Print_Michael Robotham - Der Insider

Hollywood läßt grüßen

Der Schauplatz der Ermittlungen und der deutsche Titel suggerieren eine Handlung, die das dreckige Spiel der Geheimdienste entlarvt. Doch stattdessen präsentiert der britische Autor eher konventionelle Thrillerkost.    14.04.2012

Was bei den ersten fünf Büchern von Michael Robotham kein Problem darstellte. Sie durchbrachen zwar weder den Rahmen des Thrillergenres, noch boten sie literarisch hochwertige Krimilektüre, doch waren sie mit sympathischen Figuren sowie trickreichen Wendungen strikt auf Tempo ausgerichtet, sodaß man sich den Geschichten trotz sattsam bekannter Storybausteine nur schwer entziehen konnte.

Mit "Der Insider" wagt sich der Autor nun erstmals auf neues Terrain, und zwar das der großen Politik: Irak-Krieg und Geheimdienste. Das liest sich nach wie vor über weite Strecken höchst eingängig, kratzt aber letztlich bloß an der Oberfläche.

 

Eines Abends rettet Vincent Ruiz (der aus "Amnesie" bekannte Ex-Cop) die junge Holly vor den brutalen Attacken ihres Freundes. Weil die verängstigte Kleine nicht weiß, wo sie bleiben soll, nimmt Ruiz sie mit heim. Nicht einmal eine Stunde später liegt er quasi im Koma, weil Holly ihn mit gepanschtem Wein betäubt hat. Als er am nächsten Morgen erwacht, ist seine Wohnung leergeräumt.

Halb so wild, denkt der desillusionierte Ex-Polizist; wären da nicht die wenigen Hinterlassenschaften seiner verstorbenen Frau, die ebenfalls verschwunden sind. Das ist richtig ärgerlich, denn der Schmuck ist eigentlich für Ruiz' Tochter Claire gedacht, die bald heiratet.

Zusammen mit dem an Parkinson erkrankten Psychologen Joe O'Laughlin (ebenfalls Held mehrerer Robotham-Thriller) heftet sich Ruiz auf die Spur der Diebe. Schon bald stolpern sie über die erste Leiche: Hollys Freund Zac. Offenbar hat das junge Paar seinen Trick schon mehrfach angewandt – und diesmal den falschen Mann ausgeraubt. Doch als sich plötzlich auch noch ausländische Geheimdienste in die Verfolgung von Holly einmischen, scheint der Fall Ruiz und O'Laughlin über den Kopf zu wachsen.

Denn ihre Nachforschungen führen in den Irak. Dort recherchiert der Journalist Luca Terracini seit geraumer Zeit eine Reihe von Banküberfällen. Unerwartete Hilfe bekommt er von der UNO-Rechnungsprüferin Daniela Garner, die herausgefunden hat, daß große Summen wichtiger Aufbauhilfen niemals die Empfänger erreicht haben.

 

Man ahnt schon sehr früh, wohin die Reise von Ruiz und O'Laughlin führen wird. Auch das ist eines der Probleme von "Der Insider": Schon der Klappentext verrät vorab einen Großteil der Geschichte, sodaß Überraschungen sich in Grenzen halten. Dennoch, soviel sei seinem Faburliertalent und den einnehmenden Figuren, die Robotham auch diesmal wieder schafft, zugute zu halten: Der Roman unterhält über weite Strecken, weil man sich immer wieder fragt, wie zur Hölle der Autor die verschiedenen Handlungsstränge zusammenfügen wird.

Einen differenzierten gesellschaftlichen und politischen Einblick darf man allerdings nicht erwarten: Die blutigen Turbulenzen im Irak, von denen man tagtäglich in den Nachrichten hört, dienen Robotham nur als ein blasser Hintergrund für einen flotten Thriller, der sich so liest, als müßte er geradewegs als Vorlage für einen Hollywood-Blockbuster herhalten - bloß nicht anecken, und ja nicht zuviel Nachdenken einfordern.

So wundert es nicht, daß die ach so bösen CIA-Agenten zum Schluß auch ihre Taten mit sattsam bekannten Ausreden zu legitimieren versuchen:

 

"Seine Leute wollten einen Club in die Luft jagen", schimpft Ruiz.

"Ein paar dutzend Leben, um Tausende zu retten", erwidert der Agent.

"Sie glauben, der Zweck würde die Mittel heiligen?"

"Ich denke, so etwas sollte ein Faktor sein."

"Und wer entscheidet?"

"Verzeihung?"

"Wer trifft die Entscheidung?"

"Menschen wie ich, weil Menschen wie Sie nicht den Mumm dazu haben."

 

Ah, ja. Haben wir derlei nicht schon irgendwo einmal gehört?

Marcel Feige

Michael Robotham: Der Insider

ØØØ

The Wreckage

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Goldmann (D 2012)

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