Games_Uncharted 2: Among Thieves

Cineastischer Spielspaß

Vor zwei Jahren wurde "Uncharted: Drakes Schicksal" vom Spieleportal IGN mit Auszeichnungen überhäuft: Die Entwickler hatten nach Meinung der Juroren nicht nur das Spiel mit der besten Graphik und der besten Handlung des Jahres herausgebracht, sondern auch das beste Spiel des Jahres 2007 überhaupt. Das stellt natürlich hohe Erwartungen an den Nachfolger ...    12.11.2009

Zugegeben, "Drakes Schicksal" war nicht gerade die Neuerfindung des Rades - sondern eher das Testosteron-Pendant zur altehrwürdigen "Tomb Raider"-Reihe. Dennoch wußte der erste Teil von "Uncharted" zu gefallen, vor allem durch seinen Abwechslungsreichtum. Da wurde aus einem fahrenden Auto heraus geschossen, Jet-Ski gegen den Strom oder unter heftigem Beschuß gefahren und es galt, sich nicht nur in einfachen Rätseln, sondern auch in zahlreichen Shootouts zu beweisen. Im Endeffekt kamen nur die spannenden Parcours-Szenen zu kurz, während das übernatürliche Element mit einem Haufen Zombies eine viel zu prominente Rolle spielte.

Daß sich die Entwickler von Naughty Dog einige Gedanken zum Nachfolger "Among Thieves" gemacht haben, merkt man dem Spiel schon in den ersten Sekunden an. "Uncharted 2" wurde viel gezielter als cineastisches Erlebnis ausgelegt: Nathan Drake erwacht in einem über die Klippe hängenden Zugteil, angeschossen und blutend, während draußen ein eisiger Schneewind weht. Nachdem sich der Spieler mit Ach und Krach in einer an "Jurassic Park" erinnernden Action-Szene in Sicherheit bringt, nimmt die in Rückblenden erzählte Handlung schnell an Fahrt auf.

Aufgrund der Erzählweise kann sich das Sequel ohnehin rühmen, fast mehr Film als Spiel zu sein - wobei die Cutscenes keineswegs mehr Platz einnehmen als nötig. Auch der Spannungsbogen und die Ortswechsel wurden so konstruiert, daß man in der Tat glaubt, einen Kinofilm zu spielen.

 

Es stört auch nicht, daß die Handlung weitgehend aus Hollywood-Streifen wie eben "Jurassic Park", "Speed" oder auch "Die Mumie 3" zusammengeklaut wirkt. Immerhin hat sich die Anzahl der direkten Duelle verringert, wohingegen die Komplexität der anderen Schießereien etwas interessanter gestaltet wurde. So muß Drake unter anderem vor einem Panzer mit MG-Aufsatz fliehen und nebenbei seine Gegner erledigen. Und gleich zweimal darf er Hubschrauber vom Himmel holen - zuerst von einem Häuserdach, dann von einem fahrenden Zug aus. Man merkt also, daß sich die Entwickler bemüht haben, wenn ihnen auch keine vergleichbare Szene zur Jet-Ski-Flucht aus dem ersten Teil gelungen ist. Begrüßenswert ist jedenfalls, daß die Anzahl der Gegner zurückgegangen ist und die Shootouts besser verteilt sind - was jedoch auch daran liegen kann, daß man nun fast durchgehend einen Partner zur Seite gestellt bekommt.

Wie der Titel schon verrät, hat es Drake diesmal mit konkurrierenden Dieben zu tun. Treten seine Kollegen Harry Flynn und Chloe Frazer zu Beginn der Rückblenden noch als Verbündete auf, so wandelt sich das Blatt im Lauf des Spiels mehrmals. Gemeinsam - mehr oder weniger - gilt es die sagenumwobene Stadt Shambhala zu finden; eine Aufgabe, die sich auch der serbische Kriegsverbrecher Zoran Lazarević zum Ziel gesetzt hat. Daß es den Entwicklern gelungen ist, die Protagonisten des ersten Teils - Sully und Elena - glaubwürdig in die Handlung einzubauen, ist ein weiterer Verdienst von "Among Thieves". Beim Ensemble und der eigentlichen Geschichte (es geht von Istanbul nach Borneo, über Nepal bis hin zum Himalaya) ließ man sich folglich alles andere als lumpen. Zwar nimmt in den letzten Kapiteln der übernatürliche Faktor wieder gehörig zu - das Finale von "Drakes Schicksal" wirkt ob seiner Realitätsnähe etwas gelungener -, doch auch das kann das Kino-Feeling von "Among Thieves" nicht wirklich trüben.

 

Das Gameplay selbst wurde ein wenig abgewandelt. Neben der Orientierung an einer packenden Handlung finden auch Anleihen aus Spielen wie "Splinter Cell" Eingang in das Geschehen. Drake kann sich nunmehr hinter einer Mauer oder einer Deckung verstecken und Gegner in unmittelbarer Nähe still und heimlich ausschalten. Allerdings halten sich die Schleicheinlagen in Grenzen und vermengen sich mit dem geliehenen Handlungsgerüst aus diversen Blockbustern zu einem kunterbunten Unterhaltungs-Potpourri. Eine weitere Neuerung ist Drakes Fähigkeit, nun auch während des Laufens oder an Abgründen oder Seilen hängend auf seine Gegner zu schießen. Auch bei der Graphik hat sich Naughty Dog wieder selbst übertroffen. Ob es sich um den Wellengang des Meeres, einen wild wuchernden Urwald oder um einen nebelverhangenen, verschneiten Wald handelt - man kommt einfach nicht umhin, die Arbeit der Entwickler mit vor Freude glänzenden Augen zu bewundern.

Insgesamt ist "Uncharted 2: Among Thieves" ein würdiger Nachfolger des besten Spiels von 2007, der seinen Vorgänger vor allem in graphischer Hinsicht noch zu überflügeln vermag.

Florian Lieb

Uncharted 2: Among Thieves

ØØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

(Naughty Dog/Sony Computer Entertainment)

 

erhältlich für: PS3

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