Es war einmal...

...ein heldenhafter Jüngling auf der Suche nach Ruhm und Ehre. Bis hierhin kennt man Geschichten dieser Art und weiß, daß der Held dabei häufig auch noch die Prinzessin inklusive Königreich abbekommt. Sean Stewart verrät uns jetzt, wie es mit solchen Märchen in der "Realität" aussieht.

Wir alle haben sie in unserer Kindheit gehört, jene Gutenachtgeschichten, in denen man gemeinen Königinnen, Hexen und natürlich auch wackeren Recken begegnet, die scheinbar nichts Besseres zu tun haben, als das Böse zu bekämpfen, um danach die adelige Frau ihrer Träume zu ehelichen und mit ihr bis ans Ende ihrer Tage glücklich zu leben. Tja, so funktionierten Märchen eben früher: Ende gut, alles gut. Bei Sean Stewarts neuem Jugendroman "Der schwarze Dolch" ist das allerdings ganz anders.

Schützer Mark ist Niemands Sohn, ein schlichter Bauernlümmel, der kurzerhand beschließt, zum Helden geboren zu sein. Um sich diesen glorreichen Status zu sichern, macht er sich auf die Reise zur Roten Festung und durchquert dabei den sagenumwobenen Gespensterwald, der schon vielen gefeierten Helden das Leben gekostet hat. Wo viele geübte Kämpfer jedoch scheiterten, gelingt ihm das schier Unmögliche. Er befreit die verwunschene Festung von ihrem Bann, stibitzt den schwarzen Dolch sowie das Zauberschwert "Sanftmut" und reitet schnurstracks zum König, um den versprochenen Lohn einzufordern. Doch statt mit Jubel und Begeisterung empfangen zu werden, stößt er auf Intrigen, Intrigen und nochmals Intrigen - kurz gesagt, Politik. Auch mit der abenteuerlustigen Prinzessin läuft es anders, als er sich das vorgestellt hat, denn die will von ihm nichts wissen. Zu allem Übel hat der junge Mann durch seine Tat auch noch ein paar übellaunige alte Geister zum Leben erweckt und begreift allmählich, was es wirklich bedeutet, ein Held zu sein - nämlich nichts als Ärger.

Mit "Der schwarze Dolch" führt Stewart das Märchen ins neue Jahrtausend und verpaßt der leicht verstaubten Gattung mühelos ein modernes Outfit. Wie schon zuvor bei seinem Roman "Nachtwache" spielen auch hier Magie und Legenden eine große Rolle, und man begegnet manch alter Hexe sowie dem ein oder anderem Schloßgespenst. Romantik, Spannung, Nervenkitzel und natürlich Spaß finden sich in dieser wunderbaren Geschichte rund um Mark und seine Freunde. Stewart spielt gekonnt mit dem Genre, persifliert es mit augenzwinkerndem Humor, rührt dazu noch ein wenig am althergebrachten Klischee-Eintopf und bringt ein paar zusätzliche, erquickend würzige Zutaten ins Spiel.

Obwohl "Der schwarze Dolch" offiziell als Jugendroman verkauft wird, sollte sich niemand zu alt dafür fühlen, noch einmal ins Reich der Sagen und Märchen einzutauchen und Mark auf seinen Wegen zu begleiten. Ein ganz besonderer Lesespaß für Jugendliche und solche, die es wieder werden wollen.

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Über den Autor:
Sean Stewart, Jahrgang 1965, ist eine der jüngsten und originellsten Stimmen der zeitgenössischen Phantastik. Seine Romane wurden mit begehrten Genre-Preisen wie dem Aurora Award und dem Arthus Ellis Award ausgezeichnet und werden in einem Atemzug mit denen von Le Guin und Tolkien genannt. Sean Stewart lebt mit Frau und zwei Töchtern in Houston, Texas.