Singendes Gemälde

Nicht mehr ganz neu, aber trotzdem entdeckenswert: Meret Beckers zweites Album "Nachtmahr", auf dem die deutsche Schauspielerin mit poetischen Eigenkompositionen und musikalischen Überraschungen aufwartet.

Obgleich die musikalischen Outings singender Schauspielerinnen für gewöhnlich eher der Kategorie "entbehrlich" zuzuordnen sind, läßt sich diese Regel nicht auf den letzten Release der deutschen Schauspielerin Meret Becker ("Rossini", "Das Versprechen", "Comedian Harmonists") anwenden. Widmete sich die Lady auf ihrer ersten CD "Noctambule" noch der Reinterpretation von Hollaender-Liedern, Brecht/Weill-Chansons und traditionellem deutschen Liedgut, so präsentiert sie uns auf ihrem zweiten Werk "Nachtmahr" ausschließlich Eigenkompositionen.

Inspiriert durch literarische Vorbilder wie Lewis Caroll und Erich Kästner, beschreitet "Nachtmahr" (gemäß seinem Titel) thematisch den schmalen Grat zwischen Traum und Wirklichkeit und erforscht vorwiegend hypnotisch-alpdruckhafte Stimmungen. Die von Beckers Ehemann, Produzent und Gitarrist Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten) gestützte Konzeption erfährt durch atonale Streichersätze, Gebärmuttergeräusche, SciFi-Effekte, Kirmesorgeln, Glockenspiele, barocke Kammermusik und singende Sägen eine musikalische Untermauerung, die ziemlich eindringlich zum Generalangriff auf unser Zentralnervensystem ansetzt und kaum Zweifel an der Ernst- und Kunsthaftigkeit des Albums läßt.

Trotz einer gewissen Sperrigkeit wird "Nachtmahr" jedoch niemals unzugänglich. Als wichtigstes Manko des Albums muß man allerdings die relative gleichförmige und sich ständig wiederholende stimmliche Umsetzung anführen. Obwohl uns Becker auf "Prise de tete" und "Bobinke" ihre (durchaus vorhandenen) vokalen Qualitäten recht eindrucksvoll demonstriert, verbleibt sie beim Großteil der restlichen Stücke bei der von ihr bevorzugten "Kleinmädchen-" respektive "lasziv gehauchten Erzählstimme". Schade, weil zu eintönig.

Glücklicherweise vermag "Nachtmahr" abgesehen davon eine gewisse Spannungskurve aufrechtzuerhalten - ob es sich nun um erfreuliche Features wie etwa Schauspieler Otto Sander als Erzählstimme auf "Die Ballade des kleinen Meretlein" oder interessante musikalische Synergien wie etwa die jazzbasierte Rhythmusgruppe in Verbindung mit jiddischen Folklorestreichern und französischem Chanson-Gesang auf "Prise de Tete" handelt.

Resümee: zur stilvollen Untermalung kaltklarer Winterabende im wohltemperierten Wohnzimmer bestens geeignet.

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