Print_John Rector - Frost

Die Qual der Wahl

Vielleicht, so denken Sara und Nate, als sie inmitten unzähliger Leichen stehen, hätten sie sich anders entscheiden müssen. Geld ist nämlich das eine. Glück etwas anderes. Doch jetzt ist es zu spät.    26.02.2011

Das junge Pärchen - sie schwanger, er auf der Flucht, beide in der Hoffnung auf ein besseres Leben - durchquert die USA nach Süden. Bei einer Raststätte irgendwo in der Ödnis des Mittleren Westens legen sie eine Pause ein. Draußen braut sich ein Wintersturm zusammen. Drinnen bittet sie Syl - ein älterer Mann, der mit seinem Wagen liegengeblieben ist -, ihn bis zur nächst größeren Stadt mitzunehmen.

Nate ist nicht begeistert von der Idee, noch weniger von dem kränklichen Typen. Doch Sara will endlich ein besserer Mensch werden. Und weil Nate ihr keinen Wunsch abschlagen kann, darf Syl mitfahren.

Unterwegs gewinnt der Schneesturm an Heftigkeit. Bald sind die Straßen blockiert, die Telefonleitungen zusammengebrochen, nichts geht mehr. Mit viel Glück schaffen es die drei Reisenden bis zu einem Motel. Als Sara und Nate aus dem Wagen steigen, gibt Syl keinen Ton mehr von sich: Er ist tot. Als Nate ihn untersucht, entdeckt er eine Schußwunde - und zwei Millionen Dollar im Rucksack des Alten.

Der Schock weicht rasch der Erkenntnis: Dies muß ein Wink des Schicksals sein. Mit dem vielen Geld sind Sara und Nate auf einen Schlag alle Sorgen los. Doch wie sollen sie die Leiche loswerden?

Während der Wintersturm seinen Höhepunkt erreicht, schleppt Nate den Toten einen verschneiten Abhang hinunter. Als er aber zu Sara aufs Zimmer zurückkehrt, beobachtet ihn einer der anderen Motelgäste - wie lange schon? Lange genug, damit der Schrecken für das Pärchen erst richtig beginnt. Am nächsten Morgen liegt Syl nämlich wieder vor ihrer Tür. Und er lebt.

 

Ein einsamer Highway, ein abgeschiedenes Motel, abgeschnitten von der Außenwelt - und verzweifelte Menschen, die ihrem Schicksal nicht entkommen können. Keine Frage, die Ingredienzien, mit denen John Rector sein Debüt anrichtet, hat es so oder so ähnlich schon in einer Vielzahl von Krimis und Horrorsstreifen gegeben. Dennoch ist "Frost" eine gelungene Thriller-Mär, die über 250 Seiten vortrefflich unterhält.

Während Schnee und Eis immer heftiger werden, nimmt auch die Gewalt zu, mit der sich Sara und Nate unvermittelt konfrontiert sehen - obwohl sie ihr mit der Reise eigentlich hatten entkommen wollen. Was ihnen vielleicht auch gelungen wäre, wenn sie nicht ...

Die Kälte, die von Sara und Nate immer mehr Besitz ergreift, spricht aus jeder Zeile - Rectors knapper, präziser Stil ist so frostig wie der verdammte Winter. Die geschliffenen Dialoge tun ein übriges und treiben die Geschichte ihrem Höhepunkt entgegen.

Merke: Nicht immer kommt es, wie man es sich wünscht. Nachher beschweren gilt aber nicht. Denn man hat immer eine andere Wahl.

Marcel Feige

John Rector: Frost

ØØØØ

The Cold Kiss

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RoRoRo (D 2011)

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