Leben und Fernsehen in L. A.

Ungläubig starrt man auf das Display des DVD-Players. Exakt drei Stunden sind vergangen, seit der Film begonnen hat. Paul Thomas Anderson schafft es, die Zuschauer in seinen Bann zu ziehen und sie nicht mehr loszulassen - und dies trotz Zwangseindeutschung wegen nicht ausblendbarer Untertitel in der englischen Version.

An einem bewölkten Tag im San Fernando Valley kreuzen sich die Wege von neun Menschen. Frank TJ Mackey (Tom Cruise) erzieht Männer zu richtigen Casanovas. Sein "Respektiert den Schwanz und zähmt die Fotze"-Programm soll aus versagenden Softies harte Kerle machen. Zwischendurch gibt er ein Interview mit einer lästigen Journalistin, die Informationen über seine Familie und Kindheit aus ihm herauspressen will. Sein Vater Earl, der Medienmogul, liegt inzwischen in seiner Villa auf dem Sterbebett. Der Lungenkrebs tötet ihn langsam und hat aus dem einst mächtigen Mann ein Wrack gemacht. Während Earls Pfleger (Philip Seymour Hoffman) verzweifelt versucht, dem Chef seinen letzten Wunsch zu erfüllen und seinen Sohn zu finden, erkennt die geldgeile, medikamentensüchtige Ehefrau (Julianne Moore) erst viel zu spät, was wahre Liebe ist.

Nicht weit davon entfernt macht sich das Wunderkind Stanley (Jeremy Blackman) unter dem Druck seines ewig bankrotten Vaters daran, den bisherigen Rekord in der Gameshow "Was wissen Kinder?" zu brechen. Während Stanley eigentlich nur aufs Klo will, verliert das ehemalige Champion-Quiz-Kid Donnie Smith (William H. Macy) seinen Job in einem Elektronik-Shop. Seinen Kummer ertränkt er in der Bar, in der sein Schwarm - ein fescher Barkeeper - jobbt. Blöderweise ist dieser aber mit einem reichen älteren Semester fest verbandelt.

Der Moderator von "Was wissen Kinder?", Jimmy Gator (Philip Baker Hall), ist ebenfalls ein vom Tod gezeichneter Mann. In den wenigen Monaten, die ihm noch bleiben, will er unbedingt das gestörte Verhältnis zu seiner Tochter (Melora Walters) wieder kitten. Doch die drogensüchtige Kokserin will davon nichts wissen; schließlich hat sie genug eigene Probleme. Da wäre zum Beispiel der naive, aber herzensgute Cop Jim Kurring (John C. Reilly), der eines Tages vor ihrer Tür steht, als sie wieder einmal die Musik zu laut aufgedreht hat. Liebe auf den ersten Blick - doch zwischen einer Kokserin und einem Polizisten kann sowas nicht gut gehen, zumindest ihrer Ansicht nach.

Mit einem genialen Script und viel Liebe zum Detail schafft Regisseur Paul Thomas Anderson ("Boogie Nights") ein Meisterwerk, in dem auch die Besetzung perfekt harmoniert. Überraschenderweise zeigt Tom Cruise endlich richtiges schauspielerisches Talent und kann als "Seduce and Destroy"-Guru erstmals wirklich in einer Hauptrolle überzeugen.

Die DVD ist bestens ausgestattet (u. a. mit einem "Making of", TV-Spots, einem Trailer und einem "Seduce and Destroy"-Seminar und -TV-Spot); Ton und Bild sind ebenfalls erstklassig. Der einzige kapitale Wermutstropfen ist die Tatsache, daß die deutschen Untertitel in der englischen Fassung wieder einmal nicht ausgeblendet werden können.

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