Print_Print-Tips/Spezial: Krimi-Check

Alle Mörder sind schon da

Adventszeit ist Krimizeit - sollte man zumindest beim Durchstöbern der Verlagsprogramme meinen. Allein drei fette Anthologien bescheren den mordlustigen Lesern in diesen Tagen ein blutiges Weihnachten. Doch leider bleibt das Vergnügen mitunter getrübt. Marcel Feige nahm für den EVOLVER drei Kurzgeschichtensammlungen unter die Lupe.    21.12.2009

Marcel Feige

Testobjekt 1: Silke Jellinghaus (Hrsg.) - Tödliche Gaben

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Wunderlich (Reinbek 2009)

 

Dieses Buch zum Beispiel ist ein Irrlicht. Ziemlich groß steht der Name Simon Beckett auf dem Buchcover, das noch dazu im Design der Beckett-Erfolgstitel gehalten ist. Da ließen sich schon einige Leser, die auf den brandneuen Thriller des UK-Autors hofften, bitter täuschen. Also im Klartext: Dies ist ein Sammelband mit Krimi-Shorties von 13 Autoren aus allen Herren Ländern. Und ausgerechnet das Zugpferd, Simon Beckett, dem die Ehre des Quasi-Eisbrechers gebührt, liefert mit "Schneefall" die mit Abstand jämmerlichste der enthaltenen Kurzgeschichten. Eigentlich ist es nicht einmal eine Erzählung, sondern liest sich wie ein Auszug aus einem seiner David-Hunter-Romane, mit offenem Anfang und ungewissem Ende. Peinlich! Auch die anderen internationalen Autoren - Chris Mooney, Linwood Barclay, Leena Lehtolainen, Kate Pepper und Jay Bonansinga - bekleckern sich mit wenig Ruhm. Für Lesevergnügen sorgen stattdessen die deutschen Teilnehmer: Oliver Bottini, Felicitas Mayall, Veit Heinnichen, Sebastian Fitzek.

 

EVOLVER-Lesetip: "Wo  es dem Verbrecher schmeckt" von Friedrich Ani. Bewährt lakonisch entführt der Münchner Autor in die Abgründe zweier Pärchen, die der wachsende Neid aufeinander zu mehr als nur Freunden machte.

Links:

Testobjekt 2. Andrea Maria Schenkel (Hrsg.) - Weißer Schnee, rotes Blut

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Ullstein (Berlin 2009)

 

Auch für die zweite Anthologie gilt die Devise: Mit Speck fängt man Mäuse. Doch immerhin: Herausgeberin Schenkel, seit "Tannöd" selbst Erfolgsautorin, setzt ganz auf die Zugkraft deutschsprachiger Schreibtischtäter. Sehr schön, auch wenn die Erzählungen von Anne Chaplet, Friedrich Ani, Michael Theurillat oder Linus Reichlin eher pointierte, mitunter warmherzige Reflexionen über das menschliche Miteinander sind - aber nun einmal keine Krimi-Stories. Was man von den Shorties des Thriller-Meisters Sebastian Fitzek und des Shooting-Stars Zoran Drvenkar wohl kaum behaupten kann: temporeicher, lupenreiner Nervenkitzel auf jeweils weniger als 20 Seiten - zwei der Highlights! Nicht ganz so flott (aber deshalb nicht minder lesenswert) kommen Elisabeth Hermann, Robert Hültner und Heinrich Steinfest daher.

 

EVOLVER-Lesetip: In "Das Echo der Schüsse" von Jan Costin Wagner steht kein Wort zuviel: reduzierte Sprache für reduzierte Liebe und für die kurze Andeutung der Gefahr, die droht. Nur wem eigentlich? Dem vereinsamten Ehemann oder der jungen Frau, die vor ihm den Park durchquert?

Links:

Testobjekt 3: Jan Costin Wagner (Hrsg.) - 13 Morde hat das Jahr

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Wagner ist auch Herausgeber dieser Anthologie, die - anders als die beiden Mitbewerber - nur im Taschenbuch erscheint und (der Titel deutet es an) wenig adventlich daherkommt. Die 13 Kurzgeschichten sind jeweils einem Monat des Jahres und dem finalen Silvesterknall zugeordnet. Leider zündet nicht bei jeder Erzählung die Rakete, wie man sich das von einer ordentlichen Krimi-Story wünscht. In der Summe aber weiß der Sammelband mit Robert Hültner, Robert Brack, Richard Birkefeld, Mia Morgowski und Alina Bronsky dann doch besser zu unterhalten als so manch andere Anthologie. Als Meister ihres Monats erweisen sich Karr & Wehner, deren "Nachbarschaftsgeschichte" ein Wiedersehen mit dem Reporterfiesling Gonzo beschert. Sandra Lüpkes versucht es unterdessen mit ganz besonderen Protagonisten: "Durru gut" ist der Titel ihrer Erzählung, bezeichnend und amüsant. Als Überraschung darf "Junimord" von Udo Wachtveitl alias Tatort-Kommissar Franz Leitmayr gelten.

 

EVOLVER-Lesetip: "Vom Himmel ein Stück" von Glauser-Preisträger Bernhard Jaumann. Kommissar Schafitel, bald im Ruhestand, bekommt es mit der Angst vor dem Ende zu tun, und findet ausgerechnet in Roy Black Trost. Doch Obacht - wie starb der Schlagersänger noch einmal?

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