Wilde Reise durch die Zeit

Ein junger Architekt bekommt den Auftrag, das legendenumwobene Fortyfoot-House auf einer kleinen Insel vor dem britischen Festland zu renovieren. Schon nach kurzer Zeit muß er jedoch erkennen, daß das Gebäude eine Schnittstelle für Zeitreisende sowohl aus der Vergangenheit als auch aus der Zukunft ist.

Mit dem Auftrag, das viktorianische Fortyfoot-Haus zu renovieren, kommt ein junger alleinerziehender Architekt mit seinem Sohn in ein verschlafenes britisches Fischerdorf. Schon in der ersten Nacht stören ihn unheimliche Geräusche vom Dachboden, und die Bewohner des Ortes sparen auch nicht mit kryptischen Bemerkungen zur Geschichte des Gebäudes. Als eine junge Obdachlose zu Vater und Sohn zieht, entwickelt sich daraus eine neue Familie, die gemeinsam gegen den zunehmenden Einfluß des Bösen kämpft.

Zu Beginn sickert das Unheimliche subtil in den Alltag ein. Ein großer Mann mit Zylinder erscheint immer wieder im Garten, ein totes Mädchen bietet sich dem Buben als Spielgefährtin an, und die Figuren auf einem Gemälde beginnen, ihre Positionen zu vertauschen. Ein Rattenfänger wird in das Spukhaus geholt, doch bei seinem Versuch, am Dachboden den Verursacher der eigentümlichen Geräusche zu finden, wird er von einem rattenähnlichen Wesen auf bestialische Weise ermordet.

Die Ereignisse spitzen sich rasch zu: Immer öfter tauchen Figuren aus der Vergangenheit im Garten des Hauses auf, und der Architekt erfährt, daß sein vorübergehendes Domizil quasi als "Hafen" für Zeitreisende aus der Vergangenheit dient, die eine prähistorische Rasse von außerirdischen Wesen, die vor den Menschen die Erde bevölkert haben, wieder zum Leben erwecken wollen. Eine zentrale Rolle spielen dabei Hexenfrauen, die von nichtsahnenden Männern befruchtet werden müssen, um die unheilige Dreifaltigkeit auf die Welt zu bringen. Als Nahrung dienen diesen Wesenheiten unschuldige Kinder, die von ihren Familien entführt und in die Zukunft transportiert werden, wo sie in riesigen Bottichen für die Außerirdischen gekocht werden.

Blanker Unsinn, denken Sie vielleicht jetzt und Sie haben damit zu hundert Prozent recht. Was als fast viktorianisch angehauchte Gruselgeschichte beginnt, entwickelt sich zu einem unübersichtlichen Sammelsurium kruder Theorien und willkürlicher Schlußfolgerungen. Es werden keine Klischees ausgespart, und alle Register von abgedroschenen Horror-Motiven in das Geschehen eingebaut: Lovecrafts Cthulhu-Mythos wird dabei als Grundtenor mißbraucht, es treten schwarze und weiße Magier an, ebenso Außerirdische und spukende Geistergestalten, werwolfartige Mensch-Tier-Zwischenwesen, stereotype Helden und anhnungslose weibliche Statisten.

Masterton verstrickt sich immer tiefer in ein unauflösbares Geflecht verschiedenster Erklärungen und Mythologien und scheut auch nicht davor zurück, tatsächliche historische Ereignisse zu seinen Zwecken umzuinterpretieren. So sollen die Pyramiden der Ägypter nicht bloß Grabkammern sein, sondern die Zeit in ihrem Inneren anhalten und somit die Verwesung der darin Begrabenen verzögern. Und wußten Sie, daß die Sumerer Zikkurats bauten, durch deren ungewöhnliche Architektur sie die Grenzen von Zeit und Raum überwinden konnten?

Was Lovecraft mit seinem Cthulhu-Mythos erreichen wollte, war der oft zitierte "kosmische Schrecken", eine Theorie, die uns mit dem Gedanken vertraut macht, daß uns andersartige Wesen die Herrschaft über unseren Planeten streitig machen möchten. Die Stärke liegt dabei in seiner subtilen Komposition und der Konsequenz, mit der sich der Mythos durch sein gesamtes Werk zieht. Masterton hingegen bietet dem Leser von allen Zutaten zu viel, und was als schreckliches Finale angelegt ist, bewirkt beim Leser maximal ein müdes Lächeln, denn es stellt sich spätestens ab der Hälfte des Buches ein deutlicher "wear out"-Effekt ein. Zu sehr ist man an die unappetitlichen Geschehnisse bereits gewöhnt, als daß sie noch als schrecklich empfunden werden könnten.

Insgesamt ist "Die Opferung" einer der schwächeren Versuche, den legendären Cthulhu wiederauferstehen zu lassen. Erfolgreicher haben sich da schon Fred Chappell (siehe EVOLVER-Review), August Derleth oder Clark Ashton Smith (siehe EVOLVER-Review) daran versucht. Deren Beiträge sind, so wie das vorliegende Buch, allesamt auf deutsch im vorzüglichen Festa-Verlag erschienen. Und da es dort eine eigene Reihe namens "H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens" gibt, sind noch weitere Variationen des Themas zu erwarten.

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Über den Autor:
Graham Masterton debütierte mit einem Roman über die Wiedergeburt eines indianischen Medizinmannes namens "The Manitou", der mit Tony Curtis erfolgreich verfilmt wurde. Seither hat er über 35 Horror-Romane verfaßt und dabei zahlreiche Genre-Preise erhalten. Der 1946 geborene Schotte schrieb auch zahlreiche Fernseh-Drehbücher und lebt heute mit seiner Frau in einem viktorianischen Haus in Irland.