Gefühl, Härte, Oslo und L.A.

Die Nachfolgeband der stets unterschätzen Seigmen aus Norwegen debütiert mit einem sowohl in Europa als auch in Amerika voll wettbewerbsfähigen Electro-Rock-Album, das Kritikern des Genres überzeugend vorführt, daß man solche Musik auch ohne Klischees spielen kann.

Bis vor zwei Jahren galt der Sänger Kim Ljung nur innerhalb der Gothic-Szene als Geheimtip, obwohl sich seine Vokalleistungen schon vorher durchaus mit "großen Pop-Stimmen" wie Thom Yorke oder Dave Gahan messen lassen konnten. Atmosphärische Songs, die in einem Spektrum von äußerster Melancholie bis zu selbstzerstörerischer Traurigkeit (ja, tatsächlich so weit!) lagen, machten seine Band Seigmen zumindest in Skandinavien sehr erfolgreich. 1998 kam dann der Punkt, an dem die Band genug vom reinen Weltschmerz hatte und sich neuen Einflüssen zu öffnen begann.

Das aus dieser Entwicklung hervorgegangene Album "Clone Your Lover" umfaßt zehn Songs, die stilistisch nahe an die Elite des amerikanischen Industrial-Rock heranreichen. Dabei vereinigen die Norweger die Poppigkeit von Gravity Kills mit dem Experimentalismus eines Trent Reznor, um am Ende so düster zu klingen wie Stabbing Westward. Eben deren großartige Melodien finden sich stellenweise auch auf Zeromancers Debüt - wobei die doppeldeutige Formulierung durchaus beabsichtigt ist; schließlich fragt man sich beim Hören mehr als einmal, ab wann ein Einfluß zum bloßen Plagiat wird. Dennoch sollte die Anlehnung an gute Bands kein Makel sein, zumal die Norweger ihren Songs auch eine eigene Note verleihen.

"Clone Your Lover" hat mindestens drei potentielle Hits zu bieten (neben dem überragenden, äußerst tanzbaren Titelsong noch "Flagellation" und "Houses of Cards"), die in Zeiten, wo härtere Gitarren selbst im Privatradio salonfähig sind, Zeromancer zum kommerziellen Durchbruch verhelfen könnten. Das Album ist in Los Angeles sehr modern und gut produziert worden; allzu innovative Stellen vermißt man allerdings während der knapp 40 Minuten, die "Clone Your Lover" zu bieten hat. Trotzdem sollte man die Band im Auge behalten - gerade als Live-Act dürfte sie ihr Potential noch um einiges besser ausspielen können.

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