Stories_Ketzerbriefe: Charlotte Roche - Feuchtgebiete

Unrein bis zum Abend

Die Zeitschrift heißt "Ketzerbriefe - Flaschenpost für unangepaßte Gedanken", erscheint seit den 80er Jahren im Ahriman-Verlag und ist bekannt für ihre scharfsinnigen Artikel und intelligenten Analysen zu Politik, Gesellschaft und Alltag, die alles andere als politisch korrekt daherkommen.
Wir freuen uns, ausgewählte Texte aus aktuellen und älteren Ausgabe der "Ketzerbriefe" im EVOLVER präsentieren zu dürfen.
Den Anfang macht Kerstin Steinbach mit ihrer fulminanten Besprechung eines deutschen "Skandalwerks", das ganz andere Hintergründe haben dürfte als nur literarische.    08.10.2008

Feministen stinken gern - nach Menstruationsblut,

 

wahlweise nach Kot, Schweiß, altem Genitalsekret oder was man sich sonst noch an Ekelhaftem vorstellen mag (wenn man es denn mag), so immerhin die unverhüllte, unmetaphorische Selbstdarstellung von Charlotte Roche in ihrem Erstlingswerk »Feuchtgebiete«. Die als keck-plappernde Moderatorin aus der Glotze bekannte Autorin versteht sich damit ausdrücklich als Vertreterin des sogenannten »neuen« Feminismus; dieser ginge bei allem expliziten Dank an Alice Schwarzer heute endlich weiter, sei nämlich »sexuell«, hier immer synonym mit »pornographisch« - in Wahrheit kommt hier die alte Schwarzer in neuen Strapsen daher.

 

Das Buch wird derzeit mit hohem Propagandaaufwand zum Bestseller gepusht, seit seinem Erscheinen reißen die medienfüllenden Kommentare, Diskussionen, Rezensionen und Interviews nicht ab, wohl Hunderttausende von Exemplaren sind innerhalb weniger Wochen verkauft worden, und momentan wird sein transatlantischer »Siegeszug« in Szene gesetzt. Sollen sich die wertvollen und teuren (nicht durch einen niemals zufällig, hochaktiv agierenden staatlichen Medienapparat geförderten und finanzierten, sondern eisern unterdrückten) Seiten der Flaschenpost für unangepaßte Gedanken nun auch noch mit diesem Dreck beschäftigen? Wäre besagtes Buch nur abstoßend oder eben pornographisch, sicher nicht - es steht ja außerhalb jeder Diskussion, daß auf der Grundlage der Freiwilligkeit, von der Prostitution abgesehen, alles, aber auch alles erlaubt sein soll, was an sexueller Aktivität gewünscht wird -, aber es enthält Gift, inzwischen traurig bewährtes, und zwar in doppelter Hinsicht. Auffällig ist, daß die durchaus zahlreichen angewidert-ablehnenden Reaktionen – Pro und Kontra halten sich in der öffentlichen Debatte etwa die Waage -, die dieses angeblich »provokative« Buch zu Recht hervorruft, nie auch nur im Ansatz dessen tief bösartige Botschaft erfassen; auf dieser Grundlage kann das Gift natürlich wirken. Deshalb sind vielleicht doch einige Antidot-Worte gerechtfertigt.

Man muß das Buch wirklich nicht gelesen haben, es ist genauso eklig wie auch langweilig, etwa wie die klassischen Pornos, und auf einem bezeichnend rudimentären Sprachniveau gehalten, welches mit Vorliebe die Satzsubjekte wegläßt, selbstredend also das genaue Gegenteil von geistig oder sexuell anregend - wie man es beispielsweise von den detailreichen, sensiblen sexuellen Schilderungen in Oscar Wildes »Teleny« kennt.

Etwas Luft holen sollten wir für den Kurzabriß der unappetitlichen Romangeschichte allerdings schon: Die 18jährige Protagonistin Helen (die laut Autorin zu 70 % ihr selbst entspricht, lassen wir dahingestellt, ob real oder phantasiert) ergeht sich anläßlich einer durch Selbstverletzung notwendig gewordenen proktologischen Operation im Krankenhaus in Erinnerungen und Beschreibungen von wechselseitigem Trinken von Erbrochenem, Kot und entsprechenden Gestank verbreitendem Analverkehr mit dem besonderen Beigeschmack blutender Hämorrhoiden, Onanieaktivitäten, bei denen ganze Duschköpfe einschließlich mehrerer Liter Wasser in die Vagina versenkt werden, und als besondere Mutprobe und Zuneigungsbeweis gilt ihr der Geschlechtsverkehr während der Periode, insbesondere oral-genitale Kontakte dabei, die das Menstruationsblut möglichst ausgiebig an die beteiligten Personen und Utensilien verteilen. Weitere Höhepunkte ihrer Aktivitäten stellen Puffbesuche (zwecks lesbischer Kontakte) und die absichtliche Kontamination unbeteiligter bzw. unwissender Personen mit ihren Körpersekreten dar: Menstruationsblut wird im Fahrstuhl verschmiert, die Sprudelflasche mit Speichel aufgefüllt und der arglosen Putzfrau angeboten, mit aufgefangener Tränenflüssigkeit getränkte Weintrauben werden dem Pfleger dargereicht. Dabei wird Helen zwecks latenter Sympathieheischung als Tochter einer peniblen, frömmelnden Mutter vorgeführt, der zum Trotz sie als eine der ersten Handlungen das Kreuz im Krankenhauszimmer abhängt und gegen deren Putzfimmel aufbegehrend sie zu diesem vorgeblich unverklemmten Verhältnis zu ihrem Körper und dessen Ausscheidungen gelangt, was in besagtem Gestank- und Ekelkult seinen Ausdruck findet; ihre besondere Vorliebe gilt dabei Blut und altem Scheidensekret. Das Ganze wird, einschließlich ihrer gefährlich-infektiösen Anschläge auf völlig arglose Personen (womit das Freiwilligkeitsprinzip definitiv verlassen ist), als sexuelle Offensive verkauft, nicht wahr: so locker, so frei. Dazu paßt, daß uns Helen zudem als armes Kind geschiedener Eltern (die sie dann unbedingt um jeden Preis wiedervereinen will) präsentiert wird, die sich gleich mit 18 Jahren sterilisieren ließ. Hier soll der Gedanke des sexuellen Genußwillens untergeschoben werden - die Klinik, in der dieser Akt der Selbstbestimmung heutzutage umsetzbar wäre, soll uns unsere (neu)feministische Autorin, selbstredend stolze Ehefrau-Mutter, allerdings gerne mal zeigen! Wir erfahren dann aber schnell, daß Helen eigentlich »schon immer« ein Kind wollte und sich nur zwecks Unterbrechung einer individualgeschichtlichen, zufälligen Reihe von ihr als unglücklich wahrgenommener Personen (Uroma, Oma, Mutter und Kind) zur Sterilisation entschlossen hat. Damit wird am Rande der Wunsch nach straffreier Sexualität - Kinder schränken den sexuellen Aktionsradius ein - als Ausdruck von Pathologie ge­brandmarkt; in dieser an sich ja blöden Story ist nichts dem Zufall überlassen.

 

Man muß das Buch, wie gesagt, nicht gelesen haben, ich habe mich der Versuchung, die Lektüre vorzeitig zu beenden, jedenfalls mehrfach tapfer erwehren müssen und habe nur deshalb durchgehalten, weil mich die Frage nicht losgelassen hat, wieso Hunderttausende es eigentlich kaufen. Freilich, Bestseller werden durch die Medien zwecks gezielter breitenwirksamer »Meinungs«steuerung gemacht, aber ein gewisser fruchtbarer Boden muß doch existieren, sonst könnten sich irgendwelche austauschbaren Alt- oder Neufeministen auf den Kopf stellen und noch so lange pressebejubelt mit ihrer stinkenden Möse wackeln, die Botschaft würde abprallen, so wie in der Besseren Zeit (1965-75) der Absatz von Pornographie ohne jedes Verbot (!) völlig organisch zurückging, weil bei befriedigender, also nicht erzwungen monogamer, experimentierfreudiger und angstfreier sexueller Betätigung unter Gleichen, denen der Zufall der Geburt eben die eine oder andere lustspendende Schlüssel-Schloß-Anatomie mitgab, die Anziehung durch erniedrigenden Schmuddelkram tendenziell abstirbt. Nun, bekanntlich soll man den Spiegel nicht schelten, wenn er ein häßliches Antlitz zeigt. So ist die breite Aufnahme bzw. das Interesse an besagtem Buch sicher auch vor dem Hintergrund der inzwischen, entgegen aller zur Schau getragenen Pseudo-Lockerheit eingetretenen allgemeinen sexuellen Verelendung - angesichts feministischer Verseuchung, AIDS und weitgehendem Monogamie- bzw. Ehe-Diktat alles andere als eine überspitzte Metapher - zu sehen. Auf dieser Grundlage müssen zwangsläufig, so lehrt die Statistik und erklärt die Psychoanalyse, von (unbewußter) Angst gespeiste und durch reale Drohung aufgeladene sexuelle Funktionsstörungen ebenso zunehmen wie die sogenannten Perversionen oder entsprechende Phantasien, sie sind (mitunter verbogene Selbstbehauptungstendenzen enthaltende) Ergebnisse allfälliger, von Kindesbeinen an erlebter, quälender Sexualunterdrückung; niemand soll also wegen irgendwelcher »abartigen« Phantasien ein schlechtes Gewissen haben, darum geht es nicht. Das Spiegelbild ist deshalb nicht schön, es bleibt häßlich und vor allem traurig für alle Opfer, denen auf diese Weise das Leben versaut wurde und wird. Das vorgeführte Buch ist nun aber keineswegs aus Sicht der oder Sympathie für die gequälten, unglücklichen Opfer geschrieben, sondern postuliert die Versauung und sexuelle Verkrüppelung als naturgegebene Normalität - in Wahrheit liegt gezielt menschenzerstörende gesellschaftliche Planung vor -, das macht es finster und der Presseförderung wert.

Bevor wir zum Zweikomponenten-Gift kommen, einem Gemisch aus Menstruationsblut und AIDS-Viren, sei noch kurz die Selbstverständlichkeit betont, daß natürlich eine dauernd putzende, prüde Alte wie die der Protagonistin Helen ätzend ist und hier die eine oder andere (auch drastische) Protesthandlung oder Phantasie ableitbar wäre. Aber ist deshalb durch Waschvermeidung übelriechend gewordenes Vaginalsekret, das unsere coole Heldin sich als Parfümersatz hinter die Ohren schmiert, »normal«, »geil« oder gar schön? Wohl kaum, die Sexualität lebt im Gegenteil von der Schönheit und Ästhetik, Wohlgerüche ziehen an, schöne und gepflegte Körper erregen. Gestank stößt dagegen ab, was nebenbei auch seine biologische Grundlage hat, aber diese Kategorie ist einem feministischen Kleingeist ja ohnehin Hekuba. Geschwüre und Faulendes enthalten für den Menschen potentiell die Gefahr der Ansteckung mit Krankheitserregern, eine Anziehung durch diese wäre eine evolutionäre Sackgasse. Die Empfindung des Abgestoßenseins durch den die Gefahr anzeigenden Geruch hat sich, wie umgekehrt die Orientierung auf Gesundheitsmarker (im Sinne der Schlüsselreize), wodurch unser artspezifisches Schönheitsempfinden ja entstanden ist, dagegen als Selektionsvorteil erwiesen, deshalb sind wir im Ergebnis der Evolution darauf programmiert.

Das Hauptmerkmal der im Buch geschilderten, angeblich locker-normal-mutigen Aktivitäten ist, wie oben beispielhaft vorgeführt, die zunächst ganz wörtliche Beschmutzung der Sexualität - tatsächlich erscheint deshalb nicht eine einzige sexuelle Handlung auch nur im Ansatz als angenehm -, zudem ist sie oft mit Schmerzen verknüpft; auch wenn die Protagonistin das nicht ausspricht, sondern im Gegenteil Lust behauptet, wird im Leser aufgrund seiner anatomischen Kenntnisse und Selbsterfahrungen die Schmerzvorstellung hervorgerufen. Durch diese Verbindung von Sexualität mit Schmutz und Schmerz wird die Sexualverekelung zur Norm erhoben, dem Wunsch nach sexueller Lust obligat die Strafe (Unlust, Ekel, Schmerz) angeklebt. Soweit kann das sicher jeder, der seine Wünsche nicht völlig im Dickicht sexuellen Unglücks verloren hat, seinem eigenen Abgestoßensein folgend, unmittelbar nachvollziehen und unterschreiben.

Um den finsteren Gehalt des vorgestellten Buches aber wirklich zu verstehen, sind an dieser Stelle die Erkenntnisse der authentischen (also nicht der aktuell-akademischen) Psychoanalyse unerläßlich. Nun gibt die vorliegende Zeitschrift, die der gesellschaftspolitischen Analyse verpflichtet ist, nicht den Rahmen für eine eingehende Ableitung her, ein kurzer Einblick, der etwas Ruhe und Konzentration erfordert, erscheint aber zum Verständnis doch notwendig*: Durch die Verknüpfung von Sexualität und Gestank wird zuerst ein tiefliegendes Trauma aus der kindlichen Schwächesituation reaktiviert, dessen Wurzel die narzißtische Schädigung im Kontext der Reinlichkeitserziehung abgibt. Das kleine Kind, das die Sphinkterkontrolle erst lernen muß, empfindet sich im Vergleich zu den ihren Sphinkter beherrschenden Erwachsenen als unterlegen (es wird ja auch herablassend als »kleiner Stinker« tituliert), durch Helens Stinkerei wird zunächst dieses infantile Minderwertigkeitsempfinden in den sexuellen Zusammenhang gestellt und aufgeladen. Verstärkt, ja erst wirklich verheerend wirkt diese Ich-schwächende Infantilisierung dann durch die Verknüpfung der Sexualität mit der Periodenblutung. Deren ebenfalls übler Geruch schlägt zum einen die Brücke zu Ersterem (schon wieder »Stinker«) und reaktiviert darüber hinaus durch den Eindruck der blutenden Wunde die ebenfalls frühkindlich induzierte Kastrationsangst, die Befürchtung also, als präventiv-spiegelbildliche Strafe für den Wunsch nach Beseitigung des gleichgeschlechtlichen Elternteils (weil dieser den eigenen, unter Familienbedingungen auf den gegengeschlechtlichen fixierten, sexuellen Ambitio­nen konkurrierend im Weg steht) ausgelöscht bzw. des lustspendenden Sexualorgans beraubt, sprich kastriert zu werden. Die kindliche Kastrationsangst ist dann der Motor für die Leugnung der »gefährlichen« Wünsche - sexuelle in Richtung des gegengeschlechtlichen, aggressive in Richtung des gleichgeschlechtlichen Elternteils -, diese werden (aus dem Bewußtsein) verdrängt, schließlich erfährt auch die mit den Wünschen amalgamierte Angst das gleiche Schicksal. Beides wirkt aber aus dieser (unbewußten) Quelle zeitlebens fort, die ursprünglichen Wünsche erscheinen dann im Bewußtsein ins Gegenteil verkehrt oder verschoben, wir finden sie u. a. in Form von Sexualabwehr, Selbstbestrafungstendenzen und allfälligem »schlechten Gewissen« wieder. Für das Verständnis des speziell weiblichen Erniedrigungsgehaltes in unserem Zusammenhang ist die quantitativ unterschiedliche Auswirkung des Kastrationskomplexes bei Mädchen und Jungen bedeutsam. Der zufällige, anatomisch gegebene Geschlechtsunterschied wird von den Kleinen beiderlei Geschlechts auf der beschriebenen Grundlage so gedeutet, daß den Knaben die Kastration als Strafe für ihre Wünsche droht und die Mädchen, denen der Penis »fehlt«, schon kastriert sind - diese müssen also bezüglich ihrer Wünsche »schlimmer« sein. Aus dieser Quelle, die zu leugnen ganze Heerscharen von Schulpsychologen und Pseudo-Psychoanalytiker staatlich bezahlt werden, speisen sich die bei Frauen häufigeren Minderwertigkeitsempfindungen (in der Folge auch sexuelle Funktionsstörungen), ihre bezüglich geistiger Potenz statistisch oft festzustellende tatsächliche Minderwertigkeit und auch die Misogynie von männlicher Seite, welche - bis zur Erkämpfung der Gleichheit durch die Arbeiterbewegung - durch die gesellschaftlich organisierte Rollenverteilung über weite Strecken der Geschichte ihr objektives Fundament erhielt. Die weibliche Insuffizienz ist demnach Resultat von Gewaltverhältnissen, familiären und gesellschaftlichen nämlich, und keineswegs zwingend. Freilich hat sie solange auch eine echte biologische Fußangel, wie die Gebundenheit an Schwangerschaft und Nachwuchsaufzucht, die den weiblichen Aktionsradius ja intelligenzmindernd einschränkt, bestanden hat, also die historisch lange Zeit vor der Erfindung effektiver Verhütungsmittel.

Hören wir zur abschließenden Illustration an dieser Stelle noch - ich gebe zu, daß damit die Grenze des Verdaulichen endgültig überschritten ist - eine im wahrsten Sinne des Wortes Vollblutfeministin, in deren Fußstapfen eine Charlotte Roche so gerne watet, mit ihrem Traum einer »großen Menstruationsparade«:

 

»Endlich war es soweit! Die großen Menstruationsspiele hatten begonnen (...) Zuerst kamen zwei dunkelrote Fahnen, die das Menstruationsblut symbolisieren, dann die Bläserinnen - ein Orchester von zwanzig schwangeren Frauen, die einen Triumphmarsch spielten - und anschließend eine Truppe aus fünfzehn Frauen, die mit verschiedenen Monatsbinden winkten, sie in die Luft warfen, wieder auffingen und mit ihnen - wenigstens fünf Binden auf einmal - geschickt jonglierten, während sie im Takt der Musik gingen. Am Ende des Zuges folgten die Männer mit den Kindern auf dem Arm oder an der Hand.«**

 

Nach den obigen grob-skizzenartigen Ausführungen kann der finstere Gehalt des Gestank-, insbesondere Menstruationskultes, der den Feministen tatsächlich wesenhaft eigen ist, vielleicht besser verstanden werden. Die Wahrnehmung der blutenden Vagina reaktiviert die mit der Sexualität substantiell verknüpfte Kastrationsdrohung an die Adresse beider Geschlechter, insbesondere aber die angstinduzierte sexuelle Insuffizienz(empfindung) und Erniedrigung der Frau und damit der Sexualität überhaupt, die ja nur unter der Voraussetzung der Gleichheit den Titel »human« verdient. Die entsprechenden Protago­nistInnen (hier paßt es ausnahmsweise mal) entlarven sich so einmal mehr als Feinde der Gleichheit, die auf cool getrimmte Pseudo-Lockerheit unserer (Neu)Feministen verschleiert nur dürftig ihre Todfeindschaft gegen die sexuelle Freiheit; gern dumme, gern blutend-stinkende Weiber mit Strapsen (wahlweise im Puff) und frustraner Eheknast sind dabei die jeweils anderen Seiten der gleichen Medaille. Die Erniedrigung der Frau, die auf der Grundlage frühkindlicher Gewalteinwirkung und einer wahrlich »bösen« Laune der Natur der Gleichheit und Humanisierung der Sexualität entgegenwirkt, wird von den alten und neuen Feministen nicht bedauert, sondern im Gegenteil zum gefeierten Postulat erhoben. Bezeichnenderweise und passend dazu traten sie ja auch genau zu dem Zeitpunkt auf den Plan, nämlich in der Besseren Zeit, als die ebenfalls erniedrigende Ehe (und klassische Prostitution) auf der Grundlage der juristischen Gleichstellung und Einbindung der Frauen in den Arbeitsprozeß zunehmend unattraktiv wurde - da forderten die Feministen Lohn für Hausarbeit, wenig später strickten sie am Prostitutionsgesetz, welches inzwischen hochoffiziell die Nutterei zum »Beruf« erklärt. Hier müffelt ihre Substanz, man lasse sich von gelegentlichem Etikettenschwindel nicht ins Bockshorn jagen. Aus dieser Quelle erfuhren jedenfalls von Anfang an Monatsbinden und Gebärmütter kultische Verehrung. Die auf dem Stand der Medizinentwicklung inzwischen weitgehend komplikationslos durchführbare Hysterektomie, die dem beschriebenen psychischen Trauma definitiv die Aufladungsmöglichkeit entzieht, war infolge des Geistes der Besseren Zeit in den 70er Jahren eine sehr häufige Standardoperation an jeder kleinsten gynäkologischen Klinik. Heute sind dank Feminismus tausend Begründungen nötig, damit dieser monatlich traumatisierend-blutende, oft schmerzend-beeinträchtigende, hohes Krebspotential enthaltende Stinkesack entfernt werden darf.*** Auch die Weiter­entwicklung der Antibabypille, die die Feministen von Anfang an und bis heute nicht müde werden zu verhetzen - nicht wahr, »sooo unnatürlich« ist sie und macht die Frau dem Manne »jederzeit verfügbar« -, ermöglicht zumindest eine Reduktion dieser Aufladung: man kann die Pille gefahrlos (!) durchgängig einnehmen, und so (individuell unterschiedlich lange Zeit, meist aber mehrere Monate, hier gilt ausprobieren!) die Periode einfach ausfallen lassen. Welcher Gynäkologe erzählt einem das eigentlich?

Definieren wir Pornographie als Kontamination der Sexualität mit Erniedrigung, dann war sie seit Schwarzer feministische Substanz. Bekämpft wurde immer das Gegenteil, nämlich die sexuelle und damit verknüpfte intellektuelle Selbstbestimmung, deshalb forderten die Feministen in ihrer seinerzeitigen verlogenen »Anti-Pornographie-Kampagne« das Verbot des (göttlichen, wie ihn die Surrealisten nannten) Marquis de Sade, Vertreter der Weltliteratur und antiklerikaler Vorkämpfer zur Zeit der Französischen Revolution, deshalb zogen sie gegen die Stern-Titelbilder der Besseren Zeit zu Felde, welche schöne, selbstbewußte, sexuell aktive Frauen abbildeten. Inzwischen entgeht keine öffentlich sichtbare Brustwarze ihrem Geschmier, falls die Zensur nicht schon im Vorfeld durchgegriffen hat.

Kommen wir zur zweiten Gift-Komponente - hier konnte anfänglich die alte Schwarzer aus zeitlichen Gründen noch nicht mitmischen, gefreut hat sie AIDS, das »Himmelsgeschenk« für die Feinde der freien Sexualität, aber sicher genauso wie ihre (neu)feministischen Töchter. Seit mittlerweile über 20 Jahren verbreitet es seine tödliche Wirkung, viele der Besten, weil sexuell Mutigsten, sind inzwischen gestorben - vergessen wir nicht, vermeidbar (!), denn die gezielte Außerkraftsetzung der Seuchenhygiene war ein staatlicher (!) Akt. Das Wort AIDS fällt im ganzen Buch nur einmal am Rande, anläßlich eines Puffbesuchs. So wird die lebensgefährliche Leugnung der Gefahr verstärkt - der Gedanke (im Sinne der KDR) gebahnt, daß einem als Nichtbesucher derartiger Örtlichkeiten nichts passieren könne -, andererseits schwingt durch die hochinfektiösen Eskapaden der Protagonistin die AIDS-Gefahr doch ständig mit. Jeden, der sexuell experimentiert oder dies wünscht, kann und soll es treffen, so die latente Botschaft an alle, die auf dieser Ebene zu Recht mit der Protagonistin sympathisieren; sie traut sich ja (was, ist dann eine andere Frage), ergreift Initiative, ist der Onanie zugetan, redet unverkrampft über sexuelle Angelegenheiten usw. Und selbst für den Fall der sexuellen Verweigerung soll die Angst im Nacken sitzen bleiben, dafür sorgen die speichelgefüllte Sprudelflasche und gleichgerichtete außersexuelle Handlungen, die latent die Aufforderung zur gewissenlosen Ansteckung der Mitmenschen, ob Sexualpartner oder nicht, transportieren. Wenn es kein Entrinnen gibt, dann ist auch alles egal, so schließt sich der Teufelskreis aus Angst, Gefahrenleugnung und Induktion von selbst- und fremdgefährdendem Handeln.

Die heute allgegenwärtige Todesdrohung durch AIDS wird im vorliegenden Machwerk der Kastrationsdrohung gezielt aufgepfropft und so eine möglicherweise aufkeimende Hoffnung, daß man der Sexualverekelung vielleicht noch durch Mönchstum oder Absprache unter Gleichen entkommen könnte (schwierig genug ist es angesichts der allgemeinen feministischen Durchseuchung, aber den HIV-Hometest gibt es ja - noch jedenfalls!), dann doch mit der Virus-Drohung erstickt. Du entkommst uns nicht, wir erwischen Dich in jedem Fall, so also die beklemmende Botschaft des Buches. Es ist zu diesem finsteren Zweck so perfekt durchkonstruiert, daß ich gezieltes Design von staatsbeauftragten Psychologen für hochwahrscheinlich halte, unsere plappernde Moderatorin hat daran jedenfalls ganz sicher nicht allein gestrickt.

Gegen diese organisierte Lebenszerstörung hilft nur organisierte Gegenwehr, etwas anderes können wir nicht anbieten. Wer uns sucht, wird uns finden.

Ketzerbriefe

Charlotte Roche - Feuchtgebiete

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DuMont Buchverlag (Köln 2008)

(Hörbuch-Variante von Random House)

Links:

aus: Ketzerbriefe Nr. 147

Bund gegen Anpassung/Ahriman-Verlag


(erschienen August 2008)

 

Text: Kerstin Steinbach

 

* Neben den Originalwerken Freuds sei in unserem Zusammenhang besonders der Aufsatz von F.? E. Hoevels »Das psychische Trauma«, System ubw, 2000, empfohlen.

** Gert Bratenberg, Die Töchter Egalias, zit. nach Sabine Hering/Gudrun Meierhof, Die unpäßliche Frau, Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main 2002, S.?8.

*** Auch die Sterilisation war seinerzeit für junge Menschen ohne Kinder übrigens durchaus geschißfrei oder zumindest geschißarm durchführbar.

Links:

Feuchtgebiete

EVOLVER-Veranstaltungs-Tip


Am 27. September feierte die Theateradaption der "Feuchtgebiete" ihre Weltpremiere in der "Werft".

 

Regie: Christina Friedrich

Darsteller: Benjamin Berger , Lisa Bitter, Matthias Faust u. a.

 

Lesen Sie mehr dazu auf der Website der "Kulturinsel Halle/Neues Theater".

Links:

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