Schlaf, Kindlein, schlaf

Dario Argento hat sich endlich wieder aufgerafft, einen anständigen Film zu machen. "Non Ho Sonno" gibt uns all das, wofür wir den Maestro so verehren. Leider nimmt er es uns im letzten Drittel des Films wieder weg.

Er ist eine Legende unter den italienischen Filmemachern. Mit phantastisch eingefärbten Thrillern wie "Tenebre", "Suspiria" oder "Phenomena" hat sich Dario Argento seinen Ruf als Meister des Giallo redlich verdient. Seine letzten Werke konnten allerdings qualitativ bei weitem nicht an die Klassiker aus vergangenen Zeiten anknüpfen. Mochte das farbenfrohe Spektakel "La Sindrome di Stendhal" noch als eigenwilliges Produkt seiner Phantasie durchgehen, so präsentierte sich die Leroux-Verfilmung "Il Fantasma Dell´Opera" als stupider Schund der übelsten Sorte. Trotz der gewohnt wunderschönen Photographie Ronnie Taylors reichte allein die dümmliche Perücke Julian Sands aus, um ernsthaft am Geisteszustand des Regisseurs zu zweifeln. Dementsprechend groß waren die Befürchtungen, als bekannt wurde, daß Argento wieder einen waschechten Thriller drehen wolle. Das Ergebnis liegt nun auf DVD vor.

"Non Ho Sonno", so der Originaltitel, handelt von den Greueltaten eines Serienkillers mit dem Spitznamen "Killer Dwarf", der u. a. eine kleine Kieferkorrektur an einer jungen Frau vorgenommen hat. Der ermittelnde Polizist, souverän gespielt von Max von Sydow, schwört dem Sohn der Ermordeten, nicht zu ruhen, ehe er den Mord aufgeklärt hat. Siebzehn Jahre später: Eine Nutte entdeckt in der Wohnung ihres Freiers eine Photomappe, die diesen unwiderlegbar als den "Killer Dwarf" identifiziert. Voller Panik ergreift sie die Flucht, wird jedoch in den kommenden Minuten in formvollendeter Schönheit zur Strecke gebracht und erinnert dadurch das "Psychozwergerl", was ihm in den letzten Jahren entgangen ist. Eine grausame Mordserie beginnt.

Argento hat sich auf seine Wurzeln zurückbesonnen und liefert mit "Non Ho Sonno" ("I Can´t Sleep") endlich wieder einen handfesten Nervenkitzler ab. Schon die ersten Bildsequenzen, in denen es Lady Marmelade an den Kragen geht, tragen Argentos einzigartige Handschrift dermaßen ausgeprägt, daß einem wohlige Schauer den Rücken runterlaufen. Verstärkt werden diese zusätzlich durch die Symbiose mit den wundervollen Klängen aus der Feder Claudio Simonettis.

Leider erweist sich das letzte Drittel des Films jedoch als herbe Enttäuschung. Zu konstruiert wirkt die Entlarvung des Mörders, zu hölzern das Drehbuch, sodaß man sich ernsthaft fragen muß, ob Dario gegen Schluß selbst ein wenig an der blutdurchtränkten Matratze gehorcht hat. Nichtsdestotrotz stellt Argentos neuester Film einen Schritt in die richtige Richtung dar und läßt seine Fans in freudiger Erwartung in die Zukunft blicken. Verlernt hat er scheinbar nichts.

PS: Freunden der Synthie-Klänge aus dem Hause Goblin sei an dieser Stelle das "Dario Argento Tribute"-Album ans Herz gelegt, das die Truppe rund um Claudio Simonetti unter dem Decknamen "Daemonia" voriges Jahr veröffentlicht hat.

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