Stories_Der Machtlose III

Auf der dunklen Seite

Lucas überschreitet die letzte Grenze: Vaders Geburt ist zugleich auch Höhepunkt des "Star Wars"-Beisetzungszeremoniells. Dietmar Wohlfart beobachtet die Trauerfeierlichkeiten.    23.05.2005

Millionen von Lucas-Jüngern erheben sich dieser Tage erneut, um ein letztes Mal geballte Stärke zu demonstrieren. Doch dies ist ein überholtes Ritual ohne substanzielle Grundlage - ein alter Reflex. Denn die unsäglichen Prequel-Mogelpackungen "The Phantom Menace" und "Attack Of The Clones" sind nicht spurlos an dem unter cineastischen Denkmalschutz stehenden Filmmonument vorübergegangen. Daß sich der "Star Wars"-Kosmos trotz der beiden filmischen Naturkatastrophen einen Teil seiner Stabilität bewahren konnte, ist auf die weiterhin ungebrochene Strahlkraft der Fixsterne "Hope", "Empire" und "Jedi" zurückzuführen. Nichtsdestotrotz haben sich die Zeiten und mit ihnen auch die Betrachtungsweise der Saga grundlegend geändert. Die Wunden, die George Lucas seinem Gesamtwerk beibrachte, sind noch relativ frisch und reichen tief. Doch der Gedanke an einen versöhnenden Abschluß begleitete die gläubige Anhängerschaft bis zuletzt. Die einzige Alternative erschien undenkbar.

Am 19. Mai erfolgte der globale Start von "Star Wars: Episode III - Die Rache der Sith". George Lucas offeriert nun endlich das entscheidende Herzstück der Entwicklungsgeschichte, die fatale Wandlung des Nachwuchsjedis Anakin Skywalker zum imperialen Massenmörder Darth Vader und den Fall der Alten Republik. Nach 28 Jahren schließt er den Kreis. Die dramaturgischen Möglichkeiten, die sich aus den vitalen Story-Eckpfeilern - Anakins Transformation,

Palpatines Machtergreifung, die Vernichtung des Jedi-Ordens, Padmes Tod - ergeben, sind immens: Niemals zuvor durfte eine Bekehrung zur dunklen Seite der Macht aus nächster Nähe mitverfolgt werden.

Bereits in "Episode VI" war Luke Skywalker dem diabolischen Spiel des Imperators beinahe erlegen. Die opernhaft inszenierte Thronsaal-Sequenz zählt zu den kraftvollsten Momenten der Saga. An ihrem Ende steht der Tod des erlösten Heroen und dessen ultimativer Aufstieg in die Heldenruhmeshalle. Die Wiederholung der Geschichte in einem Akt göttlicher Vorsehung bildet das Kernprinzip der gesamten Serie. Innerhalb dieses ständigen Wiederholungs- und Erneuerungsprozesses galt Anakins Übertritt seit jeher als mythischer Urknall. In "Revenge Of The Sith" stellt sich George Lucas diesem letzten Mysterium.

 

Abstieg der Ikonen

 

Steven Spielberg soll während einer Privatvorführung von "Episode III" in Tränen ausgebrochen sein. Man kann es ihm nicht verdenken. Seit 1999 durfte sich die breite Öffentlichkeit ein Bild von George Lucas' Fähigkeiten als Autor und Regisseur machen. Die Formkurve des Prequel-Dreiakters - vergleichbar mit dem EKG-Wert eines kürzlich Verstorbenen - ist auch 2005 keinerlei Schwankungen unterworfen. "Sith" fügt sich nahtlos in Lucas' Schreckenstriumvirat ein. Im Zuge des dreiteiligen Prequel-Zerstörungsaktes erfolgte die gründliche Demontage zentraler Schlüsselcharaktere, der Verrat von Traditionen, die Auflösung der natürlichen Ordnung. In "Episode III" bezwingt Lucas schließlich den Gipfel der Geschmacklosigkeit.

Seit Anbeginn der Prequel-Phase pflegte George einen höchst respektlosen Umgang mit den kultisch verehrten Geschöpfen seiner früheren Filme. So fallen die im ständigem Widerstreit stehenden Roboter C-3PO und R2-D2 längst nicht mehr mit harmlos-charmanten Albernheiten auf, sondern geben sich als armselige Pausenclowns der Lächerlichkeit preis. Auch die in "Return Of The Jedi" demonstrierte, alles überschattende Bedrohlichkeit des machtvollen Imperators, schmilzt zusammen. Erstarrten einstmals ganze Sturmtruppenbataillone durch die bloße Anwesenheit der dunklen Eminenz vor Angst, unterwandert der zwielichtige Polit-Palpatine die Alte Republik im Stile eines zweitklassigen Intriganten. Nur in wenigen, lichten Augenblicken - den stärksten Momenten in "Sith" - läuft der Senator zu großer Form auf: Als er den unentschlossenen Anakin Einblick in die fatalistischen Lehren der Sith gewährt, gewinnt der Streifen kurzfristig an Format. Die endgültige Metamorphose zum Imperator vollzieht sich dann aber höchst banal; comicartig übertrieben und in ihrer Gesamtheit unglaubwürdig. Auch Palpatines direkter Gegenpart Yoda stürzt tief. Hatte der gnomische Jedi-Altmeister zu Luke Skywalkers Zeiten noch für unvergeßliche Kinomomente gesorgt, kommt sein Griff zum Schwert nunmehr einem qualvollen Stilbruch gleich: eine unschöne Neuauflage des beschämenden "Dooku"-Zweikampfs aus "Attack Of The Clones", erneut wird der alte Weise von Lucas radikal entzaubert.

Die Zurschaustellung des totalen Verlusts kreativer Schaffenskraft, ein fundamentaler Mangel an Subtilität sowie die Unfähigkeit aus vorhandenem Potential zu schöpfen und bereits etablierte Charaktere zu neuem Leben zu erwecken, machten Lucas' Bemühungen, eine befriedigende "Star Wars"-Vorgeschichte auf die Beine zu stellen, zunichte. Die Prequel-Episoden sind somit auch zu entbehrlichen Klassentreffen altbekannter Antagonisten verkommen. Die längst zu Ikonen der Popkultur aufgestiegenen, wohlvertrauten Geschöpfe von anno dazumal, wurden im Zuge dieser halbherzigen Wiederbelebungsversuche rücksichtslos verheizt.

 

Vaders Totgeburt

 

Zweifelsohne zurecht bezog Lucas für die in "Clones" zelebrierten, völlig mißratenen romantischen Geplänkel die härtesten Prügel. In "Sith" bewegen sich die Dialogzeilen, die Hayden Christensen und Natalie Portman in ihren intimsten Momenten auszutauschen pflegen, auf mäßigem, aber alles in allem verkraftbaren Niveau. Grundlegendes hat sich an der Qualität der verbalen Interaktion jedoch nicht geändert. Abermals setzen sich Lucas' Dialoge fast ausschließlich aus Basisfragmenten der Lautkommunikation zusammen, der vereinzelt betriebene, unverschämt-plumpe Zitatklau aus den Vorgängerfilmen trägt nicht gerade zur Verbesserung des Gesamteindrucks bei. An der darstellerischen Front bildet Christensen die einsame Speerspitze der Enttäuschungen. Ob er nun die Konfusion während seines fortwährenden inneren Konflikts oder den aufkeimenden Zorn in den unterschiedlichen Stadien seiner Wandlung zum Sith-Lord transportieren will - keinen Augenblick hört oder fühlt sich dies überzeugend an. Nie und nimmer in der Lage, das Gewicht der Rolle zu schultern, rudert und windet sich der 24jährige wie ein Ertrinkender und findet zu keiner Zeit in seinen Charakter.

Während der überforderte Hauptdarsteller mit irritierender Verbalmunition um sich schießt und nur allzu selten zu einer vernünftigen Koordinierung seines unterentwickelten Minenspiels findet, brennt der Regisseur sein routinemäßiges Effektfeuerwerk ab. Das enervierende Droiden-Panoptikum, das Lucas in seine letzte Schlacht wirft, erweist sich dabei als besonderer Störfaktor. (An das schurkische Ersatzteillager "General Grievous" sollen an dieser Stelle keine weiteren Worte verschwendet werden.) Die obligatorischen Lichtschwertkämpfe haben bereits in den vorangegangenen Episoden einen Großteil des einstigen Glanzes eingebüßt, im nicht enden wollenden "Battle Of Heroes" verlieren sie endgültig den verbliebenen Rest ihrer einstigen Bedeutung.

Der vorgezeichnete Showdown vollzieht sich schließlich in einer perversen Abwärtsspirale und kulminiert standesgemäß in einem finalen künstlerischen Desaster. Es ist ein Ende in Schrecken. Skywalkers Entschluß, dem Imperator Untertan zu sein, verwirklicht sich - wie so vieles, daß uns Lucas in "Episode III" vorsetzt - quasi im Vorübergehen. Auf dem Papier erscheinen Anakins Motive überdeutlich und nachvollziehbar, doch eine angemessen Realisierung will nicht gelingen. Die persönliche Tragödie erreicht nicht einmal ansatzweise eine gebührende Dimension. Zum Ende hin, vergeht sich Lucas - in einer letzten Kraftanstrengung - an einem der ganz Großen. Als Anakins Identitätswechsel stattfindet, glaubt man beinahe einer Szene aus einem Gruselleichtgewicht der "Hammer"-Studios beizuwohnen.

 

Thronfolger aus Mittelerde

 

Das unantastbare Ausnahmephänomen "Star Wars" thronte seit seinem sagenhaften Debüt über den phantasievollen Kassenschlagern der bunten 80er Jahre und den sündhaft teuren Effektdemos des vergangenen Jahrzehnts. Als sich George Lucas schließlich zur Vervollständigung seiner Serie entschloß, hatte der mythenumrangte Goliath eine Eigendynamik entwickelt, die der Urheber nicht mehr zu kontrollieren vermochte. Die jahrelange Abwesenheit fernab des kreativen Feldes forderte letztlich ihren Tribut. Der eingerostete "Lucasfilm"-Boß verließ sich gänzlich auf den perfektionierten Effektzauber seiner Trickwerkstätte und orientierte sich darüber hinaus offenbar an den sinnfreien Franchiseproduktionen der aktuellen Generation. Unwillig, die Konsequenzen aus seinen dürftigen schreiberischen Fähigkeiten zu ziehen - eigenen Angaben zufolge, mußte sich der Mann förmlich dazu zwingen, das Script zu "Episode III" fertigzustellen - war Lucas nicht bereit gewesen, einen Teil der Verantwortung abzugeben. Er betrachtete sich bis zuletzt als kreativer Motor seines groß angelegten Prequel-Projekts und hegte keinerlei Ambitionen, den eingeschlagenen Weg in den Abgrund zu korrigieren.

Peter Jackson demonstrierte mit seiner "Ring"-Adaption eindrucksvoll, daß die Inszenierung opulenter Fantasy-Welten auf hohem Niveau auch im 21. Jahrhundert möglich ist. Der Neuseeländer vollbrachte das scheinbar Unmögliche und stemmte ein Mammutwerk, daß einer Renaissance des phantastischen Kinos gleichkam. Nebenbei führte uns "Der Herr der Ringe" nachdrücklich die Minderwertigkeit des großen Konkurrenten aus dem Hause Lucasfilm vor Augen: Der traurige Abstieg der vormals bedeutenden Filmserie zum inhaltsleeren Massenfabrikat und der gleichzeitige Triumph der als unverfilmbar geltenden Tolkien-Saga, ist auch ein Generationenwechsel im großen Stil.

 

Mysteriöse Antriebsfeder

 

Lucas' Niederlage besitzt umfassenden Charakter. In seiner Funktion als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent trifft ihn die Hauptschuld. Der "unabhängige Filmemacher" war einst halsstarrig seinen eigenen Weg gegangen und hatte sich ganz der Vervollkommnung neuartiger Produktionsverfahren gewidmet. Während der einstige Alleskönner Steven Spielberg - in dessen Windschatten sich Freund George in den glorreichen "Indy"-Jahren als Wunderproduzent etablierte - von Erfolg zu Erfolg eilte, kümmerte sich Lucas lieber um sein riesiges Firmenimperium. Und dieses wuchs und gedieh, das Soundsystem THX entwickelte sich zum akustischen Gütesiegel eines jeden Kinosaals. Die Effektmagier von ILM revolutionierten indes die stagnierende Trickbranche und sorgten für den Einzug aufwendiger Computergrafiken in die Traumfabrik. Filmzerstörern wie Roland Emmerich, Michael Bay und Stephen Sommers fielen dadurch ideale Werkzeuge für ihre Feldzüge gegen den guten Geschmack in die Hände. Währenddessen verblieb der eremierte Mogul im Hintergrund und hielt an seinem Versprechen, dem Regiestuhl unter allen Umständen fern zu bleiben, standhaft fest. Vielleicht waren es die vermehrten Bauchlandungen als Produzent, die sich in den späten 80ern einstellten, die Lucas' Meinungsumschwung einleiteten. Womöglich war die Suche nach Selbstverwirklichung die treibende Kraft; der plötzliche Wunsch Angefangenes zu Ende zu bringen. Handelte Lucas nach einem raffiniert ausgeklügelten, für die Mitwelt unbegreiflichen Masterplan? Was trieb ihn dazu, sein eigenes Kind zu ersäufen? Vermutlich erfüllte er nur sein Schicksal. Ohne Rücksicht auf Verluste, als treibende Kraft inmitten seines gewaltigen Produktionsstabes. Und doch handelte er alleine, unbeirrt und von der Richtigkeit seines Handelns stets überzeugt - bis zum bitteren Ende.

Dietmar Wohlfart

Star Wars: Episode III - Die Rache der Sith

(Star Wars: Episode III - Revenge Of The Sith)


Fox (USA 2005)

146 Min.

Regie: George Lucas

Darsteller: Ewan McGregor, Hayden Christensen, Natalie Portman u. a.

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