Die Liebe ist ein Hund

Im Überlebenskampf bleiben nicht nur Hunde auf der Strecke - auch den Menschen in "Amores Perros" wird das Äußerste abverlangt. Das Schicksal ist manchmal eben knallhart.

In der brodelnden Sommerhitze Mexico Citys prallen bei einem folgenschweren Verkehrsunfall drei Menschen aufeinander. Der junge Octavio (Gael García Bernal) endet in einer Blutlache auf der Straße. Mit illegalen Hundekämpfen versuchte er die gemeinsame Flucht mit seiner schwangeren Schwägerin aus dem Armenviertel zu finanzieren. Doch das erhoffte kleine Glück scheitert an brutalen Kontrahenten: an seinem volltätowierten Erzrivalen und seinem kriminellen Bruder Ramiro, der mit nächtlichen Überfällen seine Familie über Wasser hält. Im zweiten Autowrack beginnt für das schwer verletzte Model Valeria (Goya Toledo) am Zenit ihrer Karriere ein schmerzensreicher Alptraum, den auch ihr Liebhaber, der Familienvater Daniel (Álvaro Guerrero), trotz aller Bemühungen nicht abwenden kann. Dazwischen begibt sich der verwahrloste El Chivo (Emilio Echevarría) auf Spurensuche nach seiner früheren, fast vergessenen bürgerlichen Identität. Nach einer langen Haftstrafe verdingt sich der Ex-Guerillero und Hundenarr als Auftragskiller. Sein letzter Deal aber nimmt eine entscheidende Wendung, als er Octavios Kampfhund rettet und Kontakt zu seiner ahnungslosen Tochter aufzunehmen beginnt.

Gleich zu Beginn startet "Amores Perros" mit überaus rasantem Tempo. Entfesselte, ultra-bewegliche Handkamera und schnelle Schnitte erzeugen einen Sog, der das Geschehen und die Personen gewaltsam mit sich reißt. Keinem bleibt eine Chance zum Entrinnen. Wenn das Schicksal zuschlägt, dann unbarmherzig - und es macht zumindest hier keinen Unterschied zwischen Arm und Reich, Tier und Mensch.

Regisseur Alejandro Gonzàlez Iñárittu, der auch für Schnitt und Drehbuch verantwortlich zeichnet, spart nicht mit Gewalt und spektakulären Bildern: Hunde, die sich gegenseitig zerfleischen, die hochbezahlten Beine des Models als metalldurchbohrte Fleischmasse, schmierige Typen, die wie eine Mischung aus Gangsta-Rappern und Neopunks aussehen, und jede Menge Blut. Für eine Handvoll Dollar und im Namen der Liebe wird auf den "mean streets" von Mexico City geschlagen, geschossen und gemordet. Ein schmutziger Ort der Verdammnis: Verrat, Verlust und Enttäuschung sind an der Tagesordung, und um irgendwie weiterzukommen, betrügt jeder jeden. Hoffnung gibt es nur in Ansätzen.

Die tief pessimistische Weltsicht verpackt der Regie-Newcomer aus Mexiko in teils atemberaubende Ästhetik und clevere Dramaturgie. Visuell virtuos pendeln die drei Episoden zwischen verschiedenen Stilen (vom Musikvideo bis zum Kammerspiel) und sind geschickt ineinander verwoben. Immer wieder kreuzen sich die einzelnen Handlungsstränge und Personen, laufen parallel oder stoßen zusammen. Iñárittus Kunstgriffe und Zitate wirken nicht aufgesetzt, und auch wenn sich Köter zu MTV-kompatiblen mexikanischen Klängen ineinander verbeißen und Easy-Pop von "Titan" drohendes Unheil einläutet, ist der Film weit entfernt von seelenloser “Pulp Fiction"-Slickness. Davor bewahren ihn zahlreiche soziale Untertöne und lebendige, unpeinliche Charaktere.

Wenn "Amores Perros" gegen Ende vielleicht ein wenig die Luft auszugehen scheint, dann nur, weil er ungeeichte Zuseher mit etwas zaghaftem Optimismus versöhnen wollte. Alejandro Gonzàlez Iñárittu, der vorher nur Filmmusik, Werbe- und Videoclips produziert hat, erhielt für sein sensationelles Debüt mehrere Preise und enthusiastische Kritiken. Sein Film ist jedenfalls eines jener seltenen Kino-Prachtexemplare, die mit jedem Mal sehen dazugewinnen.

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