Die Kehrseite von Silicon Valley

Ein Buch über die "High-tech-Heroes" im Silicon Valley - aber keines über Publikumshelden wie Steve Jobs oder Bill Gates: In "Schöne neue Cyberwelt" rechnet Paulina Borsook mit den Subkulturen ab, die das dortige Lebensgefühl prägen. Damit liefert sie einen anspruchsvollen Report, in dem es kaum um Computer geht.

"Schöne neue Cyberwelt" ist kein leichtfüßiger Lesestoff. Paulina Borsook beschreibt zwar die Phänomene der Silicon-Valley-Society - aber sie bewegt sich nicht an der plakativen Oberfläche, wie das viele Insider-Berichte aus dem Land der Siliziumzwerge tun. Der Autorin geht es weder um den Erfolg oder Mißerfolg von Produkten noch um den Diebstahl von Ideen oder diverse Duelle (wie in vielen populäre Büchern über die Herren Steve Jobs und Bill Gates geschildert); und sie verfolgt auch nicht die Stammbäume jener Unternehmen, die das Valley aufgebaut haben.

Borsooks Interesse liegt vielmehr bei den inneren Mechanismen, nach denen die High-tech-Geldgesellschaft zwischen San Francisco und San Jose funktioniert. Es sind die Subkulturen, deren Mythen und humanitäre Werte (oder die Ignoranz derselben) das Lebensgefühl im Valley prägen. Dementsprechend sind die von der Autorin porträtierten Personen auch keine Publikumslieblinge. Man muß schon Insider sein, um die Namen zuordnen zu können - und das ist wahrscheinlich die größte Schwierigkeit für den Lesern, obwohl sich Borsook alle Mühe gibt, ein großes Bild mit Erläuterungen zu zeichnen. Sie kennt das Silicon Valley als aufgeblähten Mechanismus, als einen bisweilen zynischen, immer aber regierungsfeindlichen Apparat. Die Protagonisten ihres Werks sind die Hacker, die Firmenbosse, die Krypto-Gurus, die Nerds und die Geldmenschen.

Ein bißchen ist das Buch allerdings auch die Abrechnung der Journalistin Paulina Borsook mit dem US-Szeneblatt "WIRED" (ihrem ehemaligen Arbeitgeber). Das Magazin, das sich durch interessante Textbeiträge aus dem Schattenland zwischen Trend und Tech sowie durch ein innovatives und bis heute oft (vergeblich) kopiertes Layout auszeichnete, entwickelte sich in der ersten Hälfte der 90er Jahre unter der Leitung von Kevin Kelly zur Kultlektüre. Mittlerweile wurde auch "WIRED" längst vom Zeitgeist eingeholt und erkor sich die "New Economy" zum Zielpublikum. Borsook entlarvt das Blatt nicht nur als liberalistisches Magazin, sondern auch als Propagandaträger.

"Schöne neue Cyberwelt" ist sicher kein einfach zu lesendes Buch über die High-tech-Industrie und deren Abwege. Es ist ein wirtschaftlicher, kultureller und politischer Report über die Mächtigsten der Welt, die nicht im Rampenlicht stehen. Unprätentiös und ohne weit auszuholen, rechnet Borsook mit der Szene ab: "Ich glaube nicht, daß eine Kultur, die sich selbst als den einzig wahren Weg in die Zukunft darstellt, wo sie doch in mehrfacher Hinsicht das Schlimmste der Vergangenheit verkörpert, Anlaß zum Jubeln gibt." So simpel kann man das sehen; und da nützt auch der schnellste Mikroprozessor aus dem Silicon Valley nichts.

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Über die Autorin:
Paulina Borsook arbeitete über zehn Jahre als freie Autorin für die Zeitschrift "WIRED". Sie lebt in Santa Cruz, Kalifornien, und ist als Buchautorin sowie als Kolumnistin für diverse Magazine, darunter "Newsweek" tätig.