Kino_Out of Time - Sein Gegner ist die Zeit

Noir unter Palmen

Run, Denzel, Run: Mr. Washington ist in Carl Franklins sonnen- und humorgetünchter Noir-Interpretation notgedrungen immer seiner Zeit voraus.    11.03.2004

Trügerisch liegen Stille und Sonne über dem idyllisch-verschlafenen floridanischen Küstenkaff, in dem der örtliche Polizeichef Matt Whitlock (Denzel Washington) angesichts latenter beruflicher Unterbeschäftigung durch eine Affäre mit seiner verheirateten Jugendliebe Ann (Sanaa Lathan) die Zeit totzuschlagen versucht. Umso nachhaltiger bricht jedoch in weiterer Folge eine Reihe unberechenbarer Ereignisse über ihn herein: Zuerst liegt da zur Bewachung eine halbe Million Dollar beschlagnahmtes Drogengeld im Polizeisafe herum, dann taucht seine Frau Alex (Eva Mendes) auf, die die schon längst nicht mehr kittbare Ehe scheiden lassen möchte, und darüber hinaus offenbart ihm Ann, daß sie unheilbar an Krebs erkrankt sei und ihr als letzter Ausweg bloß eine kostspielige Therapie in der Schweiz helfen könne. Na zack.

Als er für die Behandlung das deponierte Drogengeld veruntreut, seine Geliebte samt Ehemann aber kurz darauf verkohlt in deren explodiertem Haus auffindet, beginnt sich die Schlinge um seinen Hals enger zu ziehen. Das liegt nicht zuletzt an der Tatsache, daß er der Hauptbegünstigte von Anns Lebensversicherung und seine (Ex-) Frau auch noch die Hauptermittlerin in diesem Mordfall ist. Das Beseitigen der zahlreichen gegen ihn sprechenden Beweise wird zum Rennen gegen die Zeit.

Wer sich erst einmal mit der relativ komplexen Ausgangssituation arrangiert hat, dem offenbart sich "Out of Time" von Carl Franklin, der hier - nach "Teufel in Blau" - erneut mit Denzel Washington in Sachen Noir kooperiert, als atemraubend in Szene gesetzte Hetzjagd durch eine Unzahl eingestreuter Verwirrmanöver und versteckter Finten. Im Gegensatz zum sich einer ähnlichen Konstellation bedienenden, wenngleich wesentlich grimmiger gehaltenen "No Way Out" ist das Script von "Out of Time" (von Newcomer Dave Collard) unablässig von einer auflockernden, Genre-untypischen Prise Leichtigkeit und viel Witz durchsetzt. Das läßt sich zugleich als Stärke und Schwäche des Films ausmachen. Einerseits versteht es Franklin, das Szenario der Ausweglosigkeit so bedrohlich wie launig evident zu halten, andererseits bietet der Plot bei genauerer Betrachtung eben auch nicht viel mehr als humoristisch aufpoliertes, rasant inszeniertes Altbekanntes und (für Noir-Geübte) Vorhersehbares. In Anbetracht derzeit fehlender Alternativen ist der Film aber trotzdem ein kleines, feines Krimi-Highlight.

Christoph Prenner

Out of Time - Sein Gegner ist die Zeit

ØØØ 1/2

(Out of Time)


USA 2003

107 Min.

dt. Fassung und engl. OF

Regie: Carl Franklin

Darsteller: Denzel Washington, Eva Mendes, Sanaa Lathan u. a.

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