John Lescroart: Mordverdacht
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The Suspect
Heyne (D 2010)
Es sieht nicht gut aus für den Schriftsteller Stuart Gorman: Eben noch wollte sich seine millionenschwere Göttergattin von ihm trennen, jetzt ist sie tot. Natürlich hält man ihn für den Hauptverdächtigen - aber zu Recht? 05.11.2010
Eines Freitag abends läßt die prominente und schwerreiche Ärztin Caryn Dryden ihren Ehemann, den Outdoor-Schriftsteller Stuart Gorman, wissen, daß sie sich von ihm scheiden lassen möchte.
Enttäuscht und mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch fährt Stuart zu seinem Ferienhaus unweit des Lake Tahoe - und wird unterwegs wegen überhöhter Geschwindigkeit von einer Highway-Patrol angehalten. "Ich wollte so schnell wie möglich von daheim weg", knurrt er den Cop an, "sonst hätte ich glatt meine Frau umgebracht."
Doch nach zwei Tagen der Verbitterung hält Stuart die Einöde am See nicht mehr aus. Er möchte noch einmal mit Caryn reden und versuchen, die Ehe zu retten. Weshalb er am Sonntag Abend die Tasche packt und sich auf den Heimweg macht ...
Szenenwechsel: Gina Roake, Partnerin in der Kanzlei des Anwalts Dismas Hardy (dem wohlbekannten Helden etlicher Lescroart-Thriller) hadert seit dem Tod ihres Gatten David mit sich selbst - bis sie beschließt, daß sie genug getrauert hat und bereit ist für einen Neuanfang.
Welch ein Glück, daß ein guter Freund und alter Lover - der Abgeordnete des Repräsentantenhauses von Kalifornien, Jedd Conley - einen Fall für sie hat: Sein bester Kumpel, der Autor Stuart Gorman, stünde unter dem Verdacht, seine Frau umgebracht zu haben und bräuchte dringend einen Anwalt ...
Szenenwechsel: Für Devin Juhles, Detective beim SFPD, ist der Mordfall sonnenklar. Denn Gorman hatte, als er nach seiner Rückkehr vom Lake Tahoe die Leiche Caryns im Whirlpool fand und die Polizei verständigte, den Ermittlern freimütig gestanden, daß es um seine Ehe nicht zum Besten bestellt gewesen wäre; daß er sich erst am Freitag mit Caryn gestritten habe, außerdem, ja, richtig, er jetzt der alleinige Erbe ihres Vermögens sei.
Darüberhinaus bezeugen Stuarts Nachbarn wiederholte, handfeste Auseinandersetzungen im Hause Gorman, und die Highway-Patrol berichtet obendrein von der netten Unterredung ...
Keine Frage: Der Autor macht es spannend. Dadurch, daß er sämtliche Ereignisse zwischen Gormans Abreise am See und Devin Juhles' Auftauchen am Tatort ausspart, bleibt auch der Leser bis zum Schluß im Ungewissen: Hat Stuart seine Frau nun ermordet oder nicht?
Der Schriftsteller bestreitet es vehement, auch wenn alles auf ihn als Täter hindeutet. Die Anwältin Gina Roake schenkt ihm Glauben, denn je größer der Druck wird, umso mehr Zweifel kommen ihr - auch an ihrer eigenen Arbeit und der der Strafverfolgungsbehörden.
"Sie hatte es nicht anders erwartet im normalen Gang der unerbittlich mahlenden Mühlen des Rechtssystems, in dem in den meisten Fällen die Schuld des Angeklagten nicht wirklich in Frage gestellt wurde. Doch das eigentliche Problem dabei war, daß dies eine Denkweise hervorzubringen schien, die buchstäblich blind gegenüber der Möglichkeit war, daß jemand zufällig in das System geraten und unschuldig sein konnte."
Gina hadert mit sich selbst: Soll sie ihren Mandanten verteidigen, einfach weil es ihr Job ist, egal wie die Wahrheit ausschaut - oder soll sie seine Unschuld beweisen?
Wäre da nicht der Ratschlag ihrer Kollegen:
"Man läßt sich nicht mit Leuten ein, die man für unschuldig hält, weil die fundamentale Aufgabe des Gesetzes nicht die ist, Gerechtigkeit zu üben. Es ging um Konfliktlösung.
Sie sagen, er ist schuldig, ich sage, er ist es nicht. Lassen Sie uns diesen Fall entscheiden und noch vor der Mittagspause zum nächsten übergehen, denn am Nachmittag haben wir noch fünf weitere vor uns. Gerechtigkeit war eine schöne Sache. Etwas, das sich jeder erhoffte und in der Regel auch bekam. Aber sie war im Grunde genommen das Nebenprodukt eines Systems, das eigentlich dazu gemacht war, die Beilegung von Kontroversen zu regeln."
Doch selbst als der Mordfall tatsächlich eindeutig zu sein scheint (da Stuart mit Waffe und gestohlenen Nummernschildern die Flucht ergreift) gibt Gina ihr Bestes - und darüber hinaus: Sie setzt ihr eigenes Leben aufs Spiel, um mehr als nur eine Konfliktlösung zu finden, sondern echte Gerechtigkeit.
Das alles mag jetzt spannender klingen als es ist. Denn eigentlich ist "Mordverdacht" nicht viel mehr als ein Justizkrimi, den man in dieser Form schon etliche Male gelesen hat, der ohne große Aufregung und noch weniger Action zwischen der stillen Verzweiflung seiner Helden und den erbitterten Wortgefechten der Anwälte und Ermittler hin- und herpendelt.
Und doch ist man als Leser nahe dran an den Figuren. Und als Lescroart im letzten Viertel überraschend die Action-Schraube anzieht, ist man erstaunt, daß der Roman gleich darauf zu Ende ist.
Fazit: Zwar kein Glanzlicht unter den Justizthrillern, aber ausgesprochen spannend.
John Lescroart: Mordverdacht
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Heyne (D 2010)
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