Stories_Shinobido: Der Weg des Ninja

Der logische Nachfolger

1998 war die Geburtsstunde des Stealth-Klassikers "Tenchu". Nach mittlerweile drei mehr oder weniger guten Sequels gibt sich nun der einzig wahre Erbe dieses Spiels die Ehre.    11.08.2006

Irgendwo am Ufer eines kleinen Baches schlägt der letzte der Asuka-Ninjas die Augen auf und stellt mit Entsetzen fest, daß er sich an nichts - außer die Ausübung seiner Kampfkünste - erinnern kann. Kurz nachdem er tief im Wald eine Zuflucht vor Wind und Wetter gefunden hat, erhält er eine Botschaft, in der ihm mitgeteilt wird, daß er der Sohn des Fürsten Ichijo sei. Ein paar durchgeschnittene Kehlen später steht er auch schon seinem vermeintlichen Erzeuger gegenüber und muß mit Entsetzen feststellen, daß er die Nachricht gründlichst mißverstanden hat: Ichijo ist nicht sein leiblicher Vater, sondern sein ehemaliger Mentor und Beschützer.

Während des Treffens befindet sich der Fürst in Gesellschaft einer weiteren Herrscherin, nämlich Sadame. Gemeinsam erklären sie der "Krähe" (so wird unser Held genannt), daß ihre/seine Seele im Verlauf des letzten Kampfes in verschiedene Stücke zersplittert und über das ganze Land verteilt worden sei. Beide Fürsten bieten ihm nun im Gegenzug für seine Dienste ihre Hilfe bei der Suche nach den Charaktertrümmern an. Hinter diesem Angebot steht nicht etwa asiatischer Altruismus, sondern vielmehr machtpolitische Intention, da beide gerade um die Vorherrschaft im Lande Utakata kämpfen und "Krähe" entscheidende Auswirkung auf das Ergebnis haben könnte. Kurz nach dem Gespräch schaltet sich auch noch eine dritte Partei ein - der reiche Händler Akame, dem der Sinn nach Höherem steht. Der lautlose Killer wird somit zu einem echten "Königsmacher".

Dies alles wird dem Spieler in einem schön anzusehenden Render-Intro und dem dazugehörigen Tutorial-Level näher gebracht. Nachdem nun die grobe Rahmenhandlung vorgetragen worden ist, kehrt der von Amnesie geplagte Ninja wieder in seinen Unterschlupf zurück und gibt dem Spieler somit Gelegenheit, sich mit dem umfangreichen Menü vertraut zu machen. Wählt man den Schriftrollenbereich aus, so werden die momentan zur Verfügung stehenden Missionen samt einem kurzen Briefing und dem jeweiligen Auftraggeber angezeigt. Durch das Drücken der Starttaste wird die ausgewählte Aufgabe angenommen - doch man sollte stets der Konsequenzen seiner Wahl gewahr sein, da jede Mission einen der Machthaber stärkt und die anderen beiden schwächt.

Zu Beginn jedes Auftrags wird der Protagonist immer an eine sichere Stelle des jeweiligen Bereichs versetzt, wo er sich in aller Ruhe einen groben Überblick verschaffen sollte. Schließlich ist es durchaus empfehlenswert, bei der Erledigung der verschiedenen Aufgaben nicht gesehen zu werden. Je unsichtbarer man bleibt, desto besser fällt die Bewertung aus - und das wiederum bedeutet mehr Geld und einen besseren Stand beim jeweiligen Auftraggeber.

 

"Shinobido" erinnert sehr an den PSOne-Klassiker "Tenchu", der seinerzeit wohl eines der besten Spiele für die mittlerweile veraltete Konsole war. Leider lassen nicht nur Missionsdesign und allgemeines Spielprinzip solche Erinnerungen wach werden, sondern auch die Graphik: Das hier Gezeigte ist der PS2 leider wirklich nicht würdig. Das mag daran liegen, daß ein Ninja naturgemäß immer nachts unterwegs ist, wenn bekanntlich alle Katzen grau sind. Nach Spielen wie "Primal" und "Splinter Cell" gilt dieses Argument aber nicht mehr. Die Konkurrenz hat überzeugend demonstriert, wie man trotz dunkler Umgebung eine graphisch ansprechende Atmosphäre zaubert. Zudem fehlt es an Abwechslung im Leveldesign: Häufig findet man sich in immer wieder gleich aussehenden Hüttenschluchten wieder, die ab und zu durch den Besuch einer Burg aufgelockert werden.

Auch die Steuerung des amnesischen Ninja könnte man als etwas störrisch bezeichnen. Zwar ist der Held zu Fuß richtig flott unterwegs, und auch Sprünge bereiten ihm keine großen Probleme. Wenn es jedoch zum offenen Kampf kommt, beginnen die Schwierigkeiten, wobei das eingeschränkte Kampfrepertoire noch das geringste Übel ist. Weitaus störender wirkt sich die schlechte Zielerfassung aus, die dazu führt, daß man einfach am Gegner vorbeischlägt und stattdessen eine Mauer verprügelt. Möglicherweise lag das ja auch im Sinne der Entwickler: "Shinobido" ist nun einmal ein Stealth-Spiel, in dem es darum geht, den Gegner aus dem Hinterhalt zu eliminieren - und die Steuerung solch hinterhältiger Kämpfe geht tatsächlich äußerst flüssig von der Hand.

Die Musik wiederum ist ein ausgleichender Faktor, da sie es dem Spieler trotz trister Graphik erlaubt, bis über beide Ohren in das Spiel einzutauchen. Wer über fade Umgebungen und kleine Steuerungsprobleme hinwegsehen kann, bekommt mit "Shinobido" also ein Spiel kredenzt, das trotz seines irreführenden Namens als einzig wirklich würdiger Nachfolger des legendären "Tenchu" gelten darf.

Dragan Andjelkovic

Shinobido: Der Weg des Ninja

ØØØØ


(Acquire/SCEE)

erhältlich für: PS2

 

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