Fortsetzung...

Und selbst wenn - ein kleiner Snack beruhigt schnell den Hunger nach politisch korrektem Verhalten. Allerdings spiegelt auch das Angebot an Snacks die Globalisierung: Capuccino, Espresso, Latte-M, Toast, Hot Dog, Tramezzino, Gelato, Panini caldo - in jedem Winkel der Stadt gibt es denselben Mampf, so wie es auf der ganzen Welt Coca-Cola, Kodak und McDonald´s gibt. Selbst der genormte Eierbelag auf dem Sandwich wirkt wie aus der Fabrikrührei-Presse. Noch gestern Abend in Taiwan aufgeschäumt, mit dem Nachtflieger angeliefert und jetzt, am frühen Morgen, als venezianische Spezialität an mich verfüttert. Das Leben kann so schön sein. Man darf nur nicht darüber nachdenken, woraus die Füllung besteht, die das Tramezzino schier zum Bersten bringt.

Ein Palast für Ungarn

Das Hotel macht uns klar, daß die Tage von Thomas Mann vorbei sind. (Wir mochten ihn ohnehin nie, auch weil MRR ihn gut findet.) Die Übernachtung im "Hungary Palace" auf dem Lido kostet knapp 500.000 Lire. Sowas gönnen wir uns nicht täglich. Trotzdem sind die Zahnputzbecher aus Plastik, und das Klopapier ist nur einlagig. Ein Papierhinweis auf dem Abort behauptet, die Brille sei herrlich hygienisch und ozeanfrisch, und ruft uns auf diese Weise ins Gedächtnis, daß es ja auch anders sein könnte. Meine Güte, wie kamen wir zu Hause nur ohne aus? O Gott, saßen wir dort etwa auf Bazillen?! Fast ein Wunder, daß uns die Viecher auf der Schüssel nicht die Schenkel wegmampften, noch während wir Zeitung lasen.

Eines muß man dem "Hungary Palace" zugute halten: seine Bäder haben nicht dieses bestimmte Schild an der Wand. Sie wissen schon, den Hinweis, man würde hier "der Umwelt zuliebe" nicht jedes Handtuch waschen. Der Gast solle deswegen nur Handtücher, die er für dreckig hält, zu Boden fallen lassen - die würden dann gewechselt, aber nichts sonst. In solchen Etablissements setzt mein Öko-Hirnsektor aus, ich greife nach den Tüchern, zerkrumple sie und werfe spontan alles zu Boden. Denn ich bin im Hotel und möchte gefälligst gepampert werden. Also einmal durchwaschen, alles!

Im "Hungary Palace" bin ich hingegen sparsam, denn wer weiß, ob wir hier überhaupt nochmal frische Handtücher kriegen. Gerne würde ich ein paar nette Dinge über das Hotel sagen, doch mir fallen nur gehässige ein. Verurteilenswerte. Zum Beispiel das kalte Wasser für den Industrie-Beuteltee. Die Buro-Bäh-Butter im Eiswürfel-Glitsch. Die Plastikbehälter mit den drapierten Plastikdöschenhaufen - links der Berg mit dem Honig und rechts der mit der schnittfesten Marmelade. Verhältnis von Plastik zu Nährstoffen 1:1, was mich nicht jucken würde, müßte ich nicht außen die Geschmacksrichtung ablesen, um meinem Gaumen mitzuteilen, was er gerade schmeckt. Der Joghurt, übelster Chemie-Pamp von Nestlé, zuckersüß und rinderhirngelatinenschnittfest. Smacks und Cornflakes, made by Craig Venter. Und da: die beiden quietschbunten Chemiesäfte, einer gelb, einer rot; daß die Lebensmittelkonzern heute schon künstliches Fruchtfleisch herstellen können, glauben wir angesichts dieser Säfte sofort.

Und dann der gräßliche Kaffee. Jene Sorte, die grau wird, wenn man Milch reinkippt. Natürlich gibt´s auch Capuccinos und Latte Macciatos auf der Karte. Aber man greift ja doch immer zuerst nach dem, was schon da ist. Und wer einmal die Milch in den Sud gekippt und einen Schluck genommen hat, dem ist ohnehin die Lust vergangen. Allerdings könnte dies auch am Personal liegen, das diesen aggressiven "Wage es bloß nicht, mich mit einer Bestellung zu behelligen!"-Blick draufhat. Verstehe ich ja: Drei Personen sind zweifellos völlig ausgelastet damit, bei etwa fünf besetzten Frühstückstischen einmal pro Stunde frisch angetrocknete Schinken- und Käsefetzen in fett- und fingerabdruckverschmierte Plexiglas-Näpfe zu füllen - mit einem Gesicht, als würden sie stinkende Bioabfälle verklappen.

Eine Frage, die mich immer wieder beschäftigt, betrifft die Mini-Brösel-Croissants: Warum füllen die Italiener dort so eine eklige Marmelade hinein? Damit wir Urlauber sie herauskratzen und durch die - nur geringfügig weniger eklige - Marmelade aus den Plastik-Marmeladentöpfchen ersetzen müssen? Und warum decken Hotels trotz schönstem Sonnenschein nie die Tische im Freien auf? Daß die Klimaanlage drinnen auf vier Grad steht, erkläre ich meiner Gefährtin damit, daß dies die einzige Art von simuliertem Luxus ist, den das grummelige Personal mit einem Knopfdruck zur Verfügung stellen kann. Vielleicht wollen sie uns auch nur klarmachen, daß wir gefälligst woanders frühstücken sollen.

Besucher aus einer anderen Welt

Man kann ja viel über Venedig lästern, aber das Schlimmste sind nicht die Venezianer, nicht der Gestank aus den Kanälen, nicht der Souvenirkitsch und auch nicht der unberechenbare Dauerbeschuß mit Taubenkot. Nein, das Schlimmste sind wir Touristen. Viele Venedig-Besucher tragen Super-Synthetik-System-Sandalen Marke "Ich war einmal ein Turnschuh" - wäre ja auch zu schade, auf den Anblick ihrer ungeschnittenen, eingewachsenen Zehennägel verzichten zu müssen.



Alle 3 Kommentare ansehen

Venedig sehen und kotzen
(Peter J. Kraus, 30.07.2001 21:44)

mehr Winterer bitte!
(Petra van Cronenburg, 03.08.2001 14:02)

Venedig anders
(Petra Klein, 15.03.2002 18:24)