ihm die Zukunft präsentiert, in Kyles Vergangenheit gibt es einen dunklen Punkt: Er war vor Jahren Zeuge einer, nun ja, ausufernden Studentensexparty. Vielleicht war er sogar beteiligt. Aber daran kann er sich nicht mehr erinnern, der Alkohol floß schließlich in Strömen. Damals behauptete auch die junge Dame, um die es geht, sie sei von den anwesenden Jungs nacheinander vergewaltigt worden. Das Verfahren hatte man seinerzeit mangels Beweisen eingestellt und Gras über die Angelegenheit wachsen lassen.

Bis die Kerle, denen Kyle sich jetzt gegenübersieht, ihm ein Handy-Video präsentieren - zwar kein echter Beweis für seine Täterschaft, aber dennoch Beweis genug, daß er sich seine Anwaltskarriere abschminken kann. Die Forderung jedoch, die die Typen stellen, verblüfft ihn: Anstatt als Anwalt für gemeinnützige Projekte zu arbeiten, wie es Kyles Plan war, soll er das Angebot der mächtigsten US-Anwaltskanzlei annehmen, um dort Informationen zu einem wichtigen Verfahren auszuspionieren.

Notgedrungen, aus Scham, verzweifelt willigt Kyle ein. Je näher sein erster Arbeitstag rückt, umso mehr muß er erkennen: Auch er wird ausspioniert, steht unter ständiger Beobachtung. Privatleben? Nie mehr! Kyle begreift: Es geht um milliardenschwere Aufträge, um das Militär und die US-Regierung. Nur wer steckt hinter allem: der Erpressung, der Spionage, zwischenzeitlich sogar einem Mord?

So genau wird diese Frage am Ende nicht geklärt. Um eine Auflösung, so scheint es, geht es Grisham in seinem Roman auch gar nicht. Und das ist wohl auch der Grund, warum er - im Gegensatz zu früheren Werken - diesmal auf einen spannenden, verstrickten, wendungsreichen Plot verzichtet.

"Der Anwalt" funktioniert viel mehr als - sagen wir mal: Doku-Drama. Er legt anhand der Hauptfigur offen, wie es in großen Anwaltskanzleien zugeht, und zeigt, mit welchen Mitteln diese arbeiten. Grisham demonstriert, wie die US-Regierung tickt, und hält den Leuten, wenn man dem Autor etwas Gutes will, den Spiegel vor. Schön. Aber ein spannender Roman ist trotzdem was anderes.

Marcel Feige

John Grisham - Der Anwalt

ØØØ

(The Associate)

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Heyne (München 2009)

 

Photo  © Maki Galimberti

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