Stories_Ketzerbriefe: Gesundheitsausgaben, Teil 1

Nachgerechnet

In unserem zweiten Gastbeitrag aus der großartigen Publikation "Ketzerbriefe - Flaschenpost für unangepaßte Gedanken" berichtet Mirjam Stolz über das angebliche "Ende aller Heilmöglichkeiten". Oder: Warum all das Gerede von der "Überalterung der Gesellschaft", der ach-so-furchtbaren "Krise des Gesundheitssystems" und den "notwendigen Reformen" nicht nur eine perfide Lüge ist, sondern noch dazu ein paar äußerst interessante Wahrheiten verbirgt. Und was für unsere deutschen Nachbarn gilt, trifft naturgemäß auch auf Österreich und den Rest der EU-Diktatur zu.    17.10.2008

Während Deutschland mal wieder im Fußballfieber lag, brachte die »Badische Zeitung« am 9. Juni 2008 unter diesem unheilverkündenden Titel (Das Ende aller Heilmöglichkeiten) einen ganzseitigen Artikel des Inhalts - der Leser kann sich´s schon denken - jawohl: wie unbezahlbar doch die staatliche Gesundheitsversorgung sei. Dies und die seit den 70er Jahren gleichbleibende Argumentation dazu ist ja wahrlich nichts Neues, auch wenn die »BZ« im sicheren Vertrauen auf das schlechte Gedächtnis ihrer Leser und deren mangelnde Kommunikation untereinander (sodaß der einzelne leicht vom Sonderfallscharakter seiner Erfahrungen zu überzeugen ist - nur daher kann immer wieder die Rede von den bloß »gefühlten« Verschlechterungen in diesem und jenem Bereich sein) frech behauptet, es würde gerade jetzt ein »grundsätzliches Umdenken im deutschen Gesund­heitssystem« stattfinden, und dazu auffordert, »die Diskussion offen zu führen: (...) Wer darf welche medizinische Leistung in Anspruch nehmen? (...) Denn bisher galt die Idee stets als Tabu, daß sinnvolle medizinische Leistungen manchen Patienten mitunter vorenthalten werden müssen.«

Genug der Stuhlproben (vorerst)! Daß die Unbezahlbarkeit des Gesundheitswesens eine unverschämte Lüge ist, brauche ich wohl nicht weiter auszuführen, und vielleicht fragt sich nun einer, warum wir dafür überhaupt Druckerschwärze verschwenden, denn tatsächlich haben wir in unseren Veröffentlichungen die Demontage des Gesundheitswesens von Anbeginn hinreichend dokumentiert und besonders in unserer Flugschrift Nr. 6* von 1993 (!) die weitere Entwicklung derselben mit absoluter Treffsicherheit prognostiziert. Diese Lektüre sei dem Leser also auch unter dem Aspekt unserer mittlerweile eingetretenen Voraussagen besonders anempfohlen. Wir übertreiben eben nie!

Einige Aspekte lohnen aber nun doch eine erneute Betrachtung der Thematik. Vorerst noch eine teilweise Wiederholung: Der Vorwand für jede der zahlreichen »Gesundheitsreformen« war doch, wie sicherlich jeder erinnern wird, die sog. »Kostenexplosion« im Gesundheitswesen. Seit einer Weile wird aber sogar von offizieller Seite zugegeben, daß diese gar nie stattgefunden hat. Auch die »BZ« räumt im o. g. Artikel in »Was-interessiert-mich-heute-mein-Geschwätz-von-gestern«-Manier ein, daß »dieser häufig verwendete Begriff in die Irre führt«, da »die Kassenbudgets nicht sehr viel schneller gewachsen [sind] als das Bruttoinlandsprodukt.« Doch sei »andererseits klar, daß der vergleichsweise moderate Anstieg der Gesundheitsausgaben in den vergangenen Jahren nur durch eine ganze Batterie von Reformen und Kostendämpfungsmaßnahmen möglich war«.

Dann folgt dieses Diagramm:

 

Hier sollten wir zunächst innehalten, denn die »BZ« weiß über die Psychologie des Zeitungslesers nur zu gut Bescheid, um nicht zwei seiner Schwächen für ihre böse Absicht auszunutzen:

 


1. Bilder wirken und »überzeugen« besser als Text. Die Graphik suggeriert, es habe doch eine Kostenexplosion stattgefunden, und sie bleibt besser im Gedächtnis haften als der das Gegenteil behauptende Text (in welchem allerdings durch die Formulierung »nicht sehr viel schneller« statt wahrheitsgemäß »gar nicht« bereits im Sinne der KDR-Bahnung auf die Graphik vorgegriffen wird).
2. Der Leser rechnet in der Regel nicht nach, sondern läßt sich von statistischen Graphiken und Tabellen leicht einschüchtern.

 

In haargenau derselben Art und Weise ist auch der »Spiegel« (37/1993) verfahren. Wir haben damals in unserer o. g. Flugschrift vorgerechnet, wie die erwünschte falsche Botschaft zustande kommt und bringen auch jetzt noch einmal zur Veranschaulichung eine andere und weniger suggestible graphische Darstellung derselben Entwicklung:


Rechnet man anhand der »BZ«-Graphik für den mit diesem Diagramm übereinstimmenden Zeitraum von 1997 bis 2006 die jährlichen Steigerungsfaktoren der GKV-Ausgaben gemessen am BIP aus, kommt man auf genau das Ergebnis, welches die 2. Graphik darstellt: Die GKV-Ausgaben liegen (wie schon seit über 30 Jahren) bei konstant knapp über 10 % des BIP. Die wegen der um eine ganze 10er-Potenz unterschiedlichen Größenordnung der beiden Vergleichswerte (BIP und GKV-Ausgaben) in der von »BZ« und »Spiegel« absichtlich gewählten graphischen Darstellung stärker ansteigend erscheinenden Gesundheitsausgaben lassen sich - heute wie damals - durch konsequentes Linienziehen und hartnäckigen Dreisatz in Luft auflösen.

Lassen wir uns also nichts vormachen, auch wenn die »BZ« zur Untermauerung der Notwendigkeit weiterer Sparmaßnahmen die beiden häufig benutzten Argumente »Überalterung der Gesellschaft« (also die unliebsamen Rentner, die zu gar nichts nütze sind und nur das schöne Geld kosten, stimmt´s?) und »Fortschrittsfalle des Gesundheitswesens« (also die unliebsamen medizinischen Entwick­lungen, die dazu führten, daß die durchschnittliche Lebenserwartung so unangenehm stieg, und somit überhaupt erst die vielen unnützen Rentner entstehen konnten) ins Feld führt. Als Beispiel (und damit die letzte Kotzprobe aus unserem »BZ«-Artikel; es reicht ja nun wirklich!) für einen solchen kostentreibenden Fortschritt bringt sie sicherlich nicht zufällig den kürzlich eingeführten HPV-Impfstoff zur Vermeidung von Gebärmutterhalskrebs (immerhin die zweithäufigste Krebserkrankung bei Frauen!) und entstellenden Genitalwarzen. Zu den Hintergründen des Hasses aller Feinde der Menschheit auf diese vom 1. Tage an verhetzte, weil die Sexualität humanisierende, Vakzine siehe KB 134 und 144.

Die schweinische Botschaft (wir erinnern uns an die eingangs erwähnte »BZ«-Frage: »Wer darf welche medizinische Leistung in Anspruch nehmen?«) ist überdeutlich: Das »medizinisch Notwendige« soll sich nach dem Wert des jeweiligen Patienten richten, und dieser besteht in seiner Arbeitsfähigkeit und damit Ausbeutbarkeit. Rentner haben in diesem Sinne überhaupt keinen Wert, daher sollen wir auch nur kurz solche sein bzw. werden und nicht so kostentreibend lange leben. Die Klage über die teure Medizin wird also wohl erst enden, wenn die durchschnittliche Lebenserwartung dem Renteneintrittsalter entspricht.

Nun aber noch einmal zurück zu unserer Gesundheitsausgabenstatistik, denn eine Frage drängt sich dem aufmerksamen Leser doch sicher auf: Wenn es keine Kostenexplosion gegeben hat, wo ist dann das ganze eingesparte Geld geblieben; warum sind dann die Gesundheitsausgaben im Verhältnis zum BIP nicht gesunken? Oder hat die »BZ« vielleicht doch recht, wenn sie behauptet, daß diese nur durch vorausschauende Sparmaßnahmen verhindert worden sei? Um diesem Einwand zu begegnen, sollten wir uns noch einmal mit statistischen Fragen, insbesondere der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auseinandersetzen. Ich behaupte nämlich, daß die Gesundheitsausgaben im Verhältnis zum allgemeinen Wirtschaftswachstum sogar gesunken sind.

Wie das?

 


Die Antwort auf diese Frage und vieles mehr erfahren Sie in Kürze im zweiten Teil dieses Artikels. Fortsetzung folgt ...

Ketzerbriefe

aus: Ketzerbriefe Nr. 147

Bund gegen Anpassung/Ahriman-Verlag


(erschienen August 2008)

 

Text: Mirjam Stolz

 

* Von Ehrenberg bis Seehofer, Reportagen und Analysen aus dem Gesundheitswesen, AHRIMAN-Verlag, Freiburg 1993.

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