Print_Wolfgang Kaes - Bitter Lemon

Dumm gelaufen, die Zweite

So war das nicht abgemacht: Eine Journalistin beweist die Unschuld eines wegen Mordes Inhaftierten. Doch statt es ihr mit einem Exklusivinterview zu danken, schwört der Freigelassene vor laufender Kamera Rache.    16.11.2010

Tatsächlich scheint dieser Zoran Jerkov schon bald seine Drohung in die Tat umzusetzen: Erst stirbt sein ehemaliger Strafverteidiger. Dann kommt auch die Prostituierte ums Leben, die mit ihren Aussagen maßgeblich zur Verurteilung beigetragen hatte.

Irgendwie ja verständlich, daß Jerkov Vergeltung sucht für die zwölf Jahre, die er unschuldig im Gefängnis verbrachte. Doch keineswegs nachvollziehbar ist, warum er überhaupt all die Zeit für den angeblichen Mord an seiner Freundin absaß, wo doch die Beweise für seine Unschuld so offenkundig waren, daß selbst eine Journalistin wie Kristina Gleisberg sie finden konnte. Warum haben die Ermittler damals so geschlampt? Und weshalb hat Jerkov selbst während der Verhandlung die Wahrheit verschwiegen?

Fragen, die sich auch David Manthey stellen muß, ein Ex-Polizist, der sich eigentlich in einer Finca auf Formentera zur Ruhe gesetzt hat. Doch der Polizeipräsident und noch einige andere - mysteriöse, offenbar hochrangige - Personen beordern ihn zurück nach Köln, denn als Jugendfreund des Verdächtigen scheint nur er den selbsternannten Rächer aufhalten zu können.

Manthey willigt nur ungern ein. Mit Jerkov hat er sich zerstritten, außerdem will er sich eigentlich nicht mehr einspannen lassen. Als er schließlich doch nach Deutschland zurückkehrt und die Fährte aufnimmt, führt sie ihn zur der Journalistin Gleisberg, die wegen des geplatzten Interviews ihren Job verloren hat. Auch sie rätselt über Jerkovs sonderbares Verhalten ...

Gemeinsam finden sie jedoch heraus, wer tatsächlich hinter den Morden damals wie heute steckt: Ein skrupelloser Menschenhändlerring, dessen schmutzigen Geschäfte bis in ganz hohe Kreise reichen. Kein Wunder, daß Jerkov zwölf Jahre lang geschwiegen hat. Und noch weniger verwunderlich, daß er jetzt untergetaucht ist. Denn seit seiner Freilassung geht es auch um sein eigenes Leben.

Kann Manthey seinem alten Jugendfreund helfen? Noch entscheidender: Will er ihn überhaupt retten?

 

Keine Frage: Wolfgang Kaes taucht tief in die finsteren Abgründe unserer Gesellschaft, in denen der Mensch keinerlei Respekt genießt und nichts weiter ist als ein Stück Ware, dessen Wert einzig in Euro - manchmal sehr viel Euro - gemessen wird. "Bitter Lemon" ist traurig und erschreckend, weil von Anfang bis Ende leider wahr.

Als Thriller funktioniert der Roman allerdings nur bedingt. Denn da Kaes seine Protagonisten wiederholt ausufernd über Zahlen und Fakten des globalen und nationalen Menschenhandels diskutieren läßt, liest sich "Bitter Lemon" ein ums andere Mal mehr wie eine Reportage.

Das macht die Geschichte zwar nicht weniger eindringlich, aber auch nicht wirklich spannend.

Marcel Feige

Wolfgang Kaes: Bitter Lemon

ØØØØ

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C. Bertelsmann (D 2010)

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