Zwei Geschlechter sind nicht genug

Spätestens seit seiner Erfolgsserie "Transmetropolitan" ist Warren Ellis kein Geheimtip mehr. Jetzt beschert er uns mit "Stranger Kisses" einen Nachfolger zu seinem letztjährigen Horror-Comic "Strange Kiss" und lehrt wieder einmal eindrucksvoll das Fürchten.

John Weston, ein erfolgreicher Schauspieler auf dem Weg in die Politik, sucht einen erfahrenen Bodyguard, der ihn beim gestellten Kauf dubioser Videokassetten begleiten soll. Und da William Gravel, abtrünniges Mitlied des SAS (Special Air Service), wieder einmal arbeitslos ist, fällt ihm die Entscheidung, das Angebot von 200.000 $ für zwei Stunden Arbeit anzunehmen, nicht gerade schwer.

Weston wird während des Auftrags erschossen, doch Gravel kann mit einer Videokassette entkommen, auf der Frauen mit mehreren Geschlechtsteilen zu sehen sind - und mit der Gewißheit, so ziemlich das Abartigste seines Lebens gesehen zu haben. Im weiteren Verlauf der Handlung stößt der Ermittler auf die Herstellungssstätte der Videos, in der sich ein Operationssaal, haufenweise Akten und einige der Protagonisten befinden. Bei genauerer Durchsicht der Papiere muß er feststellen, daß prominente Persönlichkeiten und die Polizei zu den Kunden zählen. Letzere hat sich auch schon mit einem Großaufgebot rund um das Gebäude formiert und ist fest entschlossen, Gravel zu beseitigen. Doch aufgrund seiner Fähigkeiten als Kampfmagier gelingt ihm mit genügend Beweismaterial die Flucht.

Warren Ellis beschreibt "Stranger Kisses" selbst sehr treffend als ein Hongkong-Action-Movie mit einem Drehbuch von David Cronenberg. Hirn und Blut werden in brutalsten Kampfszenen verspritzt, diverse Körperteile fliegen durch die Luft, und bei Ballerorgien wird tonnenweise Munition verschossen. Alles ist in schlichtem Schwarzweiß gehalten und sehr detailliert dargestellt.

Wer glaubt, mit Ellis´ pessimistischer Sicht der Dinge vertraut zu sein, dem wird einmal mehr der wahre Horror vor Augen geführt. Heikle Themen - man denke nur an den Mythos von Snuff-Movies - werden angeschnitten; wobei man hier zum deprimierenden Schluß kommt: Wenn es einen Markt dafür gibt, warum sollte es die Dinger dann eigentlich nicht geben? Alles dreht sich um Luststeigerung durch immer absurder erscheinende Sexualpraktiken, die in der Züchtung von mehreren sonderbaren Geschlechtsteilen pro Person enden. Und das Szenario endet bei berühmten Persönlichkeiten, die haufenweise Dreck am Stecken haben und versuchen, sich mit viel Geld davon loszukaufen, um dann noch einflußreicher zu werden.

"Stranger Kisses" ist sicherlich eines der schockierendsten Comics von Ellis und für Fans des Action- und Horror-Genres unbedingt empfehlenswert. Auch wenn es inhaltlich um Dinge geht, die uns vielleicht genauso betreffen könnten - der Spaß beim Lesen kommt keinesfalls zu kurz.

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Oben: Agent Gravel in voller Aktion Unten: Nicht gerade appetitlich, aber in bester Horror-Tradition Ganz unten: Eine Dame mit einer sonderbaren Körperöffnung am Hals