Stories_Ketzerbriefe: Kontoeröffnung

Eine ganz private Bankenkrise

Vom gescheiterten Versuch, in London als Ausländer ein Bankkonto zu eröffnen: ein Leserbrief an die "Ketzerbriefe"-Redaktion.    08.04.2009

Im Juli 2008 erhielt ich eine erst einmal auf ein Jahr befristete Stelle als Gastwis­senschaftler an einer der Universitäten Londons, an der School of Biological and Chemical Sciences, also eine seriöse Position, wenn auch unbezahlt, was in der Naturwissenschaft heutzutage keine Seltenheit mehr ist; etliche Kollegen sind gezwungen, sich z. T. jahrelang selber zu finanzieren, bevor eines der zahlrei­chen beantragten Drittmittelprojekte finanziert wird oder auch nicht, und dann hat sich´s mit Wissenschaft, unabhängig von der Qualität des Betreffenden.

Generell verwende ich lieber Bargeld, als ein Konto in Anspruch zu nehmen, gehen meine finanziellen Angelegenheiten doch niemanden etwas an, aber da der Bargeldtausch bei den britischen Banken, bei denen ich nachgefragt hatte, nur möglich ist, wenn man dort auch ein Konto hat, das Gerenne nach den Wechselstuben, deren Kurse man dann auch noch miteinander vergleichen muß, jedoch zeitraubend und nervtötend ist, und Überweisungen aus dem Ausland den wesentlich günstigeren Briefkurs bei mittlerweile weltweit festge­legten mäßigen Überweisungskosten garantieren, entschloß ich mich, selbst für dieses Jahr, ein Konto bei der großen britischen Bank Barclays zu eröffnen. Die Wahl der Bank war rein zufällig, es war die zur Universität nächstgelegene. So ging ich nun also an einem Nachmittag in der Annahme, daß die ganze Ange­legenheit rasch erledigt sein werde, wollte ich doch nur ein ganz normales Kon­to ohne Überziehungs- oder Kreditmöglichkeiten, zur Bank. Dem war jedoch nicht so.

Nachdem erst einmal drei Mitarbeiter zu Rate gezogen wurden, da die erste Angestellte partout nicht mit der Situation zurechtkam, daß jemand in England arbeitet, aber kein Geld verdient ("This can´t be, you can´t just stay on your own, you must get money!") und übersprungshandlungshaft mindestens fünfmal dazwischen sagte "By the way, my name is Sheila", was ich doch nach dem ersten Mal schon wußte und mir auch naturgemäß nicht weiterhalf, ka­men sie zu dem Schluß, daß in dieser Situation nur ein normaler "cash card ac­count" in Frage käme, eben ein einfaches Konto ohne Überziehungsmöglichkei­ten und Einzugsermächtigungen. Schön, nichts anders wollte ich ja, warum al­so nicht gleich?

Nun kann man zumindest bei dieser Bank sein Konto nicht einfach bei einer Filiale eröffnen, nein, alles geht nur über den Postverkehr mit einer außerhalb Londons gelegenen Spezialstelle. Unsere Sheila gab mir also die Formulare, die ich glücklicherweise gleich durchlas, denn man mußte ne­ben den üblichen Auskünften verschiedene Dokumente beilegen, entweder die Originale (!) oder beglaubigte Kopien, die man auch in der Bankfiliale erstellen lassen konnte. Der Zweck der Dokumente ist nun einerseits der Identitätsnachweis (Paß, Führerschein etc.), andererseits ein Meldenachweis.*) Da ich jedoch erst sehr kurz in London war, hatte ich als Meldenachweis akzeptierte Rechnungen, die meist nur alle drei Monate verschickt werden, noch nicht er­halten und fragte, was ich dann mache sollte. Die Angestellten einigten sich darauf, daß es in diesem Fall auch genügen würde, wenn ich eine Kopie meines Reisepasses und meines Personalausweises beilegen würde. Das bezweifelte ich, denn da beide Dokumente aus Deutschland waren, wäre damit ja mein Wohnort in London keineswegs nachgewiesen, doch sie meinten, das wäre schon in Ordnung so; da ich Ausländer sei, ginge das auch mit diesen beiden Dokumenten.

Na ja, ich glaubte kein Wort, aber was sollte ich machen? Also ließ ich beide Dokumente, die ich glücklicherweise bei mir trug, beglaubigen, was sich ca. 20 Minuten zog. Zu Hause füllte ich die Formulare aus und schick­te das ganze Bündel am darauffolgenden Tag ab; nach ca. 10 Tagen sollte man seine Karte mit Geheimnummer etc. auf dem Postweg übermittelt bekommen. Ich wartete 14 Tage, ich wartete 3 Wochen, ich wartete 4 Wochen, nichts ge­schah. Ich entschloß mich, nochmals bei der Bank nachzufragen, was denn der Grund sei, daß ich meine Kontounterlagen nicht bekäme. Die Filialen haben nun, wie erwähnt, mit den Kontoeröffnungen nichts zu tun, trotzdem ließ sich ein Angestellter, allerdings nur wegen meines mehrfach betonten Doktortitels und meiner Stellung an der Universität, dazu bewegen, telefonisch herauszubekommen, wo meine Unterlagen abgeblieben wären.

Es stellte sich heraus, daß irgend etwas mit den Dokumenten nicht in Ordnung gewesen sei und sie mir alle Unterlagen und Formulare zurückgeschickt hätten, allerdings an eine falsche Adresse (obwohl ich sehr deutlich schreibe), an die Hausnummer 45 anstatt 49. So konnte ich nun also bei meinen Nachbarn klingeln und fragen, ob sie zufälligerweise noch einen Brief für mich hätten, wobei man wissen muß, daß die Londoner Briefkästen mit Post an alte Vormieter überfüllt sind; ich sel­ber schicke pro Woche mindestens 20 Briefe zurück, return to sender, address unknown. Es war also nicht sehr wahrscheinlich, daß ich an meine Unterlagen kommen sollte, aber der Inder von nebenan hatte den Brief tatsächlich noch in seinem Return-to-sender-Stapel. Ich öffnete den Bankbrief, und siehe da, wie ich erwartet hatte, "fehlte der Bank" der Londoner Meldenachweis über eine der oben genannten Rechnungen; von wegen "bei Ausländern genügen heimat­licher Paß und Personalausweis"!

Da ich zwischenzeitlich eine erste Council­-tax-Rechnung hatte, schnappte ich mir diese und ging wieder zur Bank, mitt­lerweile schon ziemlich verärgert wegen des unnötigen Aufwandes und Portos. Ich erklärte dem Angestellten (auffälligerweise waren es jedesmal andere, sie scheinen ein rotierendes System zu haben, vermutlich, damit man keinen Sach­bearbeiter mit einer Art halbpersönlichem Verhältnis hat, den man eben kennt und der einen selber kennt, und damit man sich nicht an eine bestimmte Person halten kann, die einem den Unsinn erzählt hat - unsere ominöse Sheila zum Beispiel; ich habe auf jeden Fall noch nie die gleichen Angestellten in der Filiale gesehen), was sich ereignet hatte, und war äußerst verärgert. Er entschuldigte sich vielmals für den Fehler seiner Kollegen - hier wirken Heuchelschulungen nach -, kopierte und beglaubigte meine Council-tax-Rechnungskopie mittels eines großen bankeigenen Stempels, auf dem sein Name und die Filiale einge­tragen wurden. Wieder schickte ich das ganze Paket los und wartete.

Diesmal bekam ich bereits nach zwei Wochen Antwort, und zwar wiederum in Form des gesamten Stapels mit Unterlagen und einem Schreiben dazu, daß der Beglaubi­gungsstempel auf der Kopie der Council-tax-Rechnung etwas verwischt sei und deswegen nicht akzeptiert werden könne. Ich nahm den gesamten Stapel und schmiß ihn in eine Ecke, nun hatte ich endgültig die Schnauze voll. Das konnte ich aber ausschließlich deswegen tun, weil ich für das eine Jahr eine andere, allerdings auch nur mäßig gangbare Ersatzlösung gefunden hatte, um mein Geld auch ohne Konto in Großbritannien günstig getauscht zu bekommen. Denn es gibt nach wie vor gebührenfreie Postsparbuchkonten, bei denen das Geldziehen an bestimmten Automaten im Ausland über die jeweils maximale Summe von 500 Pfund (für England) zehnmal im Jahr umsonst ist. Umständlich, aber für das eine Jahr kann das vielleicht ganz knapp ausreichen, da ich meine Miete sowieso für ein Jahr im voraus bezahlen mußte (ein Kapitel für sich!) und diese Summe somit nicht monatlich anfällt. Aber das sind eben trotzdem nur 540 Euro pro Monat, von denen neben den 100 Euro Council-tax natürlich noch die Nebenkosten anfallen, und die sind in England, insbesondere Strom und Gas, horrend und allein im letzten Jahr um 42 Prozent gestiegen. Und sollte eine unerwar­tete zusätzliche Ausgabe nötig werden wie eine Autoreparatur oder eine etwas höhere Arztrechnung, die man als Privatpatient mindestens vorstrecken muß, bin ich geliefert respektive gezwungen, entweder zusätzliche Kosten für das Abheben im Ausland zu zahlen oder eine genügend große Menge Euros als Bargeld zu Hause zu lagern, um dann eben doch mit nicht unerheblichem Aufwand den schlechteren Kurs der Wechselstuben in Anspruch zu nehmen.

Aus diesem Grunde fühle ich mich in England in gewisser Weise entmündigt, denn ich habe ja gar keine Möglichkeit mehr, das mir eigentlich zur Verfügung stehende Geld problemlos zu nutzen, wie ich es für richtig halte, zumindest nicht, ohne daß die Postbank genau weiß, wann ich wieviel Geld wo abgehoben habe, oder mit dem verlustreichen Zusatzaufwand des Tauschens. Und das ausschließlich wegen provozierend unnötiger Bankschikanen. Und sollte ich tatsächlich eine echte Anstellung in Großbritannien bekommen, bleibt mir nichts anderes übrig, als den ganzen Kampf um die Eröffnung eines einfachen Bankkontos nochmals von vorne aufzunehmen.

 

Ich bin übrigens nicht die einzige, die mit den Banken hier Schwierigkeiten hat, alle Kollegen verdrehen nur die Augen und winken ab, wenn sie das Wort "Bank" nur hören; jeder notwendige Kontakt wie das simple Einreichen eines Schecks wird hier zur nervenzehrenden Zumutung. Aber über die Kismet-Mentalität kommen sie nicht hinaus.

Eines merkt man an dem gesamten Verfahren: Es geht der Bank nicht mehr darum, Geschäfte mit Individuen zu machen oder Kunden zu gewinnen, die ja auch potentielle Kreditnehmer werden könnten und über die ausgepreßten Zinsen eben die klassischen Bankgewinne zu erbringen hätten. Selbst mein kleines Konto wäre für die Bank im Zeitalter des personalsparenden Computerwesens ein minimaler Gewinn gewesen, denn das eingezahlte Geld hätte der Bank ja als praktisch zinsloses Darlehen zur Verfügung gestanden, bis ich es wieder abhebe (die auszuzahlenden Zinsen für ein Guthaben auf einem solchen Konto sind verschwindend gering und liegen weit unter der Inflationsrate). Aber dieses Geschäft macht offensichtlich nicht mehr das Wesen der Banken aus; Gängelung, Kontrolle und die Zurückversetzung ihrer "Kun­den" in die Unselbständigkeit klassischer Leibeigener sowie Willkür statt Vereinbarung stehen im Vordergrund. So behandelt man Heloten, nicht Staatsbürger, und man hat leider nur sehr wenige Möglichkeiten, dem zu entkommen. Das einzige, was einem bleibt, ist das Begreifen dieser Strukturen, damit man ihnen nicht überflüssigerweise zum Opfer fällt, wo man sie doch noch umgehen kann.

Ketzerbriefe

aus: Ketzerbriefe Nr. 151


Bund gegen Anpassung/Ahriman-Verlag


(erschienen Februar/März 2009)

Links:

*)


Es gibt keine Meldebehörden im deutschen Sinne in Großbritannien, deshalb gilt als Meldenachweis eine Strom- oder Gasrechnung oder auch die Council-tax-Rechnung über eine pervers überhöhte Sondersteuer nach mittelalterlichem Vorbild für das Leben in England. Zwar ist die Müllabfuhr neben der Instandhaltung weniger Spielplätze und ähnlichem Lokalkram, von dem man als Durchschnittsbürger mä­ßig bis gar nicht profitiert, auch inklusive, aber dafür sind die ca. 100 Euro im Monat für eine allein lebende Person in einer sehr mäßigen, kleinen Wohnung zuviel. Die Hö­he der Council-tax berechnet sich nach dem geschätzten Wert der Wohnung, der sich aus Lage, Größe und eventuell weiteren mir unbekannten Faktoren zusammensetzt.

Kommentare_

Hans Hansen - 27.05.2009 : 08.00
Ich bin sehr froh darüber, dass es so unangepasste Publikationen gibt, die endlich darüber aufklären wie skandalös schwierig es ist, in GB ein Konto zu eröffnen. Endlich bringt mal jemand die Wahrheit ans Licht, die staatsfinanzierte Experten und gleichgeschaltete Mainstreammedienöffentlichkeit immer nur vertuscht! Weiter so!

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