Eine Schwester mit Botschaft

Ursula Rucker singt und spricht. In ihren Texten geht es um afroamerikanische Realitäten wie Armut, sexuelle Ausbeutung oder Drogenmißbrauch - Themen, die für gewöhnlich im HipHop/Soul-Kontext nur selten verhandelt werden.

Ursula Rucker graduierte an der Temple University in Philadelphia mit einem Abschluß in Journalismus und afrikanischer Geschichte. Poetry war schon immer ihre stille Leidenschaft; ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte sie 1994 in einem Club namens Zanzibar Blue. Schnell machte ihr Name in Philadelphia die Runde, Einladungen zu Plattenaufnahmen von The Roots und Bahamadia folgten. Kooperationen mit Künstlern wie 4 Hero, Jazzanova, Josh Wink und den Silent Poets machten sie auch in Europa schlagartig bekannt.

Für die Produktion ihres ersten Solo-Albums "Supa Sista" hat Ursula Rucker wieder mit verschiedenen Leuten aus Europa und den USA zusammengearbeitet. Mühelos werden dabei die Grenzen von Poetry überschritten und lyrische Genres gemischt, untermalt von Musik, die mit ihrer dezenten Zurückhaltung in krassem Gegensatz zu der Tiefe und Komplexität ihrer Texte steht. Letztere sind ein feministisches Statement zur Lage der Black Community in Amerika, ihren kulturellen Erzeugnissen und ihrer Geschichte.

"Supa Sista" führt den Hörer auf doppelte Weise in die Irre: Während die Musik Lounge-selig dahinplätschert und nicht viel Aufmerksamkeit einfordert, setzen ihre Texte den Finger in die Wunde und erzählen Geschichten, die weh tun. Dadurch entsteht ein krasser Gegensatz zur schwarzen Mainstream-Kultur, wie sie in gängigen Modellen von HipHop oder R&B dargestellt wird. Statt Titten, Ärschen, Autos und Waffen geht es um die vielfältigen Ebenen der sozialen Verantwortung des Künstlers, unter denen der Ansatz einer akademischen Kulturkritik durchschimmert.

Davon wird in den USA allerdings kaum jemand etwas hören wollen. Wer möchte schon gerne freiwillig an die Dinge erinnert werden, die täglich an den Straßenecken von Chicago, New York oder Los Angeles passieren? Umso passender, daß "Supa Sista" auf dem deutschen Label !K7 erscheint, das sich im Nu-Jazz/Elektronik-Bereich bewegt und eine vornehmlich gebildete, weiße Hörerschaft erreicht, die eher bereit sein dürfte, sich mit derlei Themen auseinanderzusetzen. Die Gefahr, daß sich das Album als Hintergrundbeschallung in trendigen Cocktail-Bars wiederfindet, kann dabei jedoch nicht ausgeschlossen werden.

In jedem Fall bietet "Supa Sista" einen differenten, ernsthaften Umgang mit Sprache und Inhalten und fügt sich nahtlos in die Tradition der Spoken-Word-Szene wie Gil Scott-Heron oder den Last Poets ein. Wieviel Veränderung die Kraft des Wortes bewirken kann? "Auch wenn ich nur fünf Menschen in Europa dazu bringe, die Welt mit anderen Augen zu sehen, ist das besser als nichts. Denn das ist es, was zählt: rauszugehen in die Welt, seine Stimme zu erheben und keine Angst zu haben."

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