Wuchtelismo & die Folgen

Ein fundierter (Ein)blick in die Welt, in der es um Goals & sonst nix geht; Massenvergnügen im Clinch mit der einzigen Spannung, die für viele geblieben ist - Fußball, um zu vergessen... Eduardo Galeano verabreicht in "Der Ball ist rund" die schönste (und bekömmlichste) Medizin, die je auf die Menschheit losgelassen wurde.

Daß "Der Ball ist rund" nicht irgendein x-beliebiges Fußballbuch eines Pseudo-Intellektuellen ist, soll gleich von vornherein klargestellt werden. Zu viele Schreiber(wider)linge beschäftigen sich damit, den Senf der Sportreporter zu anspruchsvollen Häppchen zu gestalten, die von der Fußball-Passiv-Intelligenzia liebend gern konsumiert werden und zumeist dem inzwischen vielerorts zu Angestellten-Fußball verkommenen Kickerl nach dem Milchbart schmieren.

Eduardo Galeano wurde 1940 in Uruguay geboren, lebte zwischen 1976 und 1985 im spanischen Exil (der Militärdiktatur in seiner Heimat ausweichend). Zu seinen bekanntesten Büchern zählen "Erinnerung an das Feuer" und "Die offenen Adern Lateinamerikas - Die Geschichte eines Kontinents" (Peter Hammer Verlag, 1973), das Standardwerk zur Geschichte Lateinamerikas. Beide bieten essentielles Material zum Erkennen der widerlichen Fratze des Neoliberalismus respektive der multinationalen Moloche, die - wie gehabt - die Rohstoffe aus Lateinamerika plündern.

Aber wir wollen an dieser Stelle von der Wuchtel, der Frucht, dem Laberl, der Lutschn etc. sprechen. "Der Ball ist rund" beschäftigt sich nebst Fußballweltmeisterschaften (herrlichste Anekdoten!) in bestechender Sprachwahl mit solch illustren Themen wie wandelnder Werbung, dem Einfluß der FIFA (laut Galeano der mächtigste Konzern der Welt-KUGEL), Ursprüngen sowie unglücklichen (internationalen) Verknüpfungen, ausgelöst durch die Allmacht des Fußballs - und wir reden hier nicht von irgendwelchen Hinterhofvereinen, wie sie die derzeitige österreichische Bundesliga (AUSNAHMSLOS!!!! Stronachs Nightmare Haberers, Vol. 1) beheimatet!

Der Schwerpunkt von Galeanos Berichterstattung liegt selbstredend im spanischen/lateinamerikanischen Raum, und das ist gut so. Hier wird von den zwei Journalisten in Bosnien erzählt, die mit dem Leben davonkamen, weil sie aus Mexiko stammten und mit Hugo Sanchez auf Tod und Verderben verbunden waren; aber auch von der 1943 komplett ermordeten russischen Mannschaft, die es wagte, die teutonischen Besetzer zu schlagen. Der Autor wirft einen ausführlichen Blick auf Neapel, die FANatischste Fußballmetropole dieses Planeten, erinnert an die ersten Sport-Hooligans, die bereits im Jahr des Herrn 512 auftauchten (bei Straßenkämpfen, ausgelöst von rivialisierenden Wagenrennen-Fans), schreibt über die UNGLAUBLICH LEGENDÄREN Goooooooooals, die durch die runde Sprache Eduardos neu erlebt werden können, und die wirklich Großen des Wuchtelismo.

Gespickt wird dieses Bändchen von unzähligen minimalen Silhouetten, die die Stories um die heilige Frucht begleiten. Zitat aus dem Klappentext: "Galeano beschreibt intelligent und berauscht zugleich, was die Welt im Innersten zusammenhält - die heiße Luft im Ball." Schön gebrüllt, lieber unbekannter "Zeit"-Kritiker. Und ja, genau um das geht´s doch wohl...

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Über den Autor:
Eduardo Galeano, 1940 in Montevideo geboren, ist Historiker, Journalist und Schriftsteller.