Smells Like Rave Spirit

"The Weekend has landed" lautet der Untertitel zum Film. Und tatsächlich ist es der drogengeschwängerte, pseudoexzessive Fluchtpunkt aus der langweiligen Alltagsbanalität - oder wovor eigentlich? Auch ein visuell überbordender Episoden-Clip kann Längen haben.

Um eines gleich vorwegzunehmen: Natürlich erinnert "Human Traffic" an "Trainspotting", und die Anfangssequenz, in der die fünf jugendlichen Protagonisten vorgestellt werden, ist reichlich abgekupfert. Trotzdem schlägt der damals erst 25jährige Regisseur eine andere Richtung ein: Sein in England ziemlich abgefeiertes Werk porträtiert nämlich keine Randgruppe, sondern die eher durchschnittlichen Party-People, deren Existenz erst am Wochenende so etwas wie einen Anflug von Sinn erhält.

Während der restlichen Tage fristen die fünf Freunde in ihren McJobs als Platten-, Klamotten- und Fast-Food-Verkäufer ein naturgemäß frustrierendes Leben. Die Familie ist, falls vorhanden, eine unverständliche Spezies aus Nervtötern. Was die fünf aus unterschiedlichen Klassen kommende Clique vereint, sind derselbe Drogen- und Musikgeschmack. Ein Samstag im Cardiffer In-Club "The Asylum" ist der vorprogrammierte Höhepunkt ihres Lebens. Jip (John Simm), Lulu (Lorraine Pilkington), Koop (Shaun Parkes), Nina (Nicola Reynolds) und Moff (Danny Dyer) zelebrieren hier ihr Ausgehritual prototypisch vor: sich aufstylen, vorher ins Pub zur alkoholmäßigen Einstimmung, dann im Club Ecstasy, Musik, ein wenig tanzen, frühmorgens die private After-Hour-Party mit noch mehr Drogen und noch mehr Musik, anschließend im Glücksfall ein wenig Sex. Dazwischen Allerwelts- und Befindlichkeits-Small-Talk.

Das ist die Klammer für die episodenhafte "Nicht-Story" des Films. Denn eines ist klar: Wo es keine Ereignisse gibt, wie bei diesen fünf, gibt es auch keine Geschichte zu erzählen. Und ihrer eigenen Ereignislosigkeit sind sich die handelnden Personen überdeutlich bewußt - ebenso wie ihrer Störungen oder Fake-Beziehungen. Hier ist die wahre Leere, die sich weder um Geschichte, Vergangenheit oder Zukunft schert oder sich mit unnötigen Sinnfragen, Bedeutungssuche oder Reflexionen aufhält. Das Ziel ist der hedonistische Eskapismus. Zwei, drei Momente das Gefühl einer Pseudo-Unity zu haben, reichen schon aus, denn Authentizität ist ohnehin nur noch eine lächerliche Worthülse. Um nicht falsch verstanden zu werden - Justin Kerrigan verhandelt diese Beobachtung des Ist-Zustands der Rave-Generation erfreulicherweise sehr moralinfrei. Im Gegenteil: Selbst die nihilistische Attitüde per se ist schon wieder lächerlich.

Ganz im Sinne der reinen Oberfläche ist das Aufregende an "Human Traffic" die optische Aufbereitung: ein bunter, kaleidoskopartiger Mix aus knalligen Farben, bewegter Kamera, Sound und einer Unzahl stilistischer Mätzchen versucht die Wahrnehmungsverzerrungen, Hirngespinste und das Außenweltgeschehen in grotesker und rasanter Überzeichnung nachzustellen. Das Jobben im Fast-Food-Laden wird zum Electro-Boogie, Jungle im Plattenladen und ein Zitatenschatz aus Musical, bekanntem Filmsurrealismus und Video-Clip-Ästhetik liefern weitere Anreize. Sehr gelungen sind die Dialogfetzen, die wie ein Musiktrack montiert sind. Das ist Vor- und Nachteil zugleich, denn die Episoden schwanken qualitativ beträchtlich von brillant bis ziemlich daneben. Und je nach körperlich-geistiger Verfassung kann der überbordende visuelle Einfallsreichtum im Verlauf immer mehr nerven. Ähnlich wie die Die-Hard-Clubber, die raven, als gäbe es kein Morgen, packt Kerrigan hier anscheinend alles hinein, als dürfe er nie wieder einen Film drehen. Obwohl auch dieser Regisseur beweist, daß formale Innovationen in letzter Zeit ausschließlich aus Europa kommen, wäre weniger mehr gewesen.

Der größte Minuspunkt des Films: Er kommt eindeutig zu spät und läuft wahrscheinlich nur im Gefolge des neuen Drogenfilm-Hypes bei uns an. Da sind einige Meisterwerke zu erwarten; "Human Traffic" ist es trotz unbestrittener Qualtiäten und Amüsements nicht ganz. Trotzdem erweist sich der Streifen als ein gut beobachtetes Stimmungsbild der britischen Fun-Generation. Für deren relativ schadloses Aufwachen am nächsten Morgen sorgen auch die Musik (natürlich als Soundtrack erhältlich) und das Mitwirken klingender Namen: Rob Mello und House-Genie Matthew Herbert kreierten die Originalmusik, und Star-DJ Carl Cox ist in einer Nebenrolle als Pablo Nassam zu sehen. Der Rest ist strictly (altersbedingte) Geschmackssache.

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