Wissenschaftliche Ursprünge

Über sein Online-Forum "Edge" fragte John Brockman eine illustre Riege internationaler Gelehrter, welche Erfindung die Menschheit nach Christus am stärksten verändert hat. Die gesammelten Essays dazu sind nun auf deutsch erschienen.

Eines muß man John Brockman lassen: seine Website ist eine geniale Idee. Die hellsten Köpfe der Welt in einem Online-Forum zusammenzubringen, damit sie ihre spekulativsten Gedanken und Ideen zur Menschheit und ihrer Zukunft austauschen - eine derart hochklassige Bereicherung des Web um sinnvollen Inhalt soll man ihm erst einmal nachmachen. "Edge" heißt das von Brockman 1997 ins Leben gerufene Forum für interdisziplinären wissenschaftlichen Austausch auf höchstem Niveau. Derzeit wird dort im Bereich "The World Question" nach prominenten Antworten auf die Frage "What is today´s most important unreported story?" gefahndet. Wir können uns also auf ein demnächst erscheinendes Buch zu diesem nicht unbrisanten Thema freuen.

Einstweilen dürfen wir mit den Antworten internationaler Wissenschaftler und Philosophen auf die Frage "Was war die wichtigste Erfindung der letzten 2000 Jahre?" vorlieb nehmen. Als Essaysammlung mit zusätzlichen Originalbeiträgen europäischer Wissenschaftler nun auch in deutscher Sprache erschienen, ergeben sie ein hochinteressantes Lesebuch mit vielen meist nur einseitigen Kapiteln, geschrieben u. a. von Marvin Minsky, Howard Rheingold, Douglas Rushkoff oder Sherry Turkle. Der Großteil der Beiträge stammt allerdings von weniger prominenten Autoren, die dafür zentrale Posten in der tonangebenden wissenschaftlichen Struktur unseres Planeten einnehmen.

Jeder der Autoren nominiert seinen persönlichen Favouriten als wichtigste Erfindung, begründet seine Wahl mehr oder weniger ausführlich und gibt kurz darüber Auskunft, wer er ist und was er tut bzw. getan hat. Einzelne Nominierungen häufen sich bei obligaten Dingen wie Antibabypille, Buchdruck, Computer und Infinitesimalrechnung - mit Gutenberg als eindeutigem Sieger. Die Ausführungen zu Erfindungen wie dem Alphabet, der Ablehnung des Übernatürlichen, der Elektrizität, des Lichts, der Motoren, der Gentechnologie, des Pflugs, der sozialen Gerechtigkeit oder der Wasserversorgung sind wahrscheinlich noch interessanter, weil nicht so selbstverständlich. Zusammen bieten die Beiträge jedenfalls einen vielsagenden Blick auf die Wirkungen all dieser Erfindungen und darauf, was durch sie in welcher Weise verändert wurde und welche Aspekte unseres Lebens auf sie zurückzuführen sind.

Nicht alle Essays sind besonders interessant, manche recht subjektiv und von Begeisterung in die Länge gezogen. Der Großteil allerdings liest sich locker und bietet doch zumindest eine Auffrischung von bereits Erkanntem. Ein nettes, kluges Buch, mit dem sich entspannt die Freizeit verbringen oder die lästige Wartezeit zwischen Terminen überbrücken läßt.

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Über den Herausgeber:
John Brockman ist Literaturagent und Autor zahlreicher Sachbücher. 1997 hat er die Web-Seite "Edge" ins Leben gerufen, um angesehene Wissenschaftler und Philosophen miteinander ins Gespräch zu bringen. Sein Buch "Die dritte Kultur. Das Weltbild der modernen Naturwissenschaft" ist 1996 auf deutsch erschienen.