Made in Berlin

Nach seiner Mitwirkung in zahlreichen Bands, Jam-Sessions mit Beige und Tourneen z. B. mit den Neubauten gönnt sich Hanno Leichtmann zur Abwechslung mal was "Schonendes", schreitet zum Solo-Debüt und bringt ruckzuck ein "Electronic Listening"-Album heraus, das sich gewaschen hat.

Zeitgemäßer hätte diese Scheibe gar nicht ausfallen können, ehrlich. Zwischen friklerischer Rafinesse, jazzigen Clustern und shuffelnder Lounge-Ekstase bewegen sich die neun Stücke, die im Schnitt nicht unter fünfeinhalb Minuten dauern. Symptomatisch für Static ist ein stark ausgeprägtes Pop-Ideal, das den meisten Stücken zugrunde liegt - eine Vision davon, wie zeitgemäßer Elektropop heute aussehen könnte. Mancherorts taucht auch eine Stimme auf; das obligatorische Sprech- und Gesangsverbot, welches die Dekade des Techno charakterisierte, scheint endlich überwunden - zaghaft ist der Anfang, aber besser spät als gar nicht. Gleich auf dem zweiten Song überrascht Ronald Lippock (ToRoccocoRot, Tarwater) mit sonorem Sprechgesang (den Lou Reed bekanntlich nicht erfunden hat). Auf "Sometimes" haucht Justine Electra kühle Lyrics ins Mikro, was der glasigen Aura der Tracks keinen Abbruch tut. Wie eine Hand in einen Handschuh fügen sich hier Komposition und Ausdruck sehr schön ineinander.

Die Stücke bieten außer klassischem Pop-Aufbau, Melodienreichtum und abwechslungreichen Arrangements soviel gute Laune - man kann sich durchaus vorstellen, die CD auch an den Strand mitzunehmen. Mit Coolness im Kopf brät es sich besser in der Sonne. Vielleicht hört man das Album auch lieber allein zu Hause, während draußen im tiefsten Winter eisige Stürme toben. Das Teewasser beginnt gerade zu köcheln, und "Resonance" (Static Remix) verscheucht passend dazu mit blubbernden Schnipseln und schönen Synth-Layern die bösen Geister. Musik übernimmt ohnehin immer mehr die Rolle des Environmental Lifestyle - für jeden Typ die richtige Musik. Und wohlfühlen darf sich jeder. Das ist viel billiger als Psychotherapie, und man kann es in Anspruch nehmen, wann immer man will.

Gleich von Anfang an hört man klar die Wurzeln heraus, Erinnerungen an Releases von "Hausmusik" und "Morr" sind nicht zu überhören. Die Berliner Labelszene rund um "City Centre Offices" scheint es sich ja inzwischen zur Aufgabe gemacht zu haben, deutsche Electronica wieder zu dem zu machen, was sie in den 1970ern war. Intelligente Brainmusic nämlich. Und mit Interpreten wie Ullrich Schnauß, (siehe EVOLVER-Review)Arovane oder Christian Kleine (siehe EVOLVER-Review) scheint das auch zu funktionieren.

Der Run auf "Electronic Listening from Germany" hat noch gar nicht richtig begonnen. Die Fans mauscheln hinter vorgehaltener Hand ehrfurchtsvoll die Namen der neuen Stars - Stars, die gar keine sein wollen. Das "Notwist"-Beispiel scheint Schule zu machen - wen interessiert schon die Hitparade? Klar ist es nett, wenn man in die Dancecarts rutscht, aber essentiell ist es nicht.

So bleibt der Zauber erhalten, und man darf glauben, diesen oder jenen Tonträger ganz speziell und ausschließlich nur für sich allein entdeckt zu haben. Die daraus resultierende Mundpropaganda ist objektiver und sympatischer als die von gehirnlosen Eintrommlern programmierten Heavy-Rotation-Sendungen der Einheitsbrei-Sender.

Fazit: Eine runde Angelegenheit, die mit ihren zeitlosen Stimmungen und angenehmen Harmonien nie ins süßlich platte Metier abdriftet. Hoffentlich kann man das auch mal hier in Wien (hinter dem Mond) live hören. Fromme Wünsche wird ja noch äußern dürfen!

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