Christopher Hyde: Die Weisheit des Todes
ØØØØØ
Wisdom of the Bones
Heyne Verlag (D 2009)
Man soll sich nicht vom Cover täuschen lassen: Was hier nämlich nach dem üblichen Agenten-Action-Eintopf ausschaut, entpuppt sich beim Lesen als erfrischend vollmundiger Kriminalroman. 23.09.2010
Schon merkwürdig: Christopher Hyde, der in den USA unter verschiedenen Namen mehr als 30 Kriminalromane veröffentlicht hat, ist hierzulande kaum bekannt. Gerade einmal sieben seiner Thriller wurden bis dato übersetzt, die meisten erschienen Ende der 80er / Anfang der 90er bei Ullstein - mit mäßigem Erfolg. Jetzt versucht es der Heyne-Verlag. Starthilfe gibt es von Lee Child, der im Klappentext zu "Die Weisheit des Todes" lobt: "Als würde Caleb Carr auf Frederick Forsyth treffen."
Nun gut, der passionierte Krimileser weiß, was er von solchen Blurbs zu halten hat; doch in diesem Fall paßt es zur Abwechslung einmal. Denn wie Forsyth nutzt auch Hyde einen wahren Hintergrund für seine fiktive Geschichte, und wie weiland Carr zu Spitzenzeiten bettet er reale Figuren der Zeitgeschichte in seine Story ein.
Dallas im November 1963. Die texanische Stadt ist in Aufruhr, denn Präsident John F. Kennedy hat einen Wahlkampfbesuch angekündigt. Ray Duval ficht das nicht an. Der Polizist ist schwer herzkrank und hat nicht mehr lange zu leben. Die Zukunft ist ihm gleichgültig. Lust- und kraftlos schleppt er sich deshalb zur örtlichen Müllhalde, wo man in einem rostigen Kühlschrank das grausam verstümmelte Opfer eines Ritualmörders gefunden hat. Der Leiche wurden Arme und Beine abgetrennt und danach mit Draht wieder an den Körper gebunden.
Duval findet heraus, daß eine Verbindung zu einer 25 Jahre alten Mordserie besteht, bei der junge Mädchen schwarzer Hautfarbe die Opfer waren. Doch im rassistischen Amerika der 60er kräht kein Hahn nach einem farbigen Mädchen mehr oder weniger. Der Fall verliert endgültig an Bedeutung, als Kennedy während der Parade in Dallas erschossen wird. Die Stadt steht endgültig Kopf. Nur Duval bleibt bei Sinnen, selbst als er im Krankenhaus auf die blutüberströmte Präsidentengattin Jackie trifft.
Ein letztes Mal erwachen seine Lebensgeister: Wenn schon sonst niemanden das Schicksal der Schwarzen interessiert, so will wenigstens er ihnen Gerechtigkeit zukommen lassen. Damit erntet er freilich den Unbill seiner Vorgesetzten, die selbst in irgendwelche krummen Dinger verwickelt sind; zum Beispiel mit Jack Ruby, der später - vor Duvals Augen - den Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald erschießt. Aber egal, was hat der Polizist schon großartig zu verlieren?
Auch wenn das Umschlagbild etwas anderes suggeriert: Die turbulenten Ereignisse im November 1963 dienen Christopher Hyde nur als stimmungsvoller Hintergrund für einen ganz und gar unprätentiösen Kriminalroman. Der Autor verliert sich nicht in politischem Kleinkram, sondern richtet seinen Fokus einzig auf Duval, dessen letzten Lebensstunden und sein Bemühen um Gerechtigkeit; Gerechtigkeit auch für sich selbst.
Was freilich nicht immer ganz einfach ist, denn Anfang der 60er gab es noch keine Profiler, DNA-Analysen, Computer oder Handys, sondern nur die Spürnase des Ermittlers - und ein Haufen mißgünstiger, korrupter und rassistischer Kollegen.
"Die Weisheit des Todes" ist ein von Anfang bis Ende stimmungsvoller Roman, ergreifend und spannend - und immer wieder durchdrungen von einer gehörigen Portion schwarzen Humors. Oder sollte man angesichts Duvals Situation sagen: Galgenhumors?
Christopher Hyde: Die Weisheit des Todes
ØØØØØ
Wisdom of the Bones
Heyne Verlag (D 2009)
"Götter der Schuld" werden die zwölf Geschworenen genannt, die im Gerichtssaal über die Schuld eines Angeklagten entscheiden. Nur was, wenn der unschuldig ist, die Beweise dafür aber fehlen? Marcel Feige klärt auf.
Das Romandebüt der deutschen Autorin ist vieles: ein Thriller, ein Familiendrama, eine Rachestory. Vor allem ist es jedoch unbedingt lesenswert, wie Marcel Feige findet.
Hat´s der Schöpfer von Klassikern wie "The Shining", "Carrie" oder "Misery" nach all den Jahrzehnten immer noch drauf? Marcel Feige hat sich in seine neue Kurzgeschichtensammlung vertieft.
Mit einem Robotham kann man für gewöhnlich nichts falsch machen, findet Marcel Feige. Sein neuer Roman ist allerdings eine Ausnahme.
Das muß einem Autor erst einmal gelingen: einen Roman schreiben, in dem nichts passiert. John Grisham hat es geschafft.
Kommentare_