Vampire im Managertraining

Alle Jahre wieder führt uns Fantasy-Bestsellerautor Terry Pratchett mit einem neuen Roman auf die Scheibenwelt. Das soeben erschienene "Ruhig Blut!" macht den Besuch dort aber leider nicht zum reinen Vergnügen...

Ironische Menschen (oder solche, die sich dafür halten) behaupten gern, der Umsatz von Terry Pratchetts Büchern würde etwa ein Achtel des britischen Bruttonationalprodukts ausmachen. Andere Leute (die gnädigerweise gar nicht wissen, was ein Bruttonationalprodukt ist) lesen und genießen Pratchetts "Scheibenwelt"-Romane - deren chronologisch zweiter, "Das Licht der Phantasie", 1989 als erster Band in deutscher Sprache erschien. Jahr um Jahr, regelmäßig wie ein Uhrwerk, wirft der Autor seither ein neues Buch aus seiner humoristischen Fantasy-Serie auf den Markt. Dazu gibt´s jede Menge Merchandise, bisher drei "Discworld"-Games und Pläne für Filme und TV-Serien. Und immer noch vergleicht ihn die Kritik mit Douglas Adams, obwohl der seit "Per Anhalter durch die Galaxis" kein anständiges Buch mehr geschrieben hat.

Aber genug der langen Rechtfertigung ("Na sowas, Sie lesen Fantasy! Würde mir nie einfallen!") - befassen wir uns lieber mit der Scheibenwelt: Die ist bekanntermaßen tatsächlich eine Scheibe (so wie unsere Welt angeblich nicht), die auf dem Rücken einer gigantischen Schildkröte, die wiederum von vier Elefanten getragen wird, durchs All gleitet. Auf ihr treiben sich neben "normalen" Menschen Zwerge, Riesen, Zauberer, Hexen, Prinzessinnen, Vampire und alle sonstigen Wesen und Rassen herum, die fixer Bestandteil der Genreliteratur sind. Sie alle haben einen - meist sympathischen - Hieb, werden vom Autor aber trotzdem liebevoll, glaubwürdig und sehr witzig beschrieben. Soll heißen: Die "Scheibenwelt"-Romane sind wirklich gut, und wer sie noch nicht kennt, sollte den Versuch wagen.

Wer sie aber von Anfang an gelesen hat (so wie der Autor dieser Zeilen), ist mit den letzten paar Folgen der Reihe nicht mehr ganz glücklich - was auch für das neue Werk "Ruhig Blut!" gilt. In den ersten Bänden parodierte Pratchett noch unbeschwert die Konventionen der Fantasy, schaffte auf jeder Seite mindestens zwei gute Gags und unterhielt mit einer Unmenge absurder Fußnoten. Und dann redete ihm die Kritik ein, daß er ein genialer Satiriker, ja eigentlich ein Philosoph sei - und er glaubte ihr scheinbar.

Daß Terry Pratchett die Scheibenwelt als Spiegel unseres Planeten mit seinen Absurditäten, Dummheiten und Bösartigkeiten verwendet, daß er mit ihren Bewohnern seine Mitmenschen mit all ihren zutiefst menschlichen Eigenschaften auf die Schaufel nimmt, ist durchaus legitim. Wenn er sich aber nun schon zum wiederholten Male mit "ernsten" Themen auseinandersetzt (Brauchen wir das Böse? Hat die organisierte Kirche noch etwas mit wahrem Glauben zu tun? etc.) und sich immer öfter auf etablierte Figuren - Zauberlehrling Rincewind, die drei Hexen, DEN TOD - verläßt, dann geht das doch etwas auf Kosten des Humors.

In "Ruhig Blut!" stehen eben wieder besagte Hexen im Mittelpunkt; dazu kommt eine Vampirfamilie, die sich mit Hilfe einer Aversionstherapie die Allergie gegen Knoblauch, Kreuze und Sonnenlicht abgewöhnt hat; und ein junger Priester namens Hilbert Himmelwärts, der im Kampf der Blutsauger gegen die Hexen sämtliche Dogmen sausen läßt, weil sie eh nicht greifen. Die Geschichte ist gut und fließend erzählt, spannend und manchmal tiefgründig, von Andreas Brandhorst in bewährter Qualität übersetzt, und läßt einen bis zur letzten Seite nicht los.

Das ist fein. Schade ist - siehe oben - halt nur, daß bei Pratchett das Woody-Allen-Syndrom zu konstatieren ist: Als man bei dessen Filmen noch brüllend lachen statt nur wissend schmunzeln konnte, waren sie einfach besser...

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Über den Autor:
Terry Pratchett, geboren 1948, verkaufte seine erste Geschichte im zarten Alter von dreizehn Jahren und ist heute einer der erfolgreichsten Fantasy-Autoren überhaupt. Neben Douglas Adams und Tom Sharpe gilt er als Großbritanniens scharfsinnigster und pointensicherster Komikspezialist. Er lebt mit seiner Frau Lyn und seiner Tochter Rhianna in Wiltshire.