Düstere Aussichten

Gefangen in einer magischen Kuppel, die jedem Lebewesen das Verlassen des Gebiets unmöglich macht, schuften Strafgefangene in Minen, um Erz für die Armee des Königs ans Tageslicht zu fördern, das dringend für den Krieg gegen die Orks gebraucht wird. Eines Morgens wird ein neuer Verurteilter in das Lager geworfen, um den Rest seines Lebens damit zu verbringen, im Bergwerk dahinzuvegetieren.

In "Gothic" übernimmt der Spieler die Rolle eben dieses Strafgefangenen. Es stellt sich schnell heraus, daß innerhalb der Kuppel, die seltsamerweise im Laufe der Jahre gewachsen ist und bei ihrer Erschaffung dummerweise auch einige königliche Magier, die an ihrer Entstehung beteiligt waren, verschluckt hat, drei Hauptgruppen das Sagen haben. Da wäre zum ersten das Alte Lager, in dem Strafgefangene Erz fördern und es gegen Waren aus dem Königreich eintauschen. Weiter im Westen liegt das Neue Lager, in dem eine Gruppe Strafgefangener und Magier zusammenarbeiten, um einen Weg zu finden, die Kuppel zu verlassen. Und schließlich gibt´s noch die Bruderschaft, die eine im ganzen Königreich unbekannte Art von Magie besitzt. Je nachdem, welcher Gruppe man sich anschließt, nimmt die Handlung einen anderen Verlauf, um letztendlich in einem großen Finale zu enden.

"Gothic" bietet dem Spieler eine unheimliche Anzahl von Möglichkeiten, die es sonst nur in Online-Spielen wie "Ultima Online" oder dergleichen gibt. Je nach Zugehörigkeit können einem die verschiedenen Gruppen unterschiedliche Fertigkeiten und Talente beibringen, ohne die das Überleben in der Strafkolonie fast unmöglich wird. Beim Erlernen neuer Fähigkeiten sind jedoch nicht nur die eigenen Lernpunkte von Bedeutung. Die meisten Lehrer verlangen für ihre Dienste horrende Mengen an Erz und anderen Waren, die man im Lauf des Spiels erst verdienen muß. Durch die Abgeschlossenheit der Kuppel ergeben sich natürlich Engpässe bei manchen Waren, und so sollte man stets überlegen, welche Fähigkeiten man auch wirklich braucht, um nicht kostbares Erz für nutzlose Talente zu verschwenden, während man später etwas Wichtiges nicht lernen kann, weil im Moment nicht genug Erz zur Verfügung steht.

Ein weiteres herausragendes Feature von "Gothic" ist die Künstliche Intelligenz der diversen Computergegner. Während die handelsüblichen kleinen Feinde wie Kobolde und Goblins einzeln keine Bedrohung sind, gibt ihnen die teuflische KI des Spiels wahre Macht. So rufen unterlegene Gegner zum Beispiel nach Hilfe durch Kameraden oder flüchten scheinbar wahllos. Macht man nun den Fehler, sie zu verfolgen, stellt man mit Erstaunen fest, daß man in eine perfekte Falle gelaufen ist und nun einer wahren Horde von Gegnern gegenübersteht, gegen die man nur schwerlich bestehen kann.

Neben den Fähigkeiten als Kämpfer steht einem natürlich auch eine Karriere als Magier offen. Dazu muß man sich von einer der Magiergruppen in der Kuppel als Nachwuchszauberer anheuern lassen und diverse Aufträge erfüllen. Im Laufe der Zeit erhält man nun die Möglichkeit, neue Zaubersprüche zu erlernen, um nicht mehr auf die maßlos überteuerten Einmal-Schriftrollen angewiesen zu sein.

"Gothic" besticht durch technische Brillanz. Die 3D-Graphik ist vom absolut Feinsten, und nur sehr selten tauchen kleine Graphikfehler auf. Die Figuren sind perfekt gerendert und animiert. Vor allem an den - Gott sei Dank häufigen - Kampfszenen kann man sich gar nicht satt sehen. Die Landschaften sind abwechslungsreich, stimmungsvoll und überzeugen durch viele liebevolle Details, die viel zur düsteren und teilweise recht makabren Atmosphäre des Spiels beitragen. Der "Gothic"-Sound ist ebenfalls von allerbester Qualität und kommt glasklar aus den Boxen. Musik und Sound-Effekte sind meist perfekt an die jeweilige Szene angepaßt und tragen somit ihren Teil zur hervorragenden Stimmung bei. Selbst das Voice Acting, bei deutschen Spielen normalerweise immer ein Schwachpunkt, überzeugt durch intelligente Texte und stimmungsvolle Sprecher.

Die ganze Pracht hat natürlich auch ihren Preis. Die Rechneranforderungen von "Gothic" sind zwar verständlich, aber trotzdem wohl deutlich über dem Durchschnitt der heutigen Spiele-PCs. Mit einem 400-MHz-Prozessor und einer 16-MB-Graphikkarte ist man zwar dabei, erfüllt aber gerade mal die Mindestanforderungen. Um das RPG vernünftig spielen zu können, sollte schon ein High-End-PC (mehr als 800 MHz, 256 MB RAM und mind. eine 32-MB-Graphikkarte) zur Verfügung stehen.

Fazit: "Gothic" ist das 3D-Rollenspiel, an dem sich die Konkurrenz in Zukunft messen lassen muß. Die einzige direkte Konkurrenz auf dem Markt ist "Ultima 9" - und das Origin-Spiel kann in keiner Weise mit dem deutschen Produkt mithalten. Also: Rechner aufrüsten (falls notwendig), "Gothic" kaufen und eintauchen in die genial-düstere Welt des Königreichs Myrtana.

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