Vom Weltschmerz gebeutelt

Auf sein neuestes Buch "Miss Wyoming" angesprochen, zitiert Douglas Coupland den Pop-art-Erfinder Andy Warhol, der einmal meinte, daß Reiche viel interessantere Probleme hätten als Arme. Da hat er nicht ganz unrecht. Ohne materielle Sorgen kann sich der Weltschmerz, den die Franzosen zur vor 100 Jahren unter dem Namen "Ennui" literarisch verarbeiteten, erst so richtig schön entfalten.

Eben dieser Weltschmerz hat auch die Protagonisten von "Miss Wyoming" gepackt und will sie nicht mehr loslassen. Dabei wendet sich Coupland, der in seinen bisherigen Büchern ("Generation X", "Shampoo Planet", "Life after God", "Mikrosklaven", "Amerikanische Polaroids" und "Girlfriend in a Coma") jeweils verschiedene Bevölkerungsgruppen behandelte, diesmal den Reichen und Schönen aus Hollywood zu. Diese haben gemäß dem Warholschen Postulat nicht nur die interessanteren Probleme; sondern der Mensch wurde auch - diesmal Douglas Coupland im O-Ton - "einfach nicht dafür geschaffen, überall von Mitgliedern seiner Spezies erkannt zu werden".

John Johnson, der erfolgreiche Action-Filmer, hat es generell satt, "ich zu sein". Also läßt er sich in "Dot" umbenennen - weniger als einen Punkt, die Minimalversion eines graphischen Zeichens, wollen die Behörden als Namen nämlich nicht anerkennen -, versucht seine Staatsbürgerschaft niederzulegen und wandert als Landstreicher durch die Staaten. Der Sandlerkitsch à la Jack Kerouac kostet ihn fast das Leben und sein gesamtes Vermögen. Im Krankenhaus sieht der rekonvaleszente Johnson eine Folge der Seifenoper "The Blooms" mit Susan Colgate, der "Miss Wyoming" des Titels, in einer der Hauptrollen.

Fortan wird die junge Dame zu einer fixen Idee im Kopf des Regisseurs, zumal sie eine ganz ähnliche Biographie aufzuweisen hat wie er. Nach einem Flugzeugabsturz, den sie als einzige überlebt, verschwindet sie für ein Jahr - vermeintlich tot - aus der Öffentlichkeit. Diese Zeitspanne nützt sie immerhin dazu, sich einen alternden Liebhaber zu halten und ein Kind zu zeugen. Irgendwann taucht sie wieder auf und verkauft ihre Geschichte, diesmal aus purer finanzieller Notwendigkeit.

Das Fazit der beiden mißglückten Helden: Letztlich kann man doch nicht über seinen eigenen Schatten springen. Oder, wie John Johnson es ausdrückt: "Ich habe aus Mülltonnen gegessen. Ich habe unter Brücken geschlafen. Ich bin durch den Südwesten gezogen, habe Parodontose gekriegt, meine Haut wurde zu Schweinsleder, und ich hab verdammt noch mal nichts dabei gelernt." Die beiden haben sich nicht verändert, aber sie haben zumindest einander gefunden - und der Leser ein Buch, das durch den eigenwilligen Mix aus Rückblenden und verschiedenen Handlungssträngen eine recht kurzweilige Lektüre bietet.

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Über den Autor:
Douglas Coupland wurde 1961 in Kanada geboren. Praktisch über Nacht bekannt wurde er durch seinen Roman "Generation X" (1994), der das Lebensgefühl einer ganzen Generation zum Ausdruck brachte. Seither besinnt sich Coupland - neben seinen literarischen Veröffentlichungen - immer stärker auf Aktivitäten in den Bereichen Design und Bildhauerei. Neben einer Möbelkollektion hat er MTV-Spots sowie Werbung für Absolut Vodka entworfen. Im März machte er im Rahmen einer Lesereise Station in Wien.