Kino_Lemony Snicket - Rätselhafte Ereignisse

Beware of Count Carrey

Tim Burton light oder: Wie Jim Carrey wieder einmal einen ansonst recht durchschnittlichen Film vor der Belanglosigkeit rettet.    28.01.2005

Es sei vorausgeschickt, daß der Autor dieser Zeilen in seinem Leben noch kein einziges der bislang elf erschienenen "Lemony Snicket"-Büchlein des Autors Daniel Handler, die in den Staaten in jedem dritten Haushalt stehen, bei uns aber bislang veritable Ladenhüter waren, gelesen hat. Es ist ihm bis auf weiteres völlig unverständlich, wie ihm erwachsene Menschen besagte Werke als besonders abgründig, düster und sonstnochwas empfehlen können.

Die Erfahrung ähnlicher Bekehrungsversuche zur Hochzeit der Harry-Potter-Mania lehrt aber: Das sind Bücher, die primär für Kinder geschrieben wurden. Klar darf man sich da darüber freuen, daß bei Schriftstücken wie diesen nicht automatisch die rosarote Kinder-Kitsch-Verdummungsmaschinerie in Gang geworfen wurde und auch weniger heitere Lebensaspekte ihren Platz finden. Viel mehr an Tiefgang steckt aber nicht dahinter.

Und auch "Lemony Snicket - Rätselhafte Ereignisse", dem als Vorlage die ersten drei Snicket-Bücher dienten, bestätigt diese Vermutung. Der Film lebt nicht etwa von einer besonders außergewöhnlichen oder auch nur stimmig erzählten - sprich ausgereiften - Fantasy-Geschichte, sondern zu sehr großen Teilen einzig aufgrund seines Hauptdarstellers, Mr. Jim Carrey. Deklarierte Carrey-Hasser dürfen an dieser Stelle also aufhören weiterzulesen.

 

Denn dieser gibt in alles andere als zurückhaltender Manier (und damit in krassem Gegensatz zu seiner Rolle in "Eternal Sunshine Of The Spotless Mind") den reichlich seltsamen und seltsam unmenschlich wirkenden Count Olaf, der drei entfernt verwandte, durch den Tod ihrer Eltern vermögend gewordene Waisenkinder - die Baudelaire-Geschwister - bei sich aufnimmt. Selbstverständlich nicht aus purer Selbstlosigkeit, ist der merkwürdige Schrull doch hinter deren Familiensilber her und zu diesem Zweck zu wirklich jeder Schandtat bereit: Die Kleinen können sich also recht bald ihres Lebens nicht mehr sicher sein. Und Count Olaf ist in der Wahl seiner Mittel nicht gerade zimperlich.

Viel mehr passiert allerdings nicht. Die Struktur des Filmes erinnert an eine Aneinanderreihung lose verknüpfter Episoden, deren Ziel ausschließlich darin zu bestehen scheint, das völlig außer Rand und Band geratene Overacting von Gummigesicht Carrey und die morbiden viktorianischen Bühnendekors von Rick Heinrichs ins rechte Licht zu rücken. Jener Heinrichs war übrigens auch Set- bzw. Produktionsdesigner von Tim Burtons "Edward Scissorhands" und "Sleepy Hollow" und dieser Fakt liefert auch gleich einen Verweis auf die Richtung, die Regisseur Brad Silberling ("Casper") wohl gern verfolgt hätte. Doch zur Klasse eines Burton-Streifens fehlt "Lemony Snicket" neben einem interessanten Plot auch jene Extraportion Exzentrik und Spinnertheit, die jenen Filmen ihre Größe gab. Die zuweilen tatsächlich rätselhaften Erlebnisse der Baudelaire-Kinder mögen reichen, dem einen oder anderen jungen Sprößling schlaflose Nächte oder schlechte Träume zu bescheren, zum Ereignis werden sie für den Rest der Kinogänger damit aber nicht.

 

Christoph Prenner

Lemony Snicket - Rätselhafte Ereignisse

ØØØ

(Lemony Snicket's A Series of Unfortunate Events)


USA 2004

108 Min.

dt. Fassung und OF

Regie: Brad Silberling

Darsteller: Jim Carrey, Meryl Streep, Emily Browning u. a.

 

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