Stories_Thrash Metal revisited: Nuclear Assault

Der Weg des Thrashers

Es geht um ein Genre, das keiner mehr so richtig kennt, weil es angeblich seit Ende der 80er tot ist. Wird es durch die Reunion einer legendären Band eine Wiederbelebung erfahren?    25.10.2005

Nuclear Assault gibt es seit 1984, also seit der Blütezeit des Thrash Metal, vor allem des Bay Area Thrash - benannt nach der Gegend, aus der der Thrash-Stil und dessen populärste Vertreter stammen, der Küstenregion Kaliforniens. Laute musikalische Helden wie Exodus, Testament, Death Angel, Hirax und viele mehr quetschten die letzten hämmernden Riffs aus ihren Gitarren, ihre Geschlechtsorgane in unglaublich enge Jeans und jede Menge Schweiß aus den Poren der Konzertbesucher. Das große Quetschen, sozusagen.

Aus dieser fruchtbaren Gegend stammen Nuclear Assault zwar nicht., aber dafür aus dem passenden Gegenstück von der anderen Küste. Nuclear Assault sind New Yorker. Danny Lilker, der einst bei Anthrax auf den Baß gedroschen hatte, war das alles nicht gut und hart genug. Also machte er mit ein paar Kumpels als Stormtroopers Of Death Krawall. Erst danach gründete er Nuclear Assault, die er mit Anthony Bramante und Glenn Evans bestückte.

Nuclear Assault machten seit jeher Thrash Metal. Und wie so oft bei Genres heißt das nicht viel. Megadeth waren ja einst auch eine Thrash-Metal-Band, doch Nuclear Assault hören sich nicht an wie Megadeth. Death Angel waren ebenfalls einmal eine großartige Thrash-Metal-Band (und sind es jetzt eigentlich wieder), aber auch da gibt es nur wenig Ähnlichkeiten. Also spulen wir ein Stück zurück.

Thrash Metal kommt, wie gesagt, aus Kalifornien und war der Sound des Metal-Underground der frühen 80er Jahre: schnelles, hackendes Riffing; wenig Melodie, dafür eine Kakaphonie an rhythmischer Gitarrenvirtuosität; knackige Tempi, manchmal halsbrecherisch flott. Die Bands waren stark von Punk und Hardcore-Punk beeinflusst - siehe Minor Threat, Black Flag, Misfits, Dead Kennedys, Chaos U.K., True Sounds Of Liberty usw. Sie hatten oft sozialkritische Texte, fast immer jedoch eine äußerst aggressive und ablehnende Haltung gegenüber dem Establishment, die sich in ebenso aggressiven und ablehnenden Texten Ausdruck verschaffte.

Das waren die Grundsteine des Genres. Einige Thrash-Metal-Bands verfolgten eine technische Variante dieser Musik, ein paar andere klangen mehr nach Punk, und wiederum andere konzentrierten sich auf das Tempo und die Härte im Thrash. Die Kalifornier waren hauptsächlich für ihre technische Versiertheit bekannt. Ihre erste Thrasher-Generation war schon beeindruckend - mit Gitarristen wie Eric Peterson oder Derrick Ramirez und Drummern wie Dave Lombardo. Die zweite Generation brachte Bands wie Forbidden hervor; vor den begnadeten Gitarrenattacken von Craig Locifero und Glen Alvelais verbeugen sich die Kenner heute noch. So ging es also in Kalifornien zu.

Auf der anderen Seite der USA klang das ganze schon etwas derber. In New York gab es viel Punk, wenn die Stadt nicht überhaupt als Wiege dieser Bewegung gelten muß. Dementsprechend waren auch die Big-Apple-Thrasher sehr dem Hardcore zugetan. Anthrax, so technisch und melodisch sie auch sein mögen, können die harten Beats des Punks nicht verbergen. Overkill waren schon immer bekennende Punks. Und dann gibt es eben noch Nuclear Assault. Danny Lilker war als Begründer der Stormtroopers Of Death immerhin das „missing link“ zwischen Metal und Hardcore-Punk. Diese Tradition führte er mit Nuclear Assault fort. Da ging es dann auch nicht nur um Musik, nicht nur um ballernde, aber einfache Riffs, die dafür umso druckvoller gespielt wurden. Der heftigen Rhythmussektion von Nuclear Assault war nichts entgegenzusetzen, aber da waren eben auch noch das Bellen von Lilker und die Texte: über Umweltverschmutzung, Waffenindustrie, Faschismus, Armut, Drogenabhängigkeit und andere menschliche Zustände wurde da sinniert, Kritik angebracht an einer Gesellschaft, die solche Mißstände schamlos zuließ, und sogar Lösungsvorschläge vermittelt (wenn diese auch zumeist etwas unreif waren). Immerhin, das konnten nicht einmal alle Hardcore-Bands von sich behaupten. Und so standen Nuclear Assault dann da, als die Heroes der Ostküste, als Favorit im Ring gegen die Bay Area.

Den Höhepunkt erreichten sie 1989 mit "Handle With Care". Auf dem Cover war eine Weltraumaufnahme der Erde zu sehen, darauf ein Stempel, wie er Paketen aufgedruckt wurde: "Handle With Care" eben. Und der Inhalt entsprach dem Cover, sowohl in lyrischer, als auch musikalischer Hinsicht. Unerbitterlich, hart und frustriert. Unzufrieden mit dem Weg, den die Dinge auf dieser Welt nahmen. Vier Jahre danach löste sich die Band auf.

Und jetzt ist sie wieder da, nach ganzen zwölf Jahren. Ihr neues Album nannte sie "Third World Genocide". Das Cover ist bei weitem nicht so eindringlich wie das von 1989, doch der Inhalt knüpft genau dort an. Kommt Thrash Metal etwa zurück? Hat Metal endlich wieder ein Gewissen? Wer weiß ... Sicher wird das alles nicht wegen eines neuen Albums von Nuclear Assault passieren, aber es könnte immerhin am Anfang der Dinge stehen. Oder auch nicht. Auf jeden Fall ist es gut, sich daran zu erinnern, daß Metal auch einmal anders kann, als auf supergrimmig zu tun und sich zu ernst zu nehmen, daß die harten Hunde sich auch einmal Zeit nehmen, um über das "Draußen", das "Andere", nachzudenken. Und das Riffing der Jungs kickt immer noch Arsch!

Nuri Nurbachsch

Nuclear Assault - Third World Genocide

ØØØØ


SPV (USA 2005)

 

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