Kino_Darwin's Nightmare

Hell on Earth

Eine Reise ins Herz der Dunkelheit: Hubert Saupers vielfach prämierte Dokumentation versucht die Strukturen hinter weltweiten Ausbeutungsmechanismen offenzulegen.    21.01.2005

Die Starken fressen die Schwachen. Das ist der gemeinsame Nenner, auf den man Darwins Evolutionstheorie (auch wenn man ihrem Entdecker damit unrecht tut) immer noch zusammenstutzen kann. So dient er auch dem Dokumentarfilm des Österreichers Hubert Sauper als mediengerecht verwertbarer Aufhänger. Macht aber nichts. Denn die dahinterstehende Problematik ist tatsächlich eine ernste und ernstzunehmende.

Sauper beschreibt - in handwerklich unaufgeregten bis biederen Bildern zwar - die schier unfaßbare "Erfolgsgeschichte", die mit der Aussetzung des Nilbarsches im Viktoriasee in den 60er-Jahren einherging. Abgesehen von der unerheblichen ökologischen Nebenwirkung, daß das Biest so gut wie jede andere Spezies aus dem Gewässer verdrängte, kann das Projekt nämlich aus westlicher Sicht als glatter Erfolg abgestempelt werden. Der Barsch wird täglich tonnenweise gefischt, beschert satte Profite, füllt die Taschen. Natürlich nicht die der Menschen, die in der Umgebung des Sees leben. Sie müssen sich damit begnügen, die Köpfe und andere Reste der Fische aufzuhängen und sich davon auch gleich ernähren. Daß sich neben der Ressourcenausbeuterei auch noch die Armen und Mittellosen mit Waffen-Deals und Kinderprostitution einwandfrei ausnutzen lassen, versteht sich von selbst. Und weil ein Pfaffe als lokaler Repräsentant des erfolgreichsten Globalisierungsprojektes ever immer noch Kondome verdammt, steigt auch die Anzahl der an AIDS Erkrankten weiterhin beunruhigend weiter (die Infizierten werden dann kurzerhand auf eine Insel abgeschoben).

Das alles weiß man natürlich. Und man hat es zigfach verdrängt bzw. sich damit abzufinden versucht (weil das ja eh alles "so weit weg ist"). Gerade deswegen sind Filme wie "Darwin's Nightmare" aber auch so immanent wichtig. Filme, die dorthin gehen, wo's auch mal unbequem wird, die ohne dabei in mahnerisches Betroffenheitsgetue (Michael Moore, take this!) zu verfallen oder monokausalen Erklärungsmodellen aufzusitzen ganz einfach Zusammenhänge aufzeigen und eventuell sogar wachrütteln.

Christoph Prenner

Darwin's Nightmare

ØØØ 1/2


Ö 2004

107 Min.

Regie: Hubert Sauper

 

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