Blutrache

Sylvester Stallone unternimmt als Jack Carter einen blutigen Rachefeldzug durch seine Heimatstadt Seattle. Die Effizienz, mit der er dabei zu Werke geht, läßt allerdings zu wünschen übrig.

Er prügelt das Geld aus den zahlungsunwilligen Geschäftspartnern seines Bosses: Jack Carter (Sylvester Stallone) - einsamer Wolf mit Sinn für Integrität und feste Größe unter den Gesetzlosen im Raum Las Vegas. Carter ist ein Einzelgänger, der längst alle Verbindungen zu seinem zivilen Vorleben gekappt hat. Erst die Nachricht vom tödlichen Autounfall seines Bruders Richie (Michael Cook) veranlaßt ihn zur Rückkehr in seine Heimatstadt, um dem Bruder die letzte Ehre zu erweisen.
Richard Carter kam also durch übermäßigen Alkoholgenuß am Steuer ums Leben. Tatsächlich? Richie trank doch überhaupt nicht... Jack wird stutzig. Systematisch durchstöbert er Richies Vergangenheit, fängt zuerst mit der Befragung von Gattin Gloria (Miranda Richardson) und Tochter Doreen (Rachael Leigh Cook) an und arbeitet sich langsam zu den zwielichtigen Bekanntschaften des "Verunglückten" vor. Die Ungereimtheiten verdichten sich immer mehr zu einem echten Verdacht: Jacks Bruder fiel offenbar einem Mordkomplotts zum Opfer. Carters bisher verborgen gebliebener Familiensinn wird aktiviert, und brüderliche Rachegelüste entbrennen.

"Get Carter", ein Remake des gleichnamigen britischen Thriller-Klassikers von 1971 (seinerzeit mit Michael Caine in der Hauptrolle), präsentiert sich visuell recht abwechslungsreich. Mit schnellen Schnitten, ruhigen Überblendungen, sporadischen Brüchen der chronologischen Bildabfolge und unkonventionellen Kamerablickwinkeln wird hier eine solide Mischung aus unterschiedlichen Erzähltechniken serviert. Aber Regisseur Stephen Kay verfügt nur über die stilistischen Mittel - dem verarbeiteten Material fehlt fehlt es gänzlich an Tiefgang.

Die substantiellen Defizite sind erdrückend: Stallones Charakter ist eindimensional, seine Gedanken und Motive bleiben stets verborgen. Er wirkt wie ein wandelnder Eisblock, dessen Handlungsradius sich auf einen schlichten, alttestamentarischen Vergeltungscode reduziert. Ein emotionales Innenleben sucht man bei Carter vergebens - wie ein simpel programmierter Roboter stapft der Außenseiter behäbig durch die dunkle Großstadtkulisse, tut sich sichtlich schwer, das Offensichtliche zu erkennen und zögert den arg vorhersehbaren Schlußakt unnötig hinaus.

In regelmäßigen Abständen versucht sich Regisseur Kay krampfhaft an einer subtileren Annäherung an den harten Burschen Carter und verwickelt seine Hauptfigur dabei in kammerspielartige Gespräche mit der sichtlich um Distanz bemühten Verwandtschaft. Jedes einzelne dieser kurzen und trotzdem langatmig anmutenden Zwischenspielchen mündet fast immer in einem inhaltslosen Vakuum. Der Versuch, Stallone zu einem melancholischen Antihelden hochzustilisieren, scheitert bereits im Ansatz. Andererseits werden die gelegentlichen Actioneinlagen, die der Mann fürs Grobe stets überlegen meistert, wohl niemanden von den Sitzen reißen.

Sylvester Stallone, Relikt aus den actionbetonten 80ern und einer der letzten Vertreter einer längst ausgestorbenen Art von Kinohelden, wurde schon vor Jahren von Hollywood offiziell für tot erklärt. Seine erfolglosen Comebackversuche sind eine traurige Aneinanderreihung von fehlerhaft konstruierten Starvehikeln, in die sich "Get Carter" perfekt einfügt. "The Italian Stallion" lahmt seit geraumer Zeit. Eine endgültige Einschläferung des alten Gauls scheint mittlerweile nicht nur vernünftig, sondern unumgänglich.

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GESCHMACKSSACHE
(schrasun, 18.04.2002 20:34)