Jack Ketchum: The Lost
ØØ
Heyne (D 2011)
Von ihren Besitzern verlassen, streicht eine Katze durch die Vorgärten der kleinen US-Gemeinde Sparta. Auf der Jagd nach einem Vogel verletzte sie sich an der Pfote. Seitdem humpelt sie. Was das mit diesem Roman zu tun hat? Gute Frage ... 15.02.2011
Denn eigentlich geht es, so erklärt der Klappentext, um die zerstörten Träume einer verlorenen Generation. Um die aufgestauten Aggressionen, die hinter der Fassade der Gesellschaft lauern - und sich in einer Gewaltexplosion von alptraumhafter Intensität entladen. Soweit, so klar. Schließlich stammt der Roman aus der Feder von Jack Ketchum. Da erwartet man blutrünstigen Mord und Totschlag - und dies alles gesellschaftskritisch unterfüttert.
"The Lost" spielt in den 60ern: Die Flower-Power-Generation feiert die freie Liebe, die freien Gedanken und das Woodstock-Festival - und muß erkennen, daß sie trotzdem keinen Deut besser ist all das, wogegen sie angetreten ist. Die Revolution frißt ihre Kinder. Und Charles Manson reißt Sharon Tate das Baby aus dem Bauch.
Zur gleichen Zeit hockt Ray Pye in dem kleinen Kaff Sparta und weiß, daß er dem kleinbürgerlichen Mief niemals entkommen wird, obwohl (oder gerade weil) er dagegen rebelliert: Er bricht die Schule frühzeitig ab, dealt mit Drogen, säuft, und vögelt die Mädchen, wie es ihm paßt. Viele der Jugendlichen im Ort bewundern ihn deswegen. Wie gerne wären sie wie er. Rebellisch. Unabhängig. Cool.
In Wahrheit ist Ray von seinem Leben angeödet, auch wenn er das niemals zugeben würde.
"Wisst ihr was?", fragt er eines Sommerabends seine Freunde Tim und Jennifer, als sie am See zwei hübsche Mädchen aus wohlhabendem Hause zelten sehen. "Lasst sie uns abknallen."
Rays Vorschlag entspringt allerdings weniger seiner Langeweile, sondern mehr dem Zorn auf die Gesellschaft, die ihm keine Chance gibt; noch mehr aber der Wut auf sich selbst, weil er sich so jämmerlich fühlt. Obwohl Tim und Jennifer ihn davon abhalten wollen, tötet Ray die beiden jungen Frauen am See - und kommt mit den Morden sogar davon. Plötzlich fühlt er sich stark. Er hat getötet. Es machte ihm nichts aus. Er kann jederzeit wieder töten. Er ist mächtig. Endlich ist er wer, und die anderen in Sparta merken das. Sie bewundern ihn und sie fürchten ihn noch mehr. Ray genießt es.
Bis er Katharine kennenlernt, ein Mädchen mit einer Vorliebe für bizarre Vergnügungen. Ray glaubt, jemanden gefunden zu haben, der ihm ebenbürtig ist. Doch während ihre gemeinsamen Unternehmungen für ihn bitterer Ernst werden, bleiben sie für Katharine nur Spielchen. In Wahrheit hat sie ganz andere Zukunftspläne - garantiert nicht in Sparta, und garantiert nicht mit Ray, diesem Angeber. Als sie ihm das schließlich ins Gesicht sagt, gerät seine Welt aus den Fugen. Er kennt kein Halten mehr ...
Eines vorweg: "The Lost" ist, obwohl in einer Nebenhandlung auch Polizisten ermitteln, weder Krimi noch Thriller. Im Grunde ist der Roman ein Drama. Er kommt ohne große Verstrickungen und Wendungen aus. Er läuft zielstrebig auf den explosiven Showdown zu, von dem man von Anfang an weiß, daß er kommen wird. Dennoch will das Feuer am Ende nicht richtig zünden.
Ketchum nimmt sich zwar die Zeit, seine Figuren einzuführen, doch bekommen die Charaktere keine psychologische Tiefe, die sie greif- und faßbar macht. Sie bleiben blaß, die Beweggründe für ihr Handeln sind deshalb häufig nicht schlüssig. Oder werden vom Autor nicht schlüssig erklärt. Denn wieso geraten Tim und Jennifer in diese schmerzhafte Abhängigkeit von Ray? Und weshalb läßt sich Katharine, die nun wirklich nicht auf den Kopf gefallen ist, überhaupt mit Ray ein, der von Anbeginn ihrer "Beziehung" an wie ein Hinterwäldler wirkt?
Gut, es mag im normalen Leben auch so sein, daß man manche Dinge, die man tut, einfach nicht erklären kann. Aber verstehen möchte man sie irgendwann trotzdem. In "The Lost" fällt es jedoch schwer: Oftmals entsteht der Eindruck, daß Dinge passieren, nur weil Ketchum will, daß sie geschehen, damit seine Geschichte die von ihm beabsichtigte Richtung nimmt.
Das liest sich alles ganz wunderbar und wie gewohnt bei Ketchum auch sehr blutig. Aber dennoch bleibt der Amoklauf zum Schluß ein großes Rätsel und hinterläßt beim Leser eher gemischte Gefühle.
Und dann ist da ja auch noch die Sache mit der Katze ...
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