Print_Simon Kernick: Deadline

Klischees

Es gibt Thriller mit einem spannenden Plot, interessanten Wendungen und glaubwürdigen Figuren. "Deadline" von Simon Kernick hat nichts davon.    28.04.2010

Andrea Devern kommt nach Hause - und ihre Tochter Emma ist verschwunden. Die Entführer verlangen 500.000 Pfund Lösegeld, ansonsten wird die Kleine sterben. Andrea ist verzweifelt und bittet, da sie die Polizei nicht einschalten darf, ihren ehemaligen Liebhaber Jimmy um Hilfe: einen gewieften Gauner und Bankräuber, den sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Jimmy sei nämlich, behauptet Andrea, Emmas Vater. Aber das interessiert den irgendwie gar nicht, stattdessen will er erst einmal vögeln: "Na komm schon, du willst es doch auch."

Logisch! Welche Mutter wollte das nicht - wenige Minuten, nachdem sie einen Anruf von den Kidnappern ihrer Tochter erhalten hat? Überhaupt ist Jimmy ein grinsender Idiot, der derart vertrottelt zu Werke geht, daß man sich nicht nur fragt, wie er überhaupt je einen Überfall zustandegebracht hat, sondern sich als Leser geradezu freut, wenn die Entführer ihn bei der Geldübergabe an einem Fleischerhaken aufspießen (und konsequenterweise weitere 500.000 Pfund verlangen).

Andrea, blutüberströmt und selbstverständlich in Panik, gerät in eine Verkehrskontrolle. Ab jetzt übernimmt die Polizei das Ruder; allen voran Mike Bolt, ein erfahrener, abgeklärter Detective. Was für ein Zufall, auch er hatte seinerzeit (zur gleichen Zeit wie Jimmy!) eine Affäre mit Andrea. Darüber hinaus sei eigentlich er, so behauptet sie nun, der Vater von Emma. Weshalb Mike die Entführung prompt - wer hätte es geahnt? - zu seiner Privatsache erklärt, und sich dabei - Überraschung! - zu allerhand Dummheiten hinreißen läßt.

Apropos Dummheiten: "Deadline" strotzt geradezu davor. Schon zu Beginn stellt sich die Frage, warum Andrea ausgerechnet den Schwachkopf Jimmy zu Hilfe ruft: auf ihrer langen Liste von Affären stünden weitaus effizientere Figuren. Zum Beispiel Detective Mike Bolt, nicht wahr? Doch der kommt nur dank Kommissar Zufall ins Spiel und ist natürlich der einzige, der (wenngleich bloß mit viel Glück) den Fall aufklären kann. Aber zu diesem Zeitpunkt hat man angesichts der stereotypen Charaktere, Fließbandwendungen und nicht zuletzt einer lieblos hingerotzten Sprache bereits jegliches Interesse an der Story verloren.

Marcel Feige

Simon Kernick: Deadline - Die Zeit läuft ab

Ø

(Deadline)

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Heyne (D 2009)

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Kommentare_

Alexander - 31.07.2012 : 09.45
Also ich kann Hrn. Feige überhaupt nicht zustimmen. Ich finde "Deadline" ist ein sehr guter Thriller. Er hat weder eine "lieblos hingerotzte Sprache" noch "stereotype Charaktere". Apropos Charaktere, von der Gestaltung der agierenden Polizisten könnte sich Hr. Feige mal eine Scheibe abschneiden. Sie erscheinen mehr realistischer, als die Kriminalbeamten, in den, im Großen und Ganzen recht guten zwei Thrillern des Rezensenten, die ich von ihm gelesen habe.

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