Klein Lara im Zombieland

Natürlich wieder höchst unterhaltsam, scheinen die Schieß- und Hüpfabenteuer von Lara Croft mittlerweile doch ziemlich ausgereizt. Ist "Tomb Raider - Die Chronik" die letzte Fortsetzung der berühmtesten Playstation-Spieleserie aller Zeiten?

Wir erinnern uns: Im letzten "Tomb Raider"-Spiel wurde Titelheldin und Silikonikone Lara Croft unter einstürzenden altägyptischen Ruinen begraben. Ob sie das überlebt hat, ist unbekannt; ihr einstiger Gönner und "TR4"-Widersacher Von Kroy gräbt nach wie vor in der Wüste nach ihrem Leichnam. Unterdessen findet auf Laras protzigem Anwesen eine Gedenkfeier samt Enthüllung einer überlebensgroßen Lara-Statue (mit gespreizten Beinen und gezogenen Pistolen, wie immer) statt. Danach setzen sich ein Pfaffe und zwei andere alte Freunde Laras in ihrem Anwesen zusammen und erzählen sich alte Geschichten aus Laras Leben.

Episode eins spielt in Rom und führt uns bis in die Katakomben des Kolosseums. Danach taucht der dicklippige Rotschopf in vereisten Nordmeeren nach dem "Speer des Schicksals", einem mächtigen christlichen Artefakt. Anschließend sehen wir Klein-Zöpfchen-Lara wieder, wie sie sich heimlich auf eine finstere Insel stiehlt, um einem Zombie-Geist sein gestohlenes Herz zurückzubringen. Und am Ende hechtet Karate-Lara im "Matrix"-Outfit durch einen High-Tech-Wolkenkratzer.

Die Leveldesigns sind wie gewohnt recht abwechslungsreich; das Gameplay ist spannend und flüssig wie immer. Die Spielfigur beherrscht ein paar neue Moves; die Rätsel haben ebenfalls die gewohnte Intensität und Logik. Trotz der Vertrautheit fast aller Elemente im Spiel hat man nie das Gefühl, einer Wiederholung früherer Höhepunkte beiwohnen zu müssen; zu einfallsreich sind die Details im Ablauf der neuen Levels. Ein wirklich tadelloses Spielvergnügen - wie jedes Jahr zu Weihnachten.

Bei aller Klasse muß jedoch gesagt werden, daß der Reiz insofern abzunehmen scheint, als man rein vom Spielprinzip her keine wirklichen Überraschungen mehr erwarten kann. Die Programmierer von Eidos haben in den letzen fünf Jahren wirklich alles aus der Engine herausgeholt. Doch jetzt gibt es eine neue Playstation - und eine simple Übertragung des "Tomb Raider"-Universums auf die PS2, wo dann wie auf PC und Dreamcast bloß eine etwas bessere Graphik herrschen würde, wäre kein Grund zum Jubeln. Lara Croft als Figur an sich ist zwar weltberühmt, aber voller Mängel. Längst hätte z. B. eine männliche Figur als Alternative (bzw. als Partner) eingeführt werden müssen - hier liegt seit langem ein offensichtlicher schwerer Marketing-Fehler vor. Denn von der Prominenz der Croft hätte auch ein männlicher Pixel-Mitstreiter sehr profitieren können, und wahrscheinlich hätte die Spielserie dann auch noch entscheidend mehr weibliche Spieler gefunden.

Außerdem hat sich Lara Croft binnen fünf Jahren überhaupt nicht verändert und ist daher nicht mehr zeitgemäß. Wirkliche, moderne Charaktere ändern sich in fünf Jahren gewöhnlich stark; sie denken und reden und kleiden sich völlig anders. Bei Lara Croft hat man den Eindruck, daß sie eine Art Barbiepuppe ist, für die jedes Jahr ein paar neue Kostümchen und Erlebniswelten erfunden und verkauft werden. Und natürlich reden alle Spielfiguren wieder in den üblichen Einfältigkeiten, was vor allem der deutschen Version zu befremdlicher Unnatürlichkeit verhilft.

Ein würdiges "Tomb Raider"-Nachfolgespiel für die PS2 müßte auf jeden Fall eine neue Lara Croft einführen. Wie wäre es etwa mit Laras Tochter? (Die könnte z. B. mit dem dicken Franzosen aus Teil vier gezeugt worden sein.) Und dazu bräuchte es definitiv einen "Son of Croft", also den Bruder von Lara II. (Hierfür böte sich Hinkebein Von Kroy als Vater an). Das Styling der Figuren sollte sich am Angebot kontemporärer Modezeitschriften orientieren - aus Kooperationsverträgen mit z. B. H&M oder Gaultier ließe sich Geld melken. Es bräuchte selbstverständlich auch eine neue Frisur (für beide Figuren). Außerdem sollte unbedingt in gute, erfahrene Story- und Dialogschreiber investiert werden, und auch die Übersetzer für die deutsche Version sollten besser bezahlt werden. Wenn schon Karate, dann sollte es einen richtigen Kampfmodus geben, wo der Spieler die Attacken steuern muß. Und vielleicht sollten die Brüste von Lara Croft II. auf nicht gesundheitsschädliche Größe reduziert werden. Wenn wir schon dabei sind: Macht aus Neo-Laras Bruder (der könnte z. B. Lazarus heißen) bloß kein stupides Anabolikamonster. Er sollte möglichst komplett von einem schwulen Designer konzipiert werden - die haben für gewöhnlich den besseren Geschmack.

Na ja, jetzt gibt´s erstmal einen Film mit Angelina Jolie als Lara Croft. Das kann ja heiter werden.

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verspäteter Kommentar zu Deinem
(??, 22.03.2003 00:49)



Ganz oben: Lara Croft als Denkmal. Oben: Im Leder-Bodysuit durch einen
SciFi-Wolkenkratzer. Mitte: Die Croft beim Go-go-Tanzen an der Stange. Unten: Larachen auf der Geisterinsel. Ganz unten: Balanceakt in den Innenhöfen von Rom.