Print_Richard Stark - Keiner rennt für immer

Fragen statt Antworten

Parker ist ´ne echt coole Sau - das hat sein Schöpfer Donald E. Westlake alias Richard Stark in den 60ern bewiesen. Im vergangenen Jahr veröffentlichte der Zsolnay Verlag mit "Fragen Sie den Papagei" einen der neuen Parker-Krimis erstmals auf deutsch. Jetzt schiebt er den Nachfolger hinterher, der aber die Vorgeschichte zum "Papagei" erzählt - und, wie bei Prequels üblich, überflüssig ist wie ein Kropf.    15.07.2009

Schon merkwürdig: Da gibt es Kritiker, die bemängeln die fehlende Charaktertiefe der Helden vieler Krimi-Novitäten. Bei Parker dagegen sind sich alle einig: Dieser Berufskriminelle ist ´ne echt coole Sau. Aber mal ehrlich: Keiner weiß, wer dieser lonesome cowboy eigentlich ist. Okay, er ist ein wortkarger Typ und für jede Gaunerei zu haben. Falls nötig, tötet er dafür schnell und schmerzlos und verzieht dabei keine Miene.

Und sonst?

Wie alt ist Parker? Woher stammt er? Hat er Freunde? Eine Frau? Womit beschäftigt er sich, wenn er mal nicht raubt, schlägt, mordet? Und was trägt eigentlich Schuld an seinem eisig-kriminellen Wesen? Richard Stark - das ist eines von vielen Pseudonymen, unter denen der im Dezember 2008 verstorbene Donald E. Westlake geschrieben hat - läßt den Leser im Dunkeln. Das mag Absicht sein und war es vielleicht auch schon damals, als er zwischen 1962 und 1974 erfolgreich einen Parker-Krimi nach dem anderen raushaute. Daß es auch seit 1997 funktioniert, seit er Parker ein Comeback gönnt, dafür ist "Fragen Sie den Papagei" das beste Beispiel. Im Original 2006 veröffentlicht, ist der Roman ein amüsantes Lehrstück in Sachen Pulp-Krimis: Parker befindet sich auf der Flucht, weil der Überfall auf einen Geldtransporter in die Hose gegangen ist. Er strandet in einem kleinen Kaff und bietet den Leuten, die sich mit Hunden und Waffen zu seiner Verfolgung formieren, seine Hilfe an. Das ist tollkühn und birgt reichlich Stoff für 200 Seiten aberwitzige Spannung, was Parkers Blässe wettmacht.

Insofern ist es auch verständlich, daß sich der Zsolnay Verlag ausgerechnet für diesen Roman entschied, als er sich 2008 daranmachte, die neuen Parker-Krimis von Richard Stark für den deutschen Buchmarkt aufzubereiten. Die Kritiker hierzulande waren begeistert, die Leser offenbar auch, weswegen Zsolnay Anfang 2009 "Keiner rennt für immer" nachschob. Das Problem: Dieser Parker-Krimi ist im Original schon 2004 erschienen und erzählt die Vorgeschichte zum "Papageien".

Wer jetzt aber denkt, er wird einen furiosen Überfall auf den Geldtransporter erleben, dazu Wagemut, Parkersche Tollkühnheiten, rasante Action und neuerliche Spannung, sieht sich getäuscht. Stattdessen wird er Zeuge von Telefonaten, Warterei, geheimen Treffen, Absprachen, Warterei, Rundfahrten, Überwachungen, noch mehr Warterei, ein paar lausigen Intrigen, daraus folgernden Planänderungen und - logischerweise - einigen Tölpeleien, denn "Keiner rennt für immer" ist ja immer noch Pulp. Aber es ist ein durch und durch unspektakulärer, behäbiger, ja, verdammt langweiliger Pulp.

Möglicherweise würde sich "Keiner rennt für immer" anders lesen lassen, besäßen seine Helden - allen voran Parker als federführende Figur - entsprechende Tiefe. Einen Hintergrund. Überhaupt Beweggründe. Haben sie aber nicht.

Kurzum: Zsolnay tat gut daran, die neue Parker-Reihe auf deutsch mit "Fragen Sie den Papagei" zu starten. Das machte Lust auf mehr. Warum er dann aber das überflüssige Prequel hinterherschob (noch dazu voller Tippfehler - eine Rüge an das Lektorat!), statt die Serie mit dem regulären Nachfolger "Das Geld war schmutzig" fortzusetzen, bleibt ein Rätsel. Genau wie Parker selbst.

Marcel Feige

Richard Stark - Keiner rennt für immer

Ø

(Nobody Runs Forever)

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Zsolnay (Ö 2009)

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